Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
II buch, LXXXV haubtstück,
ad f

Der römische saz: Sind wir kinder, so sind
wir auch erben; die tochter ist so gut, als der son,
u. s. w. behagete den Teutschen durchaus nicht.
Er mißfil dem teutschen, französischen, englischen
etc. adel. Der papst Bonifacius VIII befreyete
den adel von diser furcht, und riht ihm an: sie soll-
ten nur ire töchter, und nachgebornen söne die
eidliche verzicht leisten lassen; so wären sie gebor-
gen, und die töchter müßten den eid halten. Omne
jusjurandum seruandum est, quod salute aeterna
seruari potest.
Hirdurch sind die töchter der erb-
folge verlustig worden. Es bedurfte aber ehedem
keiner verzicht; jedoch hieß es: das überflüßige
schadet nicht; derowegen es sehr rahtsam ist, die
röchter des hohen, uud nidern adels bei irer ver-
ehelichung eine verzicht leisten zu lassen. Beiden
römisch-catholischen sendet man die braut zum of-
ficial, welcher sie irer weiblichen wohltaten ver-
ständiget, und darauf einen leiblichen eid abschwö-
ren läßt § 3221 des 2ten th.), wie aus den Bas-
senheimischen acten allhier ersehen worden ist. Die
verzicht geschehe dem vater, oder einem an-
dern, wegen der schon zugefallenen, oder noch zu-
fallenden erbschaft. Rathsam ist die verständi-
gung durch einen rechtsgelehrten. Vor 1523 findet
sich in Teutschlande keine eidliche verzicht. Einer
von Neuhaus hat auf dise art verzihen. Johann
Sebastian Müller,
in den annalibus des Kur-
und fürstlichen hauses Sachsen, s. 549, meldet:
daß in gegenwart aller rähte die prinzeßin Char-
lotte Maria, zu Eisenach, in gegenwart ires bräuti-
gams, und dessen bruders, auf die väterliche, brü-
derliche, und vetterliche erbschaft, durch einen hand-
schlag, an eidesstatt, verzicht getan habe; der sonst
gewönliche körperliche eid aber ist ihr aus besonde-

rer
II buch, LXXXV haubtſtuͤck,
ad f

Der roͤmiſche ſaz: Sind wir kinder, ſo ſind
wir auch erben; die tochter iſt ſo gut, als der ſon,
u. ſ. w. behagete den Teutſchen durchaus nicht.
Er mißfil dem teutſchen, franzoͤſiſchen, engliſchen
ꝛc. adel. Der papſt Bonifacius VIII befreyete
den adel von diſer furcht, und riht ihm an: ſie ſoll-
ten nur ire toͤchter, und nachgebornen ſoͤne die
eidliche verzicht leiſten laſſen; ſo waͤren ſie gebor-
gen, und die toͤchter muͤßten den eid halten. Omne
jusjurandum ſeruandum eſt, quod ſalute aeterna
ſeruari poteſt.
Hirdurch ſind die toͤchter der erb-
folge verluſtig worden. Es bedurfte aber ehedem
keiner verzicht; jedoch hieß es: das uͤberfluͤßige
ſchadet nicht; derowegen es ſehr rahtſam iſt, die
roͤchter des hohen, uud nidern adels bei irer ver-
ehelichung eine verzicht leiſten zu laſſen. Beiden
roͤmiſch-catholiſchen ſendet man die braut zum of-
ficial, welcher ſie irer weiblichen wohltaten ver-
ſtaͤndiget, und darauf einen leiblichen eid abſchwoͤ-
ren laͤßt § 3221 des 2ten th.), wie aus den Baſ-
ſenheimiſchen acten allhier erſehen worden iſt. Die
verzicht geſchehe dem vater, oder einem an-
dern, wegen der ſchon zugefallenen, oder noch zu-
fallenden erbſchaft. Rathſam iſt die verſtaͤndi-
gung durch einen rechtsgelehrten. Vor 1523 findet
ſich in Teutſchlande keine eidliche verzicht. Einer
von Neuhaus hat auf diſe art verzihen. Johann
Sebaſtian Muͤller,
in den annalibus des Kur-
und fuͤrſtlichen hauſes Sachſen, ſ. 549, meldet:
daß in gegenwart aller raͤhte die prinzeßin Char-
lotte Maria, zu Eiſenach, in gegenwart ires braͤuti-
gams, und deſſen bruders, auf die vaͤterliche, bruͤ-
derliche, und vetterliche erbſchaft, durch einen hand-
ſchlag, an eidesſtatt, verzicht getan habe; der ſonſt
gewoͤnliche koͤrperliche eid aber iſt ihr aus beſonde-

rer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f1114" n="1090"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> buch, <hi rendition="#aq">LXXXV</hi> haubt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">ad f</hi> </head><lb/>
            <p>Der ro&#x0364;mi&#x017F;che &#x017F;az: Sind wir kinder, &#x017F;o &#x017F;ind<lb/>
wir auch erben; die tochter i&#x017F;t &#x017F;o gut, als der &#x017F;on,<lb/>
u. &#x017F;. w. behagete den Teut&#x017F;chen durchaus nicht.<lb/>
Er mißfil dem teut&#x017F;chen, franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen, engli&#x017F;chen<lb/>
&#xA75B;c. adel. Der pap&#x017F;t Bonifacius <hi rendition="#aq">VIII</hi> befreyete<lb/>
den adel von di&#x017F;er furcht, und riht ihm an: &#x017F;ie &#x017F;oll-<lb/>
ten nur ire to&#x0364;chter, und nachgebornen &#x017F;o&#x0364;ne die<lb/>
eidliche verzicht lei&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;o wa&#x0364;ren &#x017F;ie gebor-<lb/>
gen, und die to&#x0364;chter mu&#x0364;ßten den eid halten. <hi rendition="#aq">Omne<lb/>
jusjurandum &#x017F;eruandum e&#x017F;t, quod &#x017F;alute aeterna<lb/>
&#x017F;eruari pote&#x017F;t.</hi> Hirdurch &#x017F;ind die to&#x0364;chter der erb-<lb/>
folge verlu&#x017F;tig worden. Es bedurfte aber ehedem<lb/>
keiner verzicht; jedoch hieß es: das u&#x0364;berflu&#x0364;ßige<lb/>
&#x017F;chadet nicht; derowegen es &#x017F;ehr raht&#x017F;am i&#x017F;t, die<lb/>
ro&#x0364;chter des hohen, uud nidern adels bei irer ver-<lb/>
ehelichung eine verzicht lei&#x017F;ten zu la&#x017F;&#x017F;en. Beiden<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;ch-catholi&#x017F;chen &#x017F;endet man die braut zum of-<lb/>
ficial, welcher &#x017F;ie irer weiblichen wohltaten ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndiget, und darauf einen leiblichen eid ab&#x017F;chwo&#x0364;-<lb/>
ren la&#x0364;ßt § 3221 des 2ten th.), wie aus den Ba&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheimi&#x017F;chen acten allhier er&#x017F;ehen worden i&#x017F;t. Die<lb/>
verzicht ge&#x017F;chehe dem vater, oder einem an-<lb/>
dern, wegen der &#x017F;chon zugefallenen, oder noch zu-<lb/>
fallenden erb&#x017F;chaft. Rath&#x017F;am i&#x017F;t die ver&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gung durch einen rechtsgelehrten. Vor 1523 findet<lb/>
&#x017F;ich in Teut&#x017F;chlande keine eidliche verzicht. Einer<lb/>
von Neuhaus hat auf di&#x017F;e art verzihen. <hi rendition="#fr">Johann<lb/>
Seba&#x017F;tian Mu&#x0364;ller,</hi> in den <hi rendition="#aq">annalibus</hi> des Kur-<lb/>
und fu&#x0364;r&#x017F;tlichen hau&#x017F;es Sach&#x017F;en, &#x017F;. 549, meldet:<lb/>
daß in gegenwart aller ra&#x0364;hte die prinzeßin Char-<lb/>
lotte Maria, zu Ei&#x017F;enach, in gegenwart ires bra&#x0364;uti-<lb/>
gams, und de&#x017F;&#x017F;en bruders, auf die va&#x0364;terliche, bru&#x0364;-<lb/>
derliche, und vetterliche erb&#x017F;chaft, durch einen hand-<lb/>
&#x017F;chlag, an eides&#x017F;tatt, verzicht getan habe; der &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
gewo&#x0364;nliche ko&#x0364;rperliche eid aber i&#x017F;t ihr aus be&#x017F;onde-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rer</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1090/1114] II buch, LXXXV haubtſtuͤck, ad f Der roͤmiſche ſaz: Sind wir kinder, ſo ſind wir auch erben; die tochter iſt ſo gut, als der ſon, u. ſ. w. behagete den Teutſchen durchaus nicht. Er mißfil dem teutſchen, franzoͤſiſchen, engliſchen ꝛc. adel. Der papſt Bonifacius VIII befreyete den adel von diſer furcht, und riht ihm an: ſie ſoll- ten nur ire toͤchter, und nachgebornen ſoͤne die eidliche verzicht leiſten laſſen; ſo waͤren ſie gebor- gen, und die toͤchter muͤßten den eid halten. Omne jusjurandum ſeruandum eſt, quod ſalute aeterna ſeruari poteſt. Hirdurch ſind die toͤchter der erb- folge verluſtig worden. Es bedurfte aber ehedem keiner verzicht; jedoch hieß es: das uͤberfluͤßige ſchadet nicht; derowegen es ſehr rahtſam iſt, die roͤchter des hohen, uud nidern adels bei irer ver- ehelichung eine verzicht leiſten zu laſſen. Beiden roͤmiſch-catholiſchen ſendet man die braut zum of- ficial, welcher ſie irer weiblichen wohltaten ver- ſtaͤndiget, und darauf einen leiblichen eid abſchwoͤ- ren laͤßt § 3221 des 2ten th.), wie aus den Baſ- ſenheimiſchen acten allhier erſehen worden iſt. Die verzicht geſchehe dem vater, oder einem an- dern, wegen der ſchon zugefallenen, oder noch zu- fallenden erbſchaft. Rathſam iſt die verſtaͤndi- gung durch einen rechtsgelehrten. Vor 1523 findet ſich in Teutſchlande keine eidliche verzicht. Einer von Neuhaus hat auf diſe art verzihen. Johann Sebaſtian Muͤller, in den annalibus des Kur- und fuͤrſtlichen hauſes Sachſen, ſ. 549, meldet: daß in gegenwart aller raͤhte die prinzeßin Char- lotte Maria, zu Eiſenach, in gegenwart ires braͤuti- gams, und deſſen bruders, auf die vaͤterliche, bruͤ- derliche, und vetterliche erbſchaft, durch einen hand- ſchlag, an eidesſtatt, verzicht getan habe; der ſonſt gewoͤnliche koͤrperliche eid aber iſt ihr aus beſonde- rer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1114
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 1090. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1114>, abgerufen am 26.04.2024.