Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Recht geben, dann aber trieb er plötzlich mit auffal¬
lender Hast zur ungesäumten Rückkehr, und blieb still
und nachdenklich, während sie vorsichtig zwischen den
Felsen hinabstiegen.

Ich muß noch diese Stunde fort, suche aber bald
noch einmal den Vitalis auf, sagte er, als sie endlich
bei der Einsiedelei wieder ankamen, schüttelte seinem
Wirth herzlich die Hand und schwang sich sogleich auf
sein Pferd. -- Der Einsiedler hatte kaum die Zeit,
ihm den nächsten Weg zu bezeichnen, und sah ihm
dann ganz verwundert lange nach. -- Daß ich ein
Narr wäre, in dieser Spuknacht weiterzuziehen, meinte
Dryander, und bat sich noch eine lange Pfeife Taback
aus, er freute sich darauf, die ganze Nacht einmal
das Einsiedlerleben recht gemächlich mit durchzumachen,
auch wollte er noch einige von den Nachtliedern des
Eremiten abschreiben.

Manfred aber ritt eifrig den Thälern zu, da
hörte er nach einiger Zeit, wie im Traum, oben noch
des Einsiedlers Glöcklein schallen, die Rehe weideten
wieder zur Seite, seine ganze Seele fühlte sich von
der Todesstille wie in ein Grab verschüttet. Die Mit¬
ternacht aber hatte unterdeß den Himmel weit aufge¬
than und ihre wunderbaren Schleier über die Erde
geworfen. So immer tiefer und freudiger stieg er
erathmend in die träumende Sommernacht hinunter,
schon hörte er unten von fern die Ströme wieder rauschen

Recht geben, dann aber trieb er ploͤtzlich mit auffal¬
lender Haſt zur ungeſaͤumten Ruͤckkehr, und blieb ſtill
und nachdenklich, waͤhrend ſie vorſichtig zwiſchen den
Felſen hinabſtiegen.

Ich muß noch dieſe Stunde fort, ſuche aber bald
noch einmal den Vitalis auf, ſagte er, als ſie endlich
bei der Einſiedelei wieder ankamen, ſchuͤttelte ſeinem
Wirth herzlich die Hand und ſchwang ſich ſogleich auf
ſein Pferd. — Der Einſiedler hatte kaum die Zeit,
ihm den naͤchſten Weg zu bezeichnen, und ſah ihm
dann ganz verwundert lange nach. — Daß ich ein
Narr waͤre, in dieſer Spuknacht weiterzuziehen, meinte
Dryander, und bat ſich noch eine lange Pfeife Taback
aus, er freute ſich darauf, die ganze Nacht einmal
das Einſiedlerleben recht gemaͤchlich mit durchzumachen,
auch wollte er noch einige von den Nachtliedern des
Eremiten abſchreiben.

Manfred aber ritt eifrig den Thaͤlern zu, da
hoͤrte er nach einiger Zeit, wie im Traum, oben noch
des Einſiedlers Gloͤcklein ſchallen, die Rehe weideten
wieder zur Seite, ſeine ganze Seele fuͤhlte ſich von
der Todesſtille wie in ein Grab verſchuͤttet. Die Mit¬
ternacht aber hatte unterdeß den Himmel weit aufge¬
than und ihre wunderbaren Schleier uͤber die Erde
geworfen. So immer tiefer und freudiger ſtieg er
erathmend in die traͤumende Sommernacht hinunter,
ſchon hoͤrte er unten von fern die Stroͤme wieder rauſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="288"/>
Recht geben, dann aber trieb er plo&#x0364;tzlich mit auffal¬<lb/>
lender Ha&#x017F;t zur unge&#x017F;a&#x0364;umten Ru&#x0364;ckkehr, und blieb &#x017F;till<lb/>
und nachdenklich, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie vor&#x017F;ichtig zwi&#x017F;chen den<lb/>
Fel&#x017F;en hinab&#x017F;tiegen.</p><lb/>
          <p>Ich muß noch die&#x017F;e Stunde fort, &#x017F;uche aber bald<lb/>
noch einmal den Vitalis auf, &#x017F;agte er, als &#x017F;ie endlich<lb/>
bei der Ein&#x017F;iedelei wieder ankamen, &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;einem<lb/>
Wirth herzlich die Hand und &#x017F;chwang &#x017F;ich &#x017F;ogleich auf<lb/>
&#x017F;ein Pferd. &#x2014; Der Ein&#x017F;iedler hatte kaum die Zeit,<lb/>
ihm den na&#x0364;ch&#x017F;ten Weg zu bezeichnen, und &#x017F;ah ihm<lb/>
dann ganz verwundert lange nach. &#x2014; Daß ich ein<lb/>
Narr wa&#x0364;re, in die&#x017F;er Spuknacht weiterzuziehen, meinte<lb/>
Dryander, und bat &#x017F;ich noch eine lange Pfeife Taback<lb/>
aus, er freute &#x017F;ich darauf, die ganze Nacht einmal<lb/>
das Ein&#x017F;iedlerleben recht gema&#x0364;chlich mit durchzumachen,<lb/>
auch wollte er noch einige von den Nachtliedern des<lb/>
Eremiten ab&#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Manfred aber ritt eifrig den Tha&#x0364;lern zu, da<lb/>
ho&#x0364;rte er nach einiger Zeit, wie im Traum, oben noch<lb/>
des Ein&#x017F;iedlers Glo&#x0364;cklein &#x017F;challen, die Rehe weideten<lb/>
wieder zur Seite, &#x017F;eine ganze Seele fu&#x0364;hlte &#x017F;ich von<lb/>
der Todes&#x017F;tille wie in ein Grab ver&#x017F;chu&#x0364;ttet. Die Mit¬<lb/>
ternacht aber hatte unterdeß den Himmel weit aufge¬<lb/>
than und ihre wunderbaren Schleier u&#x0364;ber die Erde<lb/>
geworfen. So immer tiefer und freudiger &#x017F;tieg er<lb/>
erathmend in die tra&#x0364;umende Sommernacht hinunter,<lb/>
&#x017F;chon ho&#x0364;rte er unten von fern die Stro&#x0364;me wieder rau&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0295] Recht geben, dann aber trieb er ploͤtzlich mit auffal¬ lender Haſt zur ungeſaͤumten Ruͤckkehr, und blieb ſtill und nachdenklich, waͤhrend ſie vorſichtig zwiſchen den Felſen hinabſtiegen. Ich muß noch dieſe Stunde fort, ſuche aber bald noch einmal den Vitalis auf, ſagte er, als ſie endlich bei der Einſiedelei wieder ankamen, ſchuͤttelte ſeinem Wirth herzlich die Hand und ſchwang ſich ſogleich auf ſein Pferd. — Der Einſiedler hatte kaum die Zeit, ihm den naͤchſten Weg zu bezeichnen, und ſah ihm dann ganz verwundert lange nach. — Daß ich ein Narr waͤre, in dieſer Spuknacht weiterzuziehen, meinte Dryander, und bat ſich noch eine lange Pfeife Taback aus, er freute ſich darauf, die ganze Nacht einmal das Einſiedlerleben recht gemaͤchlich mit durchzumachen, auch wollte er noch einige von den Nachtliedern des Eremiten abſchreiben. Manfred aber ritt eifrig den Thaͤlern zu, da hoͤrte er nach einiger Zeit, wie im Traum, oben noch des Einſiedlers Gloͤcklein ſchallen, die Rehe weideten wieder zur Seite, ſeine ganze Seele fuͤhlte ſich von der Todesſtille wie in ein Grab verſchuͤttet. Die Mit¬ ternacht aber hatte unterdeß den Himmel weit aufge¬ than und ihre wunderbaren Schleier uͤber die Erde geworfen. So immer tiefer und freudiger ſtieg er erathmend in die traͤumende Sommernacht hinunter, ſchon hoͤrte er unten von fern die Stroͤme wieder rauſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/295
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/295>, abgerufen am 27.04.2024.