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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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hallte sein Gang wider. Einförmig und unförmlich
lagen die Häusermassen da. Selten klebte sich in
der Gegend der oberen Stockwerke ein magerer
Lichtschein an die Riesentafeln. Die Gasflammen
hüpften nervös in ihren Glaskäfigen hin und her.
Es hatte geregnet: Ueber das Pflaster hin lagen
hier und dort dunkelgelbe Reflexe gestreut. Oefter
leuchtete verschwommen-schmutzig ein Stück einer an-
gebrochen-verkümmerten Iris auf.

Adam traf auf eine Brücke. Er lehnte sich eine
kleine Frist hindurch über das Geländer und sah
auf das träge, gleichgültig hinschleichende Wasser
hinab. Ein nörgelnder, zupfender Wind pustete jetzt
über die Fluth hinweg. Und es nahm sich aus,
als wäre der Spiegel mit einer Legion von kleinen,
braungrünen Schildkrötenrücken gepolstert.

Nun stand Adam vor dem Hause, da Hedwig
mit ihrem Vater wohnte. Aber oben war Alles
dunkel. Allenthalben tiefe, nur von den verhaltenen
Athemzügen des feuchten Nachtwindes monoton duch-
summte, zaghaft durchmunkelte Stille.

Und der einsame Wanderer setzte sein Wandern
fort, das ihn endlich nach seiner Klause führen sollte.
Verworrener Gedanken, einer dunklen Sehnsucht war
seine Seele voll. --



hallte ſein Gang wider. Einförmig und unförmlich
lagen die Häuſermaſſen da. Selten klebte ſich in
der Gegend der oberen Stockwerke ein magerer
Lichtſchein an die Rieſentafeln. Die Gasflammen
hüpften nervös in ihren Glaskäfigen hin und her.
Es hatte geregnet: Ueber das Pflaſter hin lagen
hier und dort dunkelgelbe Reflexe geſtreut. Oefter
leuchtete verſchwommen-ſchmutzig ein Stück einer an-
gebrochen-verkümmerten Iris auf.

Adam traf auf eine Brücke. Er lehnte ſich eine
kleine Friſt hindurch über das Geländer und ſah
auf das träge, gleichgültig hinſchleichende Waſſer
hinab. Ein nörgelnder, zupfender Wind puſtete jetzt
über die Fluth hinweg. Und es nahm ſich aus,
als wäre der Spiegel mit einer Legion von kleinen,
braungrünen Schildkrötenrücken gepolſtert.

Nun ſtand Adam vor dem Hauſe, da Hedwig
mit ihrem Vater wohnte. Aber oben war Alles
dunkel. Allenthalben tiefe, nur von den verhaltenen
Athemzügen des feuchten Nachtwindes monoton duch-
ſummte, zaghaft durchmunkelte Stille.

Und der einſame Wanderer ſetzte ſein Wandern
fort, das ihn endlich nach ſeiner Klauſe führen ſollte.
Verworrener Gedanken, einer dunklen Sehnſucht war
ſeine Seele voll. —



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[84/0092] hallte ſein Gang wider. Einförmig und unförmlich lagen die Häuſermaſſen da. Selten klebte ſich in der Gegend der oberen Stockwerke ein magerer Lichtſchein an die Rieſentafeln. Die Gasflammen hüpften nervös in ihren Glaskäfigen hin und her. Es hatte geregnet: Ueber das Pflaſter hin lagen hier und dort dunkelgelbe Reflexe geſtreut. Oefter leuchtete verſchwommen-ſchmutzig ein Stück einer an- gebrochen-verkümmerten Iris auf. Adam traf auf eine Brücke. Er lehnte ſich eine kleine Friſt hindurch über das Geländer und ſah auf das träge, gleichgültig hinſchleichende Waſſer hinab. Ein nörgelnder, zupfender Wind puſtete jetzt über die Fluth hinweg. Und es nahm ſich aus, als wäre der Spiegel mit einer Legion von kleinen, braungrünen Schildkrötenrücken gepolſtert. Nun ſtand Adam vor dem Hauſe, da Hedwig mit ihrem Vater wohnte. Aber oben war Alles dunkel. Allenthalben tiefe, nur von den verhaltenen Athemzügen des feuchten Nachtwindes monoton duch- ſummte, zaghaft durchmunkelte Stille. Und der einſame Wanderer ſetzte ſein Wandern fort, das ihn endlich nach ſeiner Klauſe führen ſollte. Verworrener Gedanken, einer dunklen Sehnſucht war ſeine Seele voll. —

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/92>, abgerufen am 26.04.2024.