Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

IV buch, I haubtstück,
verschickung der acten ersprossen ist (§ 6125 fg.
und § 6589 des 2ten th.). Die schöppen zu Mar-
burg hatten ehedem sehr vile auswärtige urtel zu
sprechen. Einzelne richter durften sich des wortes
urtel nicht gebrauchen; sondern dises war ein wort,
welches nur schöppen brauchen durften. Ein ein-
zelner richter erteilete nur bescheide, oder gab weis-
sungen. Es geschah auch der zuschlag, welches so
vil ist: als ein verbot. Das urtel zu schlüssen war
bei den vemischen, (westphälischen) gerichten so vil:
als zubinden, d. i. es hat weiter kein rechtsmittel
statt. Dahingegen, wenn es den gemeinen nuz be-
trift, gilt keine rechtskraft (§ 6373 des 2ten th.),
Heinecc in vermischeten anmerkungen, und recht-
lichen gutachten s. 364. Der von Justi in der
anleitung zur polizei billiget disen saz ebenfalls.

§ 4966
von der ankla-
ge der Teut-
schen.

Die anklage der Teutschen zur strafe stand in
dem willküre des beleidigten, es hiß: wo kein klä-
ger ist, da findet | sich auch kein richter, 2) durfte
nimand klagen zur strafe, ausser der beleidigte, oder
seine verwandten (schwerdmagen) Haltaus sp. 32,
Dreyer de contributione consanguin. occisoris ad
soluendum werigeldum,
Kiel 1753, 4t. War
mir mein vätter verwundet, oder getödtet, fand das
waffengeschrei, oder die folgung plaz. Man hiß es:
wapenrop, d. i. waffenruf, wapengerichte, waffen-
geschrei, clamor armisonus. Dise anklage durfte
nicht über nacht verschoben werden; daher war die
einteilung in übernächtige und nächtige verbrechen.
Die Teutsche nenneten solche nacht die quernacht,
d. i. keine anklage darf auf den morgenden tag ver-
schoben werden; wer das nicht beobachtete, und über
quer nacht zu klagen versäumete, durfte kein zetter-

geschrei

IV buch, I haubtſtuͤck,
verſchickung der acten erſproſſen iſt (§ 6125 fg.
und § 6589 des 2ten th.). Die ſchoͤppen zu Mar-
burg hatten ehedem ſehr vile auswaͤrtige urtel zu
ſprechen. Einzelne richter durften ſich des wortes
urtel nicht gebrauchen; ſondern diſes war ein wort,
welches nur ſchoͤppen brauchen durften. Ein ein-
zelner richter erteilete nur beſcheide, oder gab weiſ-
ſungen. Es geſchah auch der zuſchlag, welches ſo
vil iſt: als ein verbot. Das urtel zu ſchluͤſſen war
bei den vemiſchen, (weſtphaͤliſchen) gerichten ſo vil:
als zubinden, d. i. es hat weiter kein rechtsmittel
ſtatt. Dahingegen, wenn es den gemeinen nuz be-
trift, gilt keine rechtskraft (§ 6373 des 2ten th.),
Heinecc in vermiſcheten anmerkungen, und recht-
lichen gutachten ſ. 364. Der von Juſti in der
anleitung zur polizei billiget diſen ſaz ebenfalls.

§ 4966
von der ankla-
ge der Teut-
ſchen.

Die anklage der Teutſchen zur ſtrafe ſtand in
dem willkuͤre des beleidigten, es hiß: wo kein klaͤ-
ger iſt, da findet | ſich auch kein richter, 2) durfte
nimand klagen zur ſtrafe, auſſer der beleidigte, oder
ſeine verwandten (ſchwerdmagen) Haltaus ſp. 32,
Dreyer de contributione conſanguin. occiſoris ad
ſoluendum werigeldum,
Kiel 1753, 4t. War
mir mein vaͤtter verwundet, oder getoͤdtet, fand das
waffengeſchrei, oder die folgung plaz. Man hiß es:
wapenrop, d. i. waffenruf, wapengerichte, waffen-
geſchrei, clamor armiſonus. Diſe anklage durfte
nicht uͤber nacht verſchoben werden; daher war die
einteilung in uͤbernaͤchtige und naͤchtige verbrechen.
Die Teutſche nenneten ſolche nacht die quernacht,
d. i. keine anklage darf auf den morgenden tag ver-
ſchoben werden; wer das nicht beobachtete, und uͤber
quer nacht zu klagen verſaͤumete, durfte kein zetter-

geſchrei
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f1414" n="1390"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV</hi> buch, <hi rendition="#aq">I</hi> haubt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
ver&#x017F;chickung der acten er&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t (§ 6125 fg.<lb/>
und § 6589 des 2ten th.). Die &#x017F;cho&#x0364;ppen zu Mar-<lb/>
burg hatten ehedem &#x017F;ehr vile auswa&#x0364;rtige urtel zu<lb/>
&#x017F;prechen. Einzelne richter durften &#x017F;ich des wortes<lb/>
urtel nicht gebrauchen; &#x017F;ondern di&#x017F;es war ein wort,<lb/>
welches nur &#x017F;cho&#x0364;ppen brauchen durften. Ein ein-<lb/>
zelner richter erteilete nur be&#x017F;cheide, oder gab wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen. Es ge&#x017F;chah auch der zu&#x017F;chlag, welches &#x017F;o<lb/>
vil i&#x017F;t: als ein verbot. Das urtel zu &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en war<lb/>
bei den vemi&#x017F;chen, (we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen) gerichten &#x017F;o vil:<lb/>
als zubinden, d. i. es hat weiter kein rechtsmittel<lb/>
&#x017F;tatt. Dahingegen, wenn es den gemeinen nuz be-<lb/>
trift, gilt keine rechtskraft (§ 6373 des 2ten th.),<lb/><hi rendition="#fr">Heinecc</hi> in vermi&#x017F;cheten anmerkungen, und recht-<lb/>
lichen gutachten &#x017F;. 364. Der <hi rendition="#fr">von Ju&#x017F;ti</hi> in der<lb/>
anleitung zur polizei billiget di&#x017F;en &#x017F;az ebenfalls.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 4966</head><lb/>
          <note place="left">von der ankla-<lb/>
ge der Teut-<lb/>
&#x017F;chen.</note>
          <p>Die anklage der Teut&#x017F;chen zur &#x017F;trafe &#x017F;tand in<lb/>
dem willku&#x0364;re des beleidigten, es hiß: wo kein kla&#x0364;-<lb/>
ger i&#x017F;t, da findet | &#x017F;ich auch kein richter, 2) durfte<lb/>
nimand klagen zur &#x017F;trafe, au&#x017F;&#x017F;er der beleidigte, oder<lb/>
&#x017F;eine verwandten (&#x017F;chwerdmagen) <hi rendition="#fr">Haltaus</hi> &#x017F;p. 32,<lb/><hi rendition="#fr">Dreyer</hi> <hi rendition="#aq">de contributione con&#x017F;anguin. occi&#x017F;oris ad<lb/>
&#x017F;oluendum werigeldum,</hi> Kiel 1753, 4t. War<lb/>
mir mein va&#x0364;tter verwundet, oder geto&#x0364;dtet, fand das<lb/>
waffenge&#x017F;chrei, oder die folgung plaz. Man hiß es:<lb/>
wapenrop, d. i. waffenruf, wapengerichte, waffen-<lb/>
ge&#x017F;chrei, <hi rendition="#aq">clamor armi&#x017F;onus.</hi> Di&#x017F;e anklage durfte<lb/>
nicht u&#x0364;ber nacht ver&#x017F;choben werden; daher war die<lb/>
einteilung in u&#x0364;berna&#x0364;chtige und na&#x0364;chtige verbrechen.<lb/>
Die Teut&#x017F;che nenneten &#x017F;olche nacht die quernacht,<lb/>
d. i. keine anklage darf auf den morgenden tag ver-<lb/>
&#x017F;choben werden; wer das nicht beobachtete, und u&#x0364;ber<lb/>
quer nacht zu klagen ver&#x017F;a&#x0364;umete, durfte kein zetter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;chrei</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1390/1414] IV buch, I haubtſtuͤck, verſchickung der acten erſproſſen iſt (§ 6125 fg. und § 6589 des 2ten th.). Die ſchoͤppen zu Mar- burg hatten ehedem ſehr vile auswaͤrtige urtel zu ſprechen. Einzelne richter durften ſich des wortes urtel nicht gebrauchen; ſondern diſes war ein wort, welches nur ſchoͤppen brauchen durften. Ein ein- zelner richter erteilete nur beſcheide, oder gab weiſ- ſungen. Es geſchah auch der zuſchlag, welches ſo vil iſt: als ein verbot. Das urtel zu ſchluͤſſen war bei den vemiſchen, (weſtphaͤliſchen) gerichten ſo vil: als zubinden, d. i. es hat weiter kein rechtsmittel ſtatt. Dahingegen, wenn es den gemeinen nuz be- trift, gilt keine rechtskraft (§ 6373 des 2ten th.), Heinecc in vermiſcheten anmerkungen, und recht- lichen gutachten ſ. 364. Der von Juſti in der anleitung zur polizei billiget diſen ſaz ebenfalls. § 4966 Die anklage der Teutſchen zur ſtrafe ſtand in dem willkuͤre des beleidigten, es hiß: wo kein klaͤ- ger iſt, da findet | ſich auch kein richter, 2) durfte nimand klagen zur ſtrafe, auſſer der beleidigte, oder ſeine verwandten (ſchwerdmagen) Haltaus ſp. 32, Dreyer de contributione conſanguin. occiſoris ad ſoluendum werigeldum, Kiel 1753, 4t. War mir mein vaͤtter verwundet, oder getoͤdtet, fand das waffengeſchrei, oder die folgung plaz. Man hiß es: wapenrop, d. i. waffenruf, wapengerichte, waffen- geſchrei, clamor armiſonus. Diſe anklage durfte nicht uͤber nacht verſchoben werden; daher war die einteilung in uͤbernaͤchtige und naͤchtige verbrechen. Die Teutſche nenneten ſolche nacht die quernacht, d. i. keine anklage darf auf den morgenden tag ver- ſchoben werden; wer das nicht beobachtete, und uͤber quer nacht zu klagen verſaͤumete, durfte kein zetter- geſchrei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1414
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 1390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1414>, abgerufen am 26.04.2024.