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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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dem man eine gemischte und mitunter verruchte Welt zu
behandeln und in Respect zu erhalten habe. Es wird
zugleich erwähnt, daß das Regierungsgeschäft ein sehr
großes Metier sey, das den ganzen Menschen verlange,
und daß es daher nicht gut, wenn ein Regent zu große
Nebenrichtungen, wie z. B. eine vorwaltende Tendenz
zu den Künsten habe, wodurch nicht allein das Interesse
des Fürsten, sondern auch die Kräfte des Staates ge¬
wissen nöthigeren Dingen entzogen würden. Eine vor¬
waltende Neigung zu den Künsten sey mehr die Sache
reicher Privatleute.

Goethe erzählte mir sodann, daß seine Metamor¬
phose der Pflanzen
mit Sorets Übersetzung gut
vorrücke, und daß ihm bey der jetzigen nachträglichen
Bearbeitung dieses Gegenstandes, besonders der Spirale,
ganz unerwartet günstige Dinge von Außen zu Hülfe kom¬
men. "Wir beschäftigen uns, sagte er, wie Sie wissen,
mit dieser Übersetzung schon länger als seit einem Jahre,
es sind tausend Hindernisse dazwischen getreten, das Un¬
ternehmen hat oft ganz widerwärtig gestockt, und ich
habe es oft im Stillen verwünscht. Nun aber komme
ich in den Fall alle diese Hindernisse zu verehren, indem
im Laufe dieser Zögerungen, außerhalb, bey andern
trefflichen Menschen, Dinge herangereift sind, die jetzt
als das schönste Wasser auf meine Mühle, mich über
alle Begriffe weiter bringen, und meiner Arbeit einen
Abschluß erlangen lassen, wie es vor einem Jahre nicht

dem man eine gemiſchte und mitunter verruchte Welt zu
behandeln und in Reſpect zu erhalten habe. Es wird
zugleich erwaͤhnt, daß das Regierungsgeſchaͤft ein ſehr
großes Metier ſey, das den ganzen Menſchen verlange,
und daß es daher nicht gut, wenn ein Regent zu große
Nebenrichtungen, wie z. B. eine vorwaltende Tendenz
zu den Kuͤnſten habe, wodurch nicht allein das Intereſſe
des Fuͤrſten, ſondern auch die Kraͤfte des Staates ge¬
wiſſen noͤthigeren Dingen entzogen wuͤrden. Eine vor¬
waltende Neigung zu den Kuͤnſten ſey mehr die Sache
reicher Privatleute.

Goethe erzaͤhlte mir ſodann, daß ſeine Metamor¬
phoſe der Pflanzen
mit Sorets Überſetzung gut
vorruͤcke, und daß ihm bey der jetzigen nachtraͤglichen
Bearbeitung dieſes Gegenſtandes, beſonders der Spirale,
ganz unerwartet guͤnſtige Dinge von Außen zu Huͤlfe kom¬
men. „Wir beſchaͤftigen uns, ſagte er, wie Sie wiſſen,
mit dieſer Überſetzung ſchon laͤnger als ſeit einem Jahre,
es ſind tauſend Hinderniſſe dazwiſchen getreten, das Un¬
ternehmen hat oft ganz widerwaͤrtig geſtockt, und ich
habe es oft im Stillen verwuͤnſcht. Nun aber komme
ich in den Fall alle dieſe Hinderniſſe zu verehren, indem
im Laufe dieſer Zoͤgerungen, außerhalb, bey andern
trefflichen Menſchen, Dinge herangereift ſind, die jetzt
als das ſchoͤnſte Waſſer auf meine Muͤhle, mich uͤber
alle Begriffe weiter bringen, und meiner Arbeit einen
Abſchluß erlangen laſſen, wie es vor einem Jahre nicht

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[277/0287] dem man eine gemiſchte und mitunter verruchte Welt zu behandeln und in Reſpect zu erhalten habe. Es wird zugleich erwaͤhnt, daß das Regierungsgeſchaͤft ein ſehr großes Metier ſey, das den ganzen Menſchen verlange, und daß es daher nicht gut, wenn ein Regent zu große Nebenrichtungen, wie z. B. eine vorwaltende Tendenz zu den Kuͤnſten habe, wodurch nicht allein das Intereſſe des Fuͤrſten, ſondern auch die Kraͤfte des Staates ge¬ wiſſen noͤthigeren Dingen entzogen wuͤrden. Eine vor¬ waltende Neigung zu den Kuͤnſten ſey mehr die Sache reicher Privatleute. Goethe erzaͤhlte mir ſodann, daß ſeine Metamor¬ phoſe der Pflanzen mit Sorets Überſetzung gut vorruͤcke, und daß ihm bey der jetzigen nachtraͤglichen Bearbeitung dieſes Gegenſtandes, beſonders der Spirale, ganz unerwartet guͤnſtige Dinge von Außen zu Huͤlfe kom¬ men. „Wir beſchaͤftigen uns, ſagte er, wie Sie wiſſen, mit dieſer Überſetzung ſchon laͤnger als ſeit einem Jahre, es ſind tauſend Hinderniſſe dazwiſchen getreten, das Un¬ ternehmen hat oft ganz widerwaͤrtig geſtockt, und ich habe es oft im Stillen verwuͤnſcht. Nun aber komme ich in den Fall alle dieſe Hinderniſſe zu verehren, indem im Laufe dieſer Zoͤgerungen, außerhalb, bey andern trefflichen Menſchen, Dinge herangereift ſind, die jetzt als das ſchoͤnſte Waſſer auf meine Muͤhle, mich uͤber alle Begriffe weiter bringen, und meiner Arbeit einen Abſchluß erlangen laſſen, wie es vor einem Jahre nicht

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/287>, abgerufen am 26.04.2024.