Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

von den Begebenheiten der Cörper.
meiner solches abzuhandeln und zu zeigen, wie
man auf den Verdacht des blossen Scheins kom-
men könne, und solle, gehöret in die Theorie der
Phänomenen, wie wir den Grundbegriff da-
von gelegt haben in der Philosophia noua defi-
nitiua C. II. Def.

§. 6.
Unterschied des Anblicks und Anschauens.

Eine sehr kurtze Vorstellung, oder auch die
erste Vorstellung eines Cörpers durchs Gesicht,
wird ein Blick, oder Anblick genennet. Eine
fortgesetzte Vorstellung aber von cörperlichen Din-
gen durchs Gesicht, wird das Anschauen ge-
nennet. Das Anschauen ist daher ein vielfacher
und ununterbrochener Anblick. Doch ist ein gros-
ser Unterschied, ob ich einen Cörper bloß erblicke,
oder ob ich ihn anschaue.

§. 7.
Was die Aussicht heisset?

Weil alles, wovon Stralen in unsere Augen
fallen, uns auch vorgestellet wird, und es offen-
bar ist, daß zu gleicher Zeit uns gar viele Cör-
per in die Augen fallen; so wird uns auch durch
die Augen jedem Augenblick nicht ein Cörper, son-
dern gar viele vorgestellet. Auf einer Höhe kön-
nen wir gar weit, auch mit unverwandten Augen
sehen. Alle die Cörper, welche unserm Auge auf
einmal vorgestellet werden, heissen eine Aussicht
oder Prospeckt.

§. 8.

von den Begebenheiten der Coͤrper.
meiner ſolches abzuhandeln und zu zeigen, wie
man auf den Verdacht des bloſſen Scheins kom-
men koͤnne, und ſolle, gehoͤret in die Theorie der
Phaͤnomenen, wie wir den Grundbegriff da-
von gelegt haben in der Philoſophia noua defi-
nitiua C. II. Def.

§. 6.
Unterſchied des Anblicks und Anſchauens.

Eine ſehr kurtze Vorſtellung, oder auch die
erſte Vorſtellung eines Coͤrpers durchs Geſicht,
wird ein Blick, oder Anblick genennet. Eine
fortgeſetzte Vorſtellung aber von coͤrperlichen Din-
gen durchs Geſicht, wird das Anſchauen ge-
nennet. Das Anſchauen iſt daher ein vielfacher
und ununterbrochener Anblick. Doch iſt ein groſ-
ſer Unterſchied, ob ich einen Coͤrper bloß erblicke,
oder ob ich ihn anſchaue.

§. 7.
Was die Ausſicht heiſſet?

Weil alles, wovon Stralen in unſere Augen
fallen, uns auch vorgeſtellet wird, und es offen-
bar iſt, daß zu gleicher Zeit uns gar viele Coͤr-
per in die Augen fallen; ſo wird uns auch durch
die Augen jedem Augenblick nicht ein Coͤrper, ſon-
dern gar viele vorgeſtellet. Auf einer Hoͤhe koͤn-
nen wir gar weit, auch mit unverwandten Augen
ſehen. Alle die Coͤrper, welche unſerm Auge auf
einmal vorgeſtellet werden, heiſſen eine Ausſicht
oder Proſpeckt.

§. 8.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="31"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den Begebenheiten der Co&#x0364;rper.</hi></fw><lb/>
meiner &#x017F;olches abzuhandeln und zu zeigen, wie<lb/>
man auf den Verdacht des blo&#x017F;&#x017F;en Scheins kom-<lb/>
men ko&#x0364;nne, und &#x017F;olle, geho&#x0364;ret in die Theorie der<lb/><hi rendition="#fr">Pha&#x0364;nomenen,</hi> wie wir den Grundbegriff da-<lb/>
von gelegt haben in der <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophia noua defi-<lb/>
nitiua C. II. Def.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 6.<lb/>
Unter&#x017F;chied des Anblicks und An&#x017F;chauens.</head><lb/>
          <p>Eine &#x017F;ehr kurtze Vor&#x017F;tellung, oder auch die<lb/>
er&#x017F;te Vor&#x017F;tellung eines Co&#x0364;rpers durchs Ge&#x017F;icht,<lb/>
wird ein <hi rendition="#fr">Blick,</hi> oder <hi rendition="#fr">Anblick</hi> genennet. Eine<lb/>
fortge&#x017F;etzte Vor&#x017F;tellung aber von co&#x0364;rperlichen Din-<lb/>
gen durchs Ge&#x017F;icht, wird das <hi rendition="#fr">An&#x017F;chauen</hi> ge-<lb/>
nennet. Das An&#x017F;chauen i&#x017F;t daher ein vielfacher<lb/>
und ununterbrochener Anblick. Doch i&#x017F;t ein gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Unter&#x017F;chied, ob ich einen Co&#x0364;rper bloß erblicke,<lb/>
oder ob ich ihn an&#x017F;chaue.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 7.<lb/>
Was die Aus&#x017F;icht hei&#x017F;&#x017F;et?</head><lb/>
          <p>Weil alles, wovon Stralen in un&#x017F;ere Augen<lb/>
fallen, uns auch vorge&#x017F;tellet wird, und es offen-<lb/>
bar i&#x017F;t, daß zu gleicher Zeit uns gar viele Co&#x0364;r-<lb/>
per in die Augen fallen; &#x017F;o wird uns auch durch<lb/>
die Augen jedem Augenblick nicht <hi rendition="#fr">ein</hi> Co&#x0364;rper, &#x017F;on-<lb/>
dern gar <hi rendition="#fr">viele</hi> vorge&#x017F;tellet. Auf einer Ho&#x0364;he ko&#x0364;n-<lb/>
nen wir gar weit, auch mit unverwandten Augen<lb/>
&#x017F;ehen. Alle die Co&#x0364;rper, welche un&#x017F;erm Auge auf<lb/>
einmal vorge&#x017F;tellet werden, hei&#x017F;&#x017F;en eine <hi rendition="#fr">Aus&#x017F;icht</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">Pro&#x017F;peckt.</hi></p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 8.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0067] von den Begebenheiten der Coͤrper. meiner ſolches abzuhandeln und zu zeigen, wie man auf den Verdacht des bloſſen Scheins kom- men koͤnne, und ſolle, gehoͤret in die Theorie der Phaͤnomenen, wie wir den Grundbegriff da- von gelegt haben in der Philoſophia noua defi- nitiua C. II. Def. §. 6. Unterſchied des Anblicks und Anſchauens. Eine ſehr kurtze Vorſtellung, oder auch die erſte Vorſtellung eines Coͤrpers durchs Geſicht, wird ein Blick, oder Anblick genennet. Eine fortgeſetzte Vorſtellung aber von coͤrperlichen Din- gen durchs Geſicht, wird das Anſchauen ge- nennet. Das Anſchauen iſt daher ein vielfacher und ununterbrochener Anblick. Doch iſt ein groſ- ſer Unterſchied, ob ich einen Coͤrper bloß erblicke, oder ob ich ihn anſchaue. §. 7. Was die Ausſicht heiſſet? Weil alles, wovon Stralen in unſere Augen fallen, uns auch vorgeſtellet wird, und es offen- bar iſt, daß zu gleicher Zeit uns gar viele Coͤr- per in die Augen fallen; ſo wird uns auch durch die Augen jedem Augenblick nicht ein Coͤrper, ſon- dern gar viele vorgeſtellet. Auf einer Hoͤhe koͤn- nen wir gar weit, auch mit unverwandten Augen ſehen. Alle die Coͤrper, welche unſerm Auge auf einmal vorgeſtellet werden, heiſſen eine Ausſicht oder Proſpeckt. §. 8.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/67
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/67>, abgerufen am 26.04.2024.