Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Haus und fragt nach der "Gesellschaft," der erzählt euren Unfall,
und bittet um Hülfe." Der Roßtäuscher folgte dem Rathe, ging
in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach der Ge¬
sellschaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe
wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer
an einer runden Tafel saßen. Sie redeten ihn mit Namen an,
und sagten: "Dir sind acht Pferde gefallen, darüber bist du nieder¬
geschlagen, und nun kömmst du, auf Anrathen eines deiner Gesellen,
zu uns, um Hülfe zu suchen: du sollst erlangen, was du begehrst."
Er mußte sich an einen Nebentisch setzen und nach wenigen Minuten
überreichten sie ihm ein Schächtelein mit den Worten: "Dieß trage
bei dir, und du wirst von Stund an reich werden, aber hüte dich,
daß du die Schachtel, wo du nicht wieder arm werden willst, nie¬
mals öffnest." Der Roßtäuscher fragte, was er für dieses Schäch¬
telein zu zahlen habe, aber die Männer wollten nichts dafür; nur
mußte er seinen Namen in ein großes Buch schreiben, wobei ihm
die Hand geführt ward. Der Roßtäuscher ging heim, kaum aber
war er aus dem Haus getreten, so fand er einen ledernen Beutel
mit dreihundert Dukaten, womit er sich neue Pferde kaufte. Ehe
er die Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde
standen, noch einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er sonst
wohin und setzte das Schächtelein auf die Erde, so zeigte sich da,
wo Geld verloren oder vorzeiten vergraben war, ein hervordringen¬
des Licht, also daß er es leicht heben konnte. Auf diese Weise er¬
hielt er ohne Diebstahl und Mord große Schätze zusammen. Als
die Frau des Roßtäuschers von ihm vernahm, wie es zuging, er¬
schrack sie, und sprach: "Du hast etwas Böses empfangen, Gott
will nicht, daß der Mensch durch solche verbotene Dinge reich werde,
sondern hat gesagt, im Schweiße deines Angesichts sollst du dein
Brod essen. Ich bitte dich um deiner Seligkeit willen, daß du
wieder nach der Stadt zurück reisest und der "Gesellschaft" deine
Schachtel zustellst." Der Mann von diesen Worten bewogen, ent¬
schloß sich und schickte einen Knecht mit dem Schächtelein hin, um
es zurück zu liefern, aber der Knecht brachte es wieder mit der
Nachricht zurück, daß die Gesellschaft nicht mehr zu finden sey, und
niemand wisse, wo sie sich aufhalte. Hierauf gab die Frau genau

Haus und fragt nach der „Geſellſchaft,“ der erzählt euren Unfall,
und bittet um Hülfe.“ Der Roßtäuſcher folgte dem Rathe, ging
in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach der Ge¬
ſellſchaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe
wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer
an einer runden Tafel ſaßen. Sie redeten ihn mit Namen an,
und ſagten: „Dir ſind acht Pferde gefallen, darüber biſt du nieder¬
geſchlagen, und nun kömmſt du, auf Anrathen eines deiner Geſellen,
zu uns, um Hülfe zu ſuchen: du ſollſt erlangen, was du begehrſt.“
Er mußte ſich an einen Nebentiſch ſetzen und nach wenigen Minuten
überreichten ſie ihm ein Schächtelein mit den Worten: „Dieß trage
bei dir, und du wirſt von Stund an reich werden, aber hüte dich,
daß du die Schachtel, wo du nicht wieder arm werden willſt, nie¬
mals öffneſt.“ Der Roßtäuſcher fragte, was er für dieſes Schäch¬
telein zu zahlen habe, aber die Männer wollten nichts dafür; nur
mußte er ſeinen Namen in ein großes Buch ſchreiben, wobei ihm
die Hand geführt ward. Der Roßtäuſcher ging heim, kaum aber
war er aus dem Haus getreten, ſo fand er einen ledernen Beutel
mit dreihundert Dukaten, womit er ſich neue Pferde kaufte. Ehe
er die Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde
ſtanden, noch einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er ſonſt
wohin und ſetzte das Schächtelein auf die Erde, ſo zeigte ſich da,
wo Geld verloren oder vorzeiten vergraben war, ein hervordringen¬
des Licht, alſo daß er es leicht heben konnte. Auf dieſe Weiſe er¬
hielt er ohne Diebſtahl und Mord große Schätze zuſammen. Als
die Frau des Roßtäuſchers von ihm vernahm, wie es zuging, er¬
ſchrack ſie, und ſprach: „Du haſt etwas Böſes empfangen, Gott
will nicht, daß der Menſch durch ſolche verbotene Dinge reich werde,
ſondern hat geſagt, im Schweiße deines Angeſichts ſollſt du dein
Brod eſſen. Ich bitte dich um deiner Seligkeit willen, daß du
wieder nach der Stadt zurück reiſeſt und der „Geſellſchaft“ deine
Schachtel zuſtellſt.“ Der Mann von dieſen Worten bewogen, ent¬
ſchloß ſich und ſchickte einen Knecht mit dem Schächtelein hin, um
es zurück zu liefern, aber der Knecht brachte es wieder mit der
Nachricht zurück, daß die Geſellſchaft nicht mehr zu finden ſey, und
niemand wiſſe, wo ſie ſich aufhalte. Hierauf gab die Frau genau

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0382" n="368"/>
Haus und fragt nach der &#x201E;Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,&#x201C; der erzählt euren Unfall,<lb/>
und bittet um Hülfe.&#x201C; Der Roßtäu&#x017F;cher folgte dem Rathe, ging<lb/>
in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach der Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe<lb/>
wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer<lb/>
an einer runden Tafel &#x017F;aßen. Sie redeten ihn mit Namen an,<lb/>
und &#x017F;agten: &#x201E;Dir &#x017F;ind acht Pferde gefallen, darüber bi&#x017F;t du nieder¬<lb/>
ge&#x017F;chlagen, und nun kömm&#x017F;t du, auf Anrathen eines deiner Ge&#x017F;ellen,<lb/>
zu uns, um Hülfe zu &#x017F;uchen: du &#x017F;oll&#x017F;t erlangen, was du begehr&#x017F;t.&#x201C;<lb/>
Er mußte &#x017F;ich an einen Nebenti&#x017F;ch &#x017F;etzen und nach wenigen Minuten<lb/>
überreichten &#x017F;ie ihm ein Schächtelein mit den Worten: &#x201E;Dieß trage<lb/>
bei dir, und du wir&#x017F;t von Stund an reich werden, aber hüte dich,<lb/>
daß du die Schachtel, wo du nicht wieder arm werden will&#x017F;t, nie¬<lb/>
mals öffne&#x017F;t.&#x201C; Der Roßtäu&#x017F;cher fragte, was er für die&#x017F;es Schäch¬<lb/>
telein zu zahlen habe, aber die Männer wollten nichts dafür; nur<lb/>
mußte er &#x017F;einen Namen in ein großes Buch &#x017F;chreiben, wobei ihm<lb/>
die Hand geführt ward. Der Roßtäu&#x017F;cher ging heim, kaum aber<lb/>
war er aus dem Haus getreten, &#x017F;o fand er einen ledernen Beutel<lb/>
mit dreihundert Dukaten, womit er &#x017F;ich neue Pferde kaufte. Ehe<lb/>
er die Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde<lb/>
&#x017F;tanden, noch einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wohin und &#x017F;etzte das Schächtelein auf die Erde, &#x017F;o zeigte &#x017F;ich da,<lb/>
wo Geld verloren oder vorzeiten vergraben war, ein hervordringen¬<lb/>
des Licht, al&#x017F;o daß er es leicht heben konnte. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e er¬<lb/>
hielt er ohne Dieb&#x017F;tahl und Mord große Schätze zu&#x017F;ammen. Als<lb/>
die Frau des Roßtäu&#x017F;chers von ihm vernahm, wie es zuging, er¬<lb/>
&#x017F;chrack &#x017F;ie, und &#x017F;prach: &#x201E;Du ha&#x017F;t etwas Bö&#x017F;es empfangen, Gott<lb/>
will nicht, daß der Men&#x017F;ch durch &#x017F;olche verbotene Dinge reich werde,<lb/>
&#x017F;ondern hat ge&#x017F;agt, im Schweiße deines Ange&#x017F;ichts &#x017F;oll&#x017F;t du dein<lb/>
Brod e&#x017F;&#x017F;en. Ich bitte dich um deiner Seligkeit willen, daß du<lb/>
wieder nach der Stadt zurück rei&#x017F;e&#x017F;t und der &#x201E;Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft&#x201C; deine<lb/>
Schachtel zu&#x017F;tell&#x017F;t.&#x201C; Der Mann von die&#x017F;en Worten bewogen, ent¬<lb/>
&#x017F;chloß &#x017F;ich und &#x017F;chickte einen Knecht mit dem Schächtelein hin, um<lb/>
es zurück zu liefern, aber der Knecht brachte es wieder mit der<lb/>
Nachricht zurück, daß die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nicht mehr zu finden &#x017F;ey, und<lb/>
niemand wi&#x017F;&#x017F;e, wo &#x017F;ie &#x017F;ich aufhalte. Hierauf gab die Frau genau<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0382] Haus und fragt nach der „Geſellſchaft,“ der erzählt euren Unfall, und bittet um Hülfe.“ Der Roßtäuſcher folgte dem Rathe, ging in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach der Ge¬ ſellſchaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer an einer runden Tafel ſaßen. Sie redeten ihn mit Namen an, und ſagten: „Dir ſind acht Pferde gefallen, darüber biſt du nieder¬ geſchlagen, und nun kömmſt du, auf Anrathen eines deiner Geſellen, zu uns, um Hülfe zu ſuchen: du ſollſt erlangen, was du begehrſt.“ Er mußte ſich an einen Nebentiſch ſetzen und nach wenigen Minuten überreichten ſie ihm ein Schächtelein mit den Worten: „Dieß trage bei dir, und du wirſt von Stund an reich werden, aber hüte dich, daß du die Schachtel, wo du nicht wieder arm werden willſt, nie¬ mals öffneſt.“ Der Roßtäuſcher fragte, was er für dieſes Schäch¬ telein zu zahlen habe, aber die Männer wollten nichts dafür; nur mußte er ſeinen Namen in ein großes Buch ſchreiben, wobei ihm die Hand geführt ward. Der Roßtäuſcher ging heim, kaum aber war er aus dem Haus getreten, ſo fand er einen ledernen Beutel mit dreihundert Dukaten, womit er ſich neue Pferde kaufte. Ehe er die Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde ſtanden, noch einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er ſonſt wohin und ſetzte das Schächtelein auf die Erde, ſo zeigte ſich da, wo Geld verloren oder vorzeiten vergraben war, ein hervordringen¬ des Licht, alſo daß er es leicht heben konnte. Auf dieſe Weiſe er¬ hielt er ohne Diebſtahl und Mord große Schätze zuſammen. Als die Frau des Roßtäuſchers von ihm vernahm, wie es zuging, er¬ ſchrack ſie, und ſprach: „Du haſt etwas Böſes empfangen, Gott will nicht, daß der Menſch durch ſolche verbotene Dinge reich werde, ſondern hat geſagt, im Schweiße deines Angeſichts ſollſt du dein Brod eſſen. Ich bitte dich um deiner Seligkeit willen, daß du wieder nach der Stadt zurück reiſeſt und der „Geſellſchaft“ deine Schachtel zuſtellſt.“ Der Mann von dieſen Worten bewogen, ent¬ ſchloß ſich und ſchickte einen Knecht mit dem Schächtelein hin, um es zurück zu liefern, aber der Knecht brachte es wieder mit der Nachricht zurück, daß die Geſellſchaft nicht mehr zu finden ſey, und niemand wiſſe, wo ſie ſich aufhalte. Hierauf gab die Frau genau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/382
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/382>, abgerufen am 26.04.2024.