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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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hen im Stande sey, während er in seiner Jugend zu
seinem Götz keinen Verleger habe finden können. "Ihren
Handelsvertrag, sagte er, nehme ich an; wenn meine
Cedraten verschmaus't seyn werden, vergessen Sie ja nicht
andere zu kommandiren; ich werde pünktlich mit mei¬
nen poetischen Wechseln zahlen."


Ich hatte in voriger Nacht einen wunderlichen
Traum, den ich diesen Abend Goethen erzählte und
den er sehr artig fand. Ich sah mich nämlich in einer
fremden Stadt, in einer breiten Straße gegen Südost,
wo ich mit einer Menge Menschen stand und den Him¬
mel betrachtete, der wie mit leisen Dünsten bedeckt
schien und im hellsten Gelb leuchtete. Jedermann war
erwartungsvoll, was sich ereignen würde, als sich zwei
feurige Punkte bildeten, die, gleich Meteorsteinen, mit
Krachen vor uns niederfuhren, nicht weit von der
Stelle, wo wir standen. Man eilte hin, um zu sehen
was herabgekommen war, und siehe! es trat mir ent¬
gegen: Faust und Mephistopheles. -- Ich war
erfreut-verwundert, und gesellte mich zu ihnen, als
zu Bekannten, und ging neben ihnen her in heiterer
Unterhaltung, indem wir um die nächste Straßenecke
bogen. Was wir sprachen, ist mir nicht geblieben;
doch der Eindruck ihres körperlichen Wesens war so
eigener Art, daß er mir vollkommen deutlich und nicht

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hen im Stande ſey, während er in ſeiner Jugend zu
ſeinem Götz keinen Verleger habe finden können. „Ihren
Handelsvertrag, ſagte er, nehme ich an; wenn meine
Cedraten verſchmauſ't ſeyn werden, vergeſſen Sie ja nicht
andere zu kommandiren; ich werde pünktlich mit mei¬
nen poetiſchen Wechſeln zahlen.“


Ich hatte in voriger Nacht einen wunderlichen
Traum, den ich dieſen Abend Goethen erzählte und
den er ſehr artig fand. Ich ſah mich nämlich in einer
fremden Stadt, in einer breiten Straße gegen Südoſt,
wo ich mit einer Menge Menſchen ſtand und den Him¬
mel betrachtete, der wie mit leiſen Dünſten bedeckt
ſchien und im hellſten Gelb leuchtete. Jedermann war
erwartungsvoll, was ſich ereignen würde, als ſich zwei
feurige Punkte bildeten, die, gleich Meteorſteinen, mit
Krachen vor uns niederfuhren, nicht weit von der
Stelle, wo wir ſtanden. Man eilte hin, um zu ſehen
was herabgekommen war, und ſiehe! es trat mir ent¬
gegen: Fauſt und Mephiſtopheles. — Ich war
erfreut-verwundert, und geſellte mich zu ihnen, als
zu Bekannten, und ging neben ihnen her in heiterer
Unterhaltung, indem wir um die nächſte Straßenecke
bogen. Was wir ſprachen, iſt mir nicht geblieben;
doch der Eindruck ihres körperlichen Weſens war ſo
eigener Art, daß er mir vollkommen deutlich und nicht

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[275/0297] hen im Stande ſey, während er in ſeiner Jugend zu ſeinem Götz keinen Verleger habe finden können. „Ihren Handelsvertrag, ſagte er, nehme ich an; wenn meine Cedraten verſchmauſ't ſeyn werden, vergeſſen Sie ja nicht andere zu kommandiren; ich werde pünktlich mit mei¬ nen poetiſchen Wechſeln zahlen.“ Sonntag, den 21. December 1828. Ich hatte in voriger Nacht einen wunderlichen Traum, den ich dieſen Abend Goethen erzählte und den er ſehr artig fand. Ich ſah mich nämlich in einer fremden Stadt, in einer breiten Straße gegen Südoſt, wo ich mit einer Menge Menſchen ſtand und den Him¬ mel betrachtete, der wie mit leiſen Dünſten bedeckt ſchien und im hellſten Gelb leuchtete. Jedermann war erwartungsvoll, was ſich ereignen würde, als ſich zwei feurige Punkte bildeten, die, gleich Meteorſteinen, mit Krachen vor uns niederfuhren, nicht weit von der Stelle, wo wir ſtanden. Man eilte hin, um zu ſehen was herabgekommen war, und ſiehe! es trat mir ent¬ gegen: Fauſt und Mephiſtopheles. — Ich war erfreut-verwundert, und geſellte mich zu ihnen, als zu Bekannten, und ging neben ihnen her in heiterer Unterhaltung, indem wir um die nächſte Straßenecke bogen. Was wir ſprachen, iſt mir nicht geblieben; doch der Eindruck ihres körperlichen Weſens war ſo eigener Art, daß er mir vollkommen deutlich und nicht 18*

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/297>, abgerufen am 26.04.2024.