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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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sich grade ins Herz geschossen. Der müde Leib
ruhte schön und fromm, da ihn die heydnische See¬
le nicht mehr regierte. Er kniete neben ihr hin und
betete für sie aus Herzensgrunde.

Da sah er auf einmal helle Flammen zu den
Fenstern hereinschlagen, durch die offene Thür er¬
blickte er auch schon die anderen Gemächer in vollem
Brande. Kein Mensch war da, die Nacht auch
Gewitterstill, sie mußte das Schloß in ihrer Rase¬
rey selber angesteckt haben, vielleicht um Friedrich'n
zugleich mit ihr zu verderben. Er nahm den Leich¬
nam und trug ihn durch das brennende Thor ins
Freye hinaus. Dort legte er sie unter eine Eiche
und bedeckte sie mit Zweigen, damit sie die Raben
nicht fräßen, bis er im nächsten Dorfe die nöthigen
Vorkehrungen zu ihrem Begräbniß getroffen. Dann
eilte er den Berg hinab und schwang sich auf sein
Pferd.

Hinter ihm stieg die Flamme auf die höchste
Zinne der Burg und warf gräßliche Scheine weit
zwischen den Bäumen. Das Schloß sank wie ein
dunkler Riese in dem feurigen Ofen zusammen, über
der alten, guten Zeit hielt das Flammenspiel im
Winde seinen wilden Tanz; es war, als gieng der
Geist ihrer Herrinn noch einmal durch die Lohen. --


Zwanzig¬

ſich grade ins Herz geſchoſſen. Der müde Leib
ruhte ſchön und fromm, da ihn die heydniſche See¬
le nicht mehr regierte. Er kniete neben ihr hin und
betete für ſie aus Herzensgrunde.

Da ſah er auf einmal helle Flammen zu den
Fenſtern hereinſchlagen, durch die offene Thür er¬
blickte er auch ſchon die anderen Gemächer in vollem
Brande. Kein Menſch war da, die Nacht auch
Gewitterſtill, ſie mußte das Schloß in ihrer Raſe¬
rey ſelber angeſteckt haben, vielleicht um Friedrich'n
zugleich mit ihr zu verderben. Er nahm den Leich¬
nam und trug ihn durch das brennende Thor ins
Freye hinaus. Dort legte er ſie unter eine Eiche
und bedeckte ſie mit Zweigen, damit ſie die Raben
nicht fräßen, bis er im nächſten Dorfe die nöthigen
Vorkehrungen zu ihrem Begräbniß getroffen. Dann
eilte er den Berg hinab und ſchwang ſich auf ſein
Pferd.

Hinter ihm ſtieg die Flamme auf die höchſte
Zinne der Burg und warf gräßliche Scheine weit
zwiſchen den Bäumen. Das Schloß ſank wie ein
dunkler Rieſe in dem feurigen Ofen zuſammen, über
der alten, guten Zeit hielt das Flammenſpiel im
Winde ſeinen wilden Tanz; es war, als gieng der
Geiſt ihrer Herrinn noch einmal durch die Lohen. —


Zwanzig¬
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[352/0358] ſich grade ins Herz geſchoſſen. Der müde Leib ruhte ſchön und fromm, da ihn die heydniſche See¬ le nicht mehr regierte. Er kniete neben ihr hin und betete für ſie aus Herzensgrunde. Da ſah er auf einmal helle Flammen zu den Fenſtern hereinſchlagen, durch die offene Thür er¬ blickte er auch ſchon die anderen Gemächer in vollem Brande. Kein Menſch war da, die Nacht auch Gewitterſtill, ſie mußte das Schloß in ihrer Raſe¬ rey ſelber angeſteckt haben, vielleicht um Friedrich'n zugleich mit ihr zu verderben. Er nahm den Leich¬ nam und trug ihn durch das brennende Thor ins Freye hinaus. Dort legte er ſie unter eine Eiche und bedeckte ſie mit Zweigen, damit ſie die Raben nicht fräßen, bis er im nächſten Dorfe die nöthigen Vorkehrungen zu ihrem Begräbniß getroffen. Dann eilte er den Berg hinab und ſchwang ſich auf ſein Pferd. Hinter ihm ſtieg die Flamme auf die höchſte Zinne der Burg und warf gräßliche Scheine weit zwiſchen den Bäumen. Das Schloß ſank wie ein dunkler Rieſe in dem feurigen Ofen zuſammen, über der alten, guten Zeit hielt das Flammenſpiel im Winde ſeinen wilden Tanz; es war, als gieng der Geiſt ihrer Herrinn noch einmal durch die Lohen. — Zwanzig¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/358>, abgerufen am 26.04.2024.