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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666.

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Predigt.


Die
Vier und zwantzigste Predigt/
Von
Der Lehre der Christlichen Klugheit/ in Erkant-
nuß und Unterscheid deß guten und bösen.

GEliebte in Christo. Ubel/ übel und mehr denn
übel haben unterschieden/ gewehlet und gefehlet unsere
erste Eltern/ wann sie unter den zwo/ an sich selbst
edeln/ und köstlichen Trachten und starcken Speisen/
die ihnen GOtt der HErr im Paradiß fürgestellet/ den
Baum deß Lebens/ und den Baum der Erkantnuß gu-
ten und bösen zur Chur und Wahl/ jenen verlassen/ diesen aber ange-
nommen. Jener der Baum deß Lebens/ war arbor apothecaria, ein
Artzneybaum/ hat den Nahmen mit der That gehabt; er war nicht nur für
sich selbst lebend/ sondern auch ein lebendigmachender Baum/ dadurch
das humidum radicale, der Natur-Balsam/ so von der natürlichen Hitze
verzehret/ in gleicher proportion, tem perament, und Güte compensirt
und ersetzet worden. Es hat mit unserm Leben ein Bewantnuß wie mit
dem Wein/ dessen Hitze verzehret die Feuchtigkeit/ ist derohalben immer-
dar Nachfüllen vonnöthen/ ist der Wein köstlich/ und soll in seiner Wür-
de erhalten werden/ so muß man keinen schlechten/ sauren/ weichen und
abgeschmackten Wein/ viel weniger Wasser zugiessen/ sondern eben so gu-
ten Wein: Jm widrigen wird er weich/ kranck und verdirbt: Also daß der
Mensch jetzt nach dem Fall sterben muß/ kommt daher/ dieweil das humi-
dum radicale
nicht kan durch die Elementarische Speise/ von dem Erd-
boden/ den GOtt verflucht/ compensirt werden: Aber dazumal hatte
der safftige Lebens-Baum die Krafft/ daß er den Abgang eadem gene-
rositate compensi
rt/ und das Leben immer erhalten. Dieser aber
nemlich der Baum der Erkantnüß guten und bösen/ war arbor
anathematica,
ein Bannbaum/ ein verbottener Baum/ den GOtt

dahin
Achter Theil. Y y y y
Predigt.


Die
Vier und zwantzigſte Predigt/
Von
Der Lehre der Chriſtlichen Klugheit/ in Erkant-
nuß und Unterſcheid deß guten und boͤſen.

GEliebte in Chriſto. Ubel/ uͤbel und mehr denn
uͤbel haben unterſchieden/ gewehlet und gefehlet unſere
erſte Eltern/ wann ſie unter den zwo/ an ſich ſelbſt
edeln/ und koͤſtlichen Trachten und ſtarcken Speiſen/
die ihnen GOtt der HErꝛ im Paradiß fuͤrgeſtellet/ den
Baum deß Lebens/ und den Baum der Erkantnuß gu-
ten und boͤſen zur Chur und Wahl/ jenen verlaſſen/ dieſen aber ange-
nommen. Jener der Baum deß Lebens/ war arbor apothecaria, ein
Artzneybaum/ hat den Nahmen mit der That gehabt; er war nicht nur fuͤr
ſich ſelbſt lebend/ ſondern auch ein lebendigmachender Baum/ dadurch
das humidum radicale, der Natur-Balſam/ ſo von der natuͤrlichen Hitze
verzehret/ in gleicher proportion, tem perament, und Guͤte compenſirt
und erſetzet worden. Es hat mit unſerm Leben ein Bewantnuß wie mit
dem Wein/ deſſen Hitze verzehret die Feuchtigkeit/ iſt derohalben immer-
dar Nachfuͤllen vonnoͤthen/ iſt der Wein koͤſtlich/ und ſoll in ſeiner Wuͤr-
de erhalten werden/ ſo muß man keinen ſchlechten/ ſauren/ weichen und
abgeſchmackten Wein/ viel weniger Waſſer zugieſſen/ ſondern eben ſo gu-
ten Wein: Jm widrigen wird er weich/ kranck und verdirbt: Alſo daß der
Menſch jetzt nach dem Fall ſterben muß/ kom̃t daher/ dieweil das humi-
dum radicale
nicht kan durch die Elementariſche Speiſe/ von dem Erd-
boden/ den GOtt verflucht/ compenſirt werden: Aber dazumal hatte
der ſafftige Lebens-Baum die Krafft/ daß er den Abgang eadem gene-
roſitate compenſi
rt/ und das Leben immer erhalten. Dieſer aber
nemlich der Baum der Erkantnuͤß guten und boͤſen/ war arbor
anathematica,
ein Bannbaum/ ein verbottener Baum/ den GOtt

dahin
Achter Theil. Y y y y
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[721/0745] Predigt. Die Vier und zwantzigſte Predigt/ Von Der Lehre der Chriſtlichen Klugheit/ in Erkant- nuß und Unterſcheid deß guten und boͤſen. GEliebte in Chriſto. Ubel/ uͤbel und mehr denn uͤbel haben unterſchieden/ gewehlet und gefehlet unſere erſte Eltern/ wann ſie unter den zwo/ an ſich ſelbſt edeln/ und koͤſtlichen Trachten und ſtarcken Speiſen/ die ihnen GOtt der HErꝛ im Paradiß fuͤrgeſtellet/ den Baum deß Lebens/ und den Baum der Erkantnuß gu- ten und boͤſen zur Chur und Wahl/ jenen verlaſſen/ dieſen aber ange- nommen. Jener der Baum deß Lebens/ war arbor apothecaria, ein Artzneybaum/ hat den Nahmen mit der That gehabt; er war nicht nur fuͤr ſich ſelbſt lebend/ ſondern auch ein lebendigmachender Baum/ dadurch das humidum radicale, der Natur-Balſam/ ſo von der natuͤrlichen Hitze verzehret/ in gleicher proportion, tem perament, und Guͤte compenſirt und erſetzet worden. Es hat mit unſerm Leben ein Bewantnuß wie mit dem Wein/ deſſen Hitze verzehret die Feuchtigkeit/ iſt derohalben immer- dar Nachfuͤllen vonnoͤthen/ iſt der Wein koͤſtlich/ und ſoll in ſeiner Wuͤr- de erhalten werden/ ſo muß man keinen ſchlechten/ ſauren/ weichen und abgeſchmackten Wein/ viel weniger Waſſer zugieſſen/ ſondern eben ſo gu- ten Wein: Jm widrigen wird er weich/ kranck und verdirbt: Alſo daß der Menſch jetzt nach dem Fall ſterben muß/ kom̃t daher/ dieweil das humi- dum radicale nicht kan durch die Elementariſche Speiſe/ von dem Erd- boden/ den GOtt verflucht/ compenſirt werden: Aber dazumal hatte der ſafftige Lebens-Baum die Krafft/ daß er den Abgang eadem gene- roſitate compenſirt/ und das Leben immer erhalten. Dieſer aber nemlich der Baum der Erkantnuͤß guten und boͤſen/ war arbor anathematica, ein Bannbaum/ ein verbottener Baum/ den GOtt dahin Achter Theil. Y y y y

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismvs-Milch. Bd. 8. Straßburg, 1666, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus08_1666/745>, abgerufen am 26.04.2024.