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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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angeknüpft worden, wovon er sich für die Anerkennung
und Verbreitung der deutschen Literatur in Frankreich
die schönsten Folgen verspreche.

"Ampere, fügte er hinzu, steht freilich in seiner
Bildung so hoch, daß die nationalen Vorurtheile, Appre¬
hensionen und Bornirtheiten vieler seiner Landsleute
weit hinter ihm liegen, und er seinem Geiste nach weit
mehr ein Weltbürger ist, als ein Bürger von Paris.
Ich sehe übrigens die Zeit kommen, wo er in Frank¬
reich Tausende haben wird, die ihm gleich denken."


Abermalige Tischgesellschaft bei Goethe, wobei die¬
selbigen Personen zugegen, wie vorgestern. Man sprach
sehr viel über die Helena und den Tasso. Goethe er¬
zählte uns darauf, wie er im Jahre 1797 den Plan
gehabt, die Tage vom Tell als episches Gedicht in
Hexametern zu behandeln.

"Ich besuchte, sagte er, im gedachten Jahre noch
einmal die kleinen Cantone und den Vierwaldstädter
See, und diese reizende, herrliche und großartige Natur
machte auf mich abermals einen solchen Eindruck, daß
es mich anlockte, die Abwechselung und Fülle einer so
unvergleichlichen Landschaft in einem Gedicht darzu¬
stellen. Um aber in meine Darstellung mehr Reiz,
Interesse und Leben zu bringen, hielt ich es für gut,
den höchst bedeutenden Grund und Boden mit ebenso

angeknüpft worden, wovon er ſich für die Anerkennung
und Verbreitung der deutſchen Literatur in Frankreich
die ſchönſten Folgen verſpreche.

„Ampère, fügte er hinzu, ſteht freilich in ſeiner
Bildung ſo hoch, daß die nationalen Vorurtheile, Appre¬
henſionen und Bornirtheiten vieler ſeiner Landsleute
weit hinter ihm liegen, und er ſeinem Geiſte nach weit
mehr ein Weltbürger iſt, als ein Bürger von Paris.
Ich ſehe übrigens die Zeit kommen, wo er in Frank¬
reich Tauſende haben wird, die ihm gleich denken.“


Abermalige Tiſchgeſellſchaft bei Goethe, wobei die¬
ſelbigen Perſonen zugegen, wie vorgeſtern. Man ſprach
ſehr viel über die Helena und den Taſſo. Goethe er¬
zählte uns darauf, wie er im Jahre 1797 den Plan
gehabt, die Tage vom Tell als epiſches Gedicht in
Hexametern zu behandeln.

„Ich beſuchte, ſagte er, im gedachten Jahre noch
einmal die kleinen Cantone und den Vierwaldſtädter
See, und dieſe reizende, herrliche und großartige Natur
machte auf mich abermals einen ſolchen Eindruck, daß
es mich anlockte, die Abwechſelung und Fülle einer ſo
unvergleichlichen Landſchaft in einem Gedicht darzu¬
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[168/0190] angeknüpft worden, wovon er ſich für die Anerkennung und Verbreitung der deutſchen Literatur in Frankreich die ſchönſten Folgen verſpreche. „Ampère, fügte er hinzu, ſteht freilich in ſeiner Bildung ſo hoch, daß die nationalen Vorurtheile, Appre¬ henſionen und Bornirtheiten vieler ſeiner Landsleute weit hinter ihm liegen, und er ſeinem Geiſte nach weit mehr ein Weltbürger iſt, als ein Bürger von Paris. Ich ſehe übrigens die Zeit kommen, wo er in Frank¬ reich Tauſende haben wird, die ihm gleich denken.“ Sonntag, den 6. Mai 1827. Abermalige Tiſchgeſellſchaft bei Goethe, wobei die¬ ſelbigen Perſonen zugegen, wie vorgeſtern. Man ſprach ſehr viel über die Helena und den Taſſo. Goethe er¬ zählte uns darauf, wie er im Jahre 1797 den Plan gehabt, die Tage vom Tell als epiſches Gedicht in Hexametern zu behandeln. „Ich beſuchte, ſagte er, im gedachten Jahre noch einmal die kleinen Cantone und den Vierwaldſtädter See, und dieſe reizende, herrliche und großartige Natur machte auf mich abermals einen ſolchen Eindruck, daß es mich anlockte, die Abwechſelung und Fülle einer ſo unvergleichlichen Landſchaft in einem Gedicht darzu¬ ſtellen. Um aber in meine Darſtellung mehr Reiz, Intereſſe und Leben zu bringen, hielt ich es für gut, den höchſt bedeutenden Grund und Boden mit ebenſo

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/190>, abgerufen am 26.04.2024.