Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.
Die erste Wirkung des kohlensauren und einiger anderer Salze des
Ammoniak, ebenso wie einiger anderer Flüssigkeiten besteht in dem
Dunkel- oder Schwarzwerden der Drüsen. Dies erfolgt selbst nach
langem Eintauchen in kaltes destillirtes Wasser. Es hängt augen-
scheinlich hauptsächlich von der starken Zusammenballung des Zellen-
inhalts ab, welcher hierdurch undurchsichtig wird und das Licht nicht
reflectirt. Einige andere Flüssigkeiten machen die Drüsen heller roth,
während gewisse, wenn auch sehr verdünnte Säuren das Gift der Cobra-
Schlange u. s. w. die Drüsen vollkommen weisz und undurchsichtig
machen; und dies scheint von dem Gerinnen ihres Inhalts ohne irgend
eine Zusammenballung abzuhängen. Ehe sie in dieser Weise afficirt
werden, sind sie demohngeachtet fähig, wenigstens in einigen Fällen,
in ihren eigenen Tentakeln Zusammenballung zu erregen.

Dasz die centralen Drüsen, wenn sie gereizt werden, centrifugal
einen gewissen Einflusz den äuszeren Drüsen zusenden, welcher diese
veranlaszt, einen centripetalen, Zusammenballung verursachenden Reiz
zurück zu senden, ist vielleicht die interessanteste Thatsache, die in
diesem Capitel angeführt worden ist. Aber der ganze Procesz der Zu-
sammenballung ist an und für sich selbst schon eine auffallende Erschei-
nung. Wenn das peripherische Ende eines Nerven berührt oder ge-
drückt und eine Empfindung gefühlt wird, so nimmt man an, dasz
eine unsichtbare moleculäre Veränderung von einem Ende des Nerven
zum andern übermittelt wird; wenn aber eine Drüse der Drosera
wiederholt berührt wird, so können wir wirklich sehen, wie eine mole-
culäre Veränderung von der Drüse aus die Tentakeln hinunter geht,
wenngleich diese Veränderung wahrscheinlich von einer sehr verschie-
denen Natur von der in einem Nerven vor sich gehenden ist. Da end-
lich so viele und so sehr verschiedene Ursachen Zusammenballung er-
regen, so scheint daraus hervorzugehen, dasz die lebendige Substanz
in den Drüsenzellen in einem so unsteten Zustande sich befindet, dasz
beinahe jede Störung genügt, ihre moleculäre Natur zu verändern, wie
es mit gewissen chemischen Verbindungen der Fall ist. Und diese Ver-
änderung in den Drüsen, mögen diese direct oder durch einen von andern
Drüsen empfangenen Reiz erregt worden sein, wird von Zelle zu Zelle
weiter geführt und verursacht, dasz Körnchen von Protoplasma ent-
weder wirklich in der vorher klaren Flüssigkeit erzeugt werden oder
verschmelzen und so sichtbar werden.

Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.
Die erste Wirkung des kohlensauren und einiger anderer Salze des
Ammoniak, ebenso wie einiger anderer Flüssigkeiten besteht in dem
Dunkel- oder Schwarzwerden der Drüsen. Dies erfolgt selbst nach
langem Eintauchen in kaltes destillirtes Wasser. Es hängt augen-
scheinlich hauptsächlich von der starken Zusammenballung des Zellen-
inhalts ab, welcher hierdurch undurchsichtig wird und das Licht nicht
reflectirt. Einige andere Flüssigkeiten machen die Drüsen heller roth,
während gewisse, wenn auch sehr verdünnte Säuren das Gift der Cobra-
Schlange u. s. w. die Drüsen vollkommen weisz und undurchsichtig
machen; und dies scheint von dem Gerinnen ihres Inhalts ohne irgend
eine Zusammenballung abzuhängen. Ehe sie in dieser Weise afficirt
werden, sind sie demohngeachtet fähig, wenigstens in einigen Fällen,
in ihren eigenen Tentakeln Zusammenballung zu erregen.

Dasz die centralen Drüsen, wenn sie gereizt werden, centrifugal
einen gewissen Einflusz den äuszeren Drüsen zusenden, welcher diese
veranlaszt, einen centripetalen, Zusammenballung verursachenden Reiz
zurück zu senden, ist vielleicht die interessanteste Thatsache, die in
diesem Capitel angeführt worden ist. Aber der ganze Procesz der Zu-
sammenballung ist an und für sich selbst schon eine auffallende Erschei-
nung. Wenn das peripherische Ende eines Nerven berührt oder ge-
drückt und eine Empfindung gefühlt wird, so nimmt man an, dasz
eine unsichtbare moleculäre Veränderung von einem Ende des Nerven
zum andern übermittelt wird; wenn aber eine Drüse der Drosera
wiederholt berührt wird, so können wir wirklich sehen, wie eine mole-
culäre Veränderung von der Drüse aus die Tentakeln hinunter geht,
wenngleich diese Veränderung wahrscheinlich von einer sehr verschie-
denen Natur von der in einem Nerven vor sich gehenden ist. Da end-
lich so viele und so sehr verschiedene Ursachen Zusammenballung er-
regen, so scheint daraus hervorzugehen, dasz die lebendige Substanz
in den Drüsenzellen in einem so unsteten Zustande sich befindet, dasz
beinahe jede Störung genügt, ihre moleculäre Natur zu verändern, wie
es mit gewissen chemischen Verbindungen der Fall ist. Und diese Ver-
änderung in den Drüsen, mögen diese direct oder durch einen von andern
Drüsen empfangenen Reiz erregt worden sein, wird von Zelle zu Zelle
weiter geführt und verursacht, dasz Körnchen von Protoplasma ent-
weder wirklich in der vorher klaren Flüssigkeit erzeugt werden oder
verschmelzen und so sichtbar werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="55"/><fw place="top" type="header">Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma.</fw><lb/>
Die erste Wirkung des kohlensauren und einiger anderer Salze des<lb/>
Ammoniak, ebenso wie einiger anderer Flüssigkeiten besteht in dem<lb/>
Dunkel- oder Schwarzwerden der Drüsen. Dies erfolgt selbst nach<lb/>
langem Eintauchen in kaltes destillirtes Wasser. Es hängt augen-<lb/>
scheinlich hauptsächlich von der starken Zusammenballung des Zellen-<lb/>
inhalts ab, welcher hierdurch undurchsichtig wird und das Licht nicht<lb/>
reflectirt. Einige andere Flüssigkeiten machen die Drüsen heller roth,<lb/>
während gewisse, wenn auch sehr verdünnte Säuren das Gift der Cobra-<lb/>
Schlange u. s. w. die Drüsen vollkommen weisz und undurchsichtig<lb/>
machen; und dies scheint von dem Gerinnen ihres Inhalts ohne irgend<lb/>
eine Zusammenballung abzuhängen. Ehe sie in dieser Weise afficirt<lb/>
werden, sind sie demohngeachtet fähig, wenigstens in einigen Fällen,<lb/>
in ihren eigenen Tentakeln Zusammenballung zu erregen.</p><lb/>
          <p>Dasz die centralen Drüsen, wenn sie gereizt werden, centrifugal<lb/>
einen gewissen Einflusz den äuszeren Drüsen zusenden, welcher diese<lb/>
veranlaszt, einen centripetalen, Zusammenballung verursachenden Reiz<lb/>
zurück zu senden, ist vielleicht die interessanteste Thatsache, die in<lb/>
diesem Capitel angeführt worden ist. Aber der ganze Procesz der Zu-<lb/>
sammenballung ist an und für sich selbst schon eine auffallende Erschei-<lb/>
nung. Wenn das peripherische Ende eines Nerven berührt oder ge-<lb/>
drückt und eine Empfindung gefühlt wird, so nimmt man an, dasz<lb/>
eine unsichtbare moleculäre Veränderung von einem Ende des Nerven<lb/>
zum andern übermittelt wird; wenn aber eine Drüse der <hi rendition="#i">Drosera</hi><lb/>
wiederholt berührt wird, so können wir wirklich sehen, wie eine mole-<lb/>
culäre Veränderung von der Drüse aus die Tentakeln hinunter geht,<lb/>
wenngleich diese Veränderung wahrscheinlich von einer sehr verschie-<lb/>
denen Natur von der in einem Nerven vor sich gehenden ist. Da end-<lb/>
lich so viele und so sehr verschiedene Ursachen Zusammenballung er-<lb/>
regen, so scheint daraus hervorzugehen, dasz die lebendige Substanz<lb/>
in den Drüsenzellen in einem so unsteten Zustande sich befindet, dasz<lb/>
beinahe jede Störung genügt, ihre moleculäre Natur zu verändern, wie<lb/>
es mit gewissen chemischen Verbindungen der Fall ist. Und diese Ver-<lb/>
änderung in den Drüsen, mögen diese direct oder durch einen von andern<lb/>
Drüsen empfangenen Reiz erregt worden sein, wird von Zelle zu Zelle<lb/>
weiter geführt und verursacht, dasz Körnchen von Protoplasma ent-<lb/>
weder wirklich in der vorher klaren Flüssigkeit erzeugt werden oder<lb/>
verschmelzen und so sichtbar werden.</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0069] Cap. 3. Zusammenballung des Protoplasma. Die erste Wirkung des kohlensauren und einiger anderer Salze des Ammoniak, ebenso wie einiger anderer Flüssigkeiten besteht in dem Dunkel- oder Schwarzwerden der Drüsen. Dies erfolgt selbst nach langem Eintauchen in kaltes destillirtes Wasser. Es hängt augen- scheinlich hauptsächlich von der starken Zusammenballung des Zellen- inhalts ab, welcher hierdurch undurchsichtig wird und das Licht nicht reflectirt. Einige andere Flüssigkeiten machen die Drüsen heller roth, während gewisse, wenn auch sehr verdünnte Säuren das Gift der Cobra- Schlange u. s. w. die Drüsen vollkommen weisz und undurchsichtig machen; und dies scheint von dem Gerinnen ihres Inhalts ohne irgend eine Zusammenballung abzuhängen. Ehe sie in dieser Weise afficirt werden, sind sie demohngeachtet fähig, wenigstens in einigen Fällen, in ihren eigenen Tentakeln Zusammenballung zu erregen. Dasz die centralen Drüsen, wenn sie gereizt werden, centrifugal einen gewissen Einflusz den äuszeren Drüsen zusenden, welcher diese veranlaszt, einen centripetalen, Zusammenballung verursachenden Reiz zurück zu senden, ist vielleicht die interessanteste Thatsache, die in diesem Capitel angeführt worden ist. Aber der ganze Procesz der Zu- sammenballung ist an und für sich selbst schon eine auffallende Erschei- nung. Wenn das peripherische Ende eines Nerven berührt oder ge- drückt und eine Empfindung gefühlt wird, so nimmt man an, dasz eine unsichtbare moleculäre Veränderung von einem Ende des Nerven zum andern übermittelt wird; wenn aber eine Drüse der Drosera wiederholt berührt wird, so können wir wirklich sehen, wie eine mole- culäre Veränderung von der Drüse aus die Tentakeln hinunter geht, wenngleich diese Veränderung wahrscheinlich von einer sehr verschie- denen Natur von der in einem Nerven vor sich gehenden ist. Da end- lich so viele und so sehr verschiedene Ursachen Zusammenballung er- regen, so scheint daraus hervorzugehen, dasz die lebendige Substanz in den Drüsenzellen in einem so unsteten Zustande sich befindet, dasz beinahe jede Störung genügt, ihre moleculäre Natur zu verändern, wie es mit gewissen chemischen Verbindungen der Fall ist. Und diese Ver- änderung in den Drüsen, mögen diese direct oder durch einen von andern Drüsen empfangenen Reiz erregt worden sein, wird von Zelle zu Zelle weiter geführt und verursacht, dasz Körnchen von Protoplasma ent- weder wirklich in der vorher klaren Flüssigkeit erzeugt werden oder verschmelzen und so sichtbar werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/69
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/69>, abgerufen am 26.04.2024.