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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

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Gedanken über ein fliegend Würmchen Ephemeris.
Wird sein erblaßter Leib, ins dunkle Grab ver-
borgen;
So ist der Abend da. Die ganze Lebens Zeit,
Daurt sie gleich noch so lang, ist doch ein flüchtig
Heut.
Doch dieser Umstand macht, bei unsern schnell Er-
bleichen,
Daß das Ephemeris, mit uns nicht zu vergleichen.
Sein Leben, ist sein Todt; der Anfang ist der
Schluß:
Da erst auf unsern Todt, das Leben folgen muß;
Bei unsern End muß sich zu einen ewgen Leben,
Ein Anfang ohne End, in Ewigkeit anheben.


Beantwortete Frage: Wo gut
zu wohnen sei?
[Abbildung] Wir leben in der Welt, im Land
der Eitelkeit,
Darin die Menschen sind, bald
hie, bald da, zerstreut:
Der runde Erdenball ist weit
und breit zertheilet,
Da sich ein ieder Mensch in sei-
nen Punct verweilet.
Der eine wohnet gern in ienen Morgenland;
Der andre klaget da, daß er im heissen Sand
Den stets beschweißten Fuß, in diesen Weltstrich
brennte,
Wenn
Gedanken uͤber ein fliegend Wuͤrmchen Ephemeris.
Wird ſein erblaßter Leib, ins dunkle Grab ver-
borgen;
So iſt der Abend da. Die ganze Lebens Zeit,
Daurt ſie gleich noch ſo lang, iſt doch ein fluͤchtig
Heut.
Doch dieſer Umſtand macht, bei unſern ſchnell Er-
bleichen,
Daß das Ephemeris, mit uns nicht zu vergleichen.
Sein Leben, iſt ſein Todt; der Anfang iſt der
Schluß:
Da erſt auf unſern Todt, das Leben folgen muß;
Bei unſern End muß ſich zu einen ewgen Leben,
Ein Anfang ohne End, in Ewigkeit anheben.


Beantwortete Frage: Wo gut
zu wohnen ſei?
[Abbildung] Wir leben in der Welt, im Land
der Eitelkeit,
Darin die Menſchen ſind, bald
hie, bald da, zerſtreut:
Der runde Erdenball iſt weit
und breit zertheilet,
Da ſich ein ieder Menſch in ſei-
nen Punct verweilet.
Der eine wohnet gern in ienen Morgenland;
Der andre klaget da, daß er im heiſſen Sand
Den ſtets beſchweißten Fuß, in dieſen Weltſtrich
brennte,
Wenn
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[198/0214] Gedanken uͤber ein fliegend Wuͤrmchen Ephemeris. Wird ſein erblaßter Leib, ins dunkle Grab ver- borgen; So iſt der Abend da. Die ganze Lebens Zeit, Daurt ſie gleich noch ſo lang, iſt doch ein fluͤchtig Heut. Doch dieſer Umſtand macht, bei unſern ſchnell Er- bleichen, Daß das Ephemeris, mit uns nicht zu vergleichen. Sein Leben, iſt ſein Todt; der Anfang iſt der Schluß: Da erſt auf unſern Todt, das Leben folgen muß; Bei unſern End muß ſich zu einen ewgen Leben, Ein Anfang ohne End, in Ewigkeit anheben. Beantwortete Frage: Wo gut zu wohnen ſei? [Abbildung] Wir leben in der Welt, im Land der Eitelkeit, Darin die Menſchen ſind, bald hie, bald da, zerſtreut: Der runde Erdenball iſt weit und breit zertheilet, Da ſich ein ieder Menſch in ſei- nen Punct verweilet. Der eine wohnet gern in ienen Morgenland; Der andre klaget da, daß er im heiſſen Sand Den ſtets beſchweißten Fuß, in dieſen Weltſtrich brennte, Wenn

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/214>, abgerufen am 19.03.2024.