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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

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Eine Uhr im Todtenkopfe.
Wolt er den Stundenschlag, aus seinen Uhrwerk
wissen:
So hat er das Gehäus, den Todskopf öfnen müssen.
Jch dachte bei mir selbst: Ein lehrreich Sinnenspiel!
Das Leben gleicht der Uhr, wer es berech-
nen will,
Der muß auch allemahl, an dessen Ende
denken,

Und dabei auf dem Todt, des Geistes Au-
gen lenken.

Des Leibes Gliederbau, der aneinander hängt,
Gleicht einen Uhrwerk auch, das sich bewegend
schwenkt;
So lang die Uhr sich regt, nach ihrer Ordnung ge-
het,
Wird auch der Zeiger fort in seinem Lauf, gedrehet.
Steht aber solche still im abgemeßnen Lauf;
So hält sich auch zugleich der Stundenzeiger auf:
So ist es mit uns auch; so lang der Leib sich reget,
Das Blut im Adern wallt, so lang die Puls noch
schläget:
So lang ist Leben da; wo dieses stokt, die still,
Da ist des Lebens-Laufs bestimmtes End und Ziel.
Wir gehen immer fort, und mit uns auch die Zei-
ten,
Die uns ganz unvermerkt, zu unsern Ende leiten.
Wir gleichen einer Uhr, doch unsrer Seelen-Haus,
Sieht wie ein Todtenkopf, nach allen Theilen aus;
Jst unser Geist getrennt von unsers Leibes Banden;
So ist das Ende da, und unser Todt vorhanden.
O! möchte jeder Mensch, der was er ist erwegt,
So oft ein Theil der Zeit, so oft die Stunde schlägt,
Die schnelle Lebens Zeit, das Ende seiner Stunden,
Den Tod betrachtend sehn, der damit ist verbunden!
Denn
Eine Uhr im Todtenkopfe.
Wolt er den Stundenſchlag, aus ſeinen Uhrwerk
wiſſen:
So hat er das Gehaͤus, den Todskopf oͤfnen muͤſſen.
Jch dachte bei mir ſelbſt: Ein lehrreich Sinnenſpiel!
Das Leben gleicht der Uhr, wer es berech-
nen will,
Der muß auch allemahl, an deſſen Ende
denken,

Und dabei auf dem Todt, des Geiſtes Au-
gen lenken.

Des Leibes Gliederbau, der aneinander haͤngt,
Gleicht einen Uhrwerk auch, das ſich bewegend
ſchwenkt;
So lang die Uhr ſich regt, nach ihrer Ordnung ge-
het,
Wird auch der Zeiger fort in ſeinem Lauf, gedrehet.
Steht aber ſolche ſtill im abgemeßnen Lauf;
So haͤlt ſich auch zugleich der Stundenzeiger auf:
So iſt es mit uns auch; ſo lang der Leib ſich reget,
Das Blut im Adern wallt, ſo lang die Puls noch
ſchlaͤget:
So lang iſt Leben da; wo dieſes ſtokt, die ſtill,
Da iſt des Lebens-Laufs beſtimmtes End und Ziel.
Wir gehen immer fort, und mit uns auch die Zei-
ten,
Die uns ganz unvermerkt, zu unſern Ende leiten.
Wir gleichen einer Uhr, doch unſrer Seelen-Haus,
Sieht wie ein Todtenkopf, nach allen Theilen aus;
Jſt unſer Geiſt getrennt von unſers Leibes Banden;
So iſt das Ende da, und unſer Todt vorhanden.
O! moͤchte jeder Menſch, der was er iſt erwegt,
So oft ein Theil der Zeit, ſo oft die Stunde ſchlaͤgt,
Die ſchnelle Lebens Zeit, das Ende ſeiner Stunden,
Den Tod betrachtend ſehn, der damit iſt verbunden!
Denn
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[299/0315] Eine Uhr im Todtenkopfe. Wolt er den Stundenſchlag, aus ſeinen Uhrwerk wiſſen: So hat er das Gehaͤus, den Todskopf oͤfnen muͤſſen. Jch dachte bei mir ſelbſt: Ein lehrreich Sinnenſpiel! Das Leben gleicht der Uhr, wer es berech- nen will, Der muß auch allemahl, an deſſen Ende denken, Und dabei auf dem Todt, des Geiſtes Au- gen lenken. Des Leibes Gliederbau, der aneinander haͤngt, Gleicht einen Uhrwerk auch, das ſich bewegend ſchwenkt; So lang die Uhr ſich regt, nach ihrer Ordnung ge- het, Wird auch der Zeiger fort in ſeinem Lauf, gedrehet. Steht aber ſolche ſtill im abgemeßnen Lauf; So haͤlt ſich auch zugleich der Stundenzeiger auf: So iſt es mit uns auch; ſo lang der Leib ſich reget, Das Blut im Adern wallt, ſo lang die Puls noch ſchlaͤget: So lang iſt Leben da; wo dieſes ſtokt, die ſtill, Da iſt des Lebens-Laufs beſtimmtes End und Ziel. Wir gehen immer fort, und mit uns auch die Zei- ten, Die uns ganz unvermerkt, zu unſern Ende leiten. Wir gleichen einer Uhr, doch unſrer Seelen-Haus, Sieht wie ein Todtenkopf, nach allen Theilen aus; Jſt unſer Geiſt getrennt von unſers Leibes Banden; So iſt das Ende da, und unſer Todt vorhanden. O! moͤchte jeder Menſch, der was er iſt erwegt, So oft ein Theil der Zeit, ſo oft die Stunde ſchlaͤgt, Die ſchnelle Lebens Zeit, das Ende ſeiner Stunden, Den Tod betrachtend ſehn, der damit iſt verbunden! Denn

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/315>, abgerufen am 27.04.2024.