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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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und landesordn. auch gnadenbrifen.
ten vermögen: daß sie 2) von iren ältern, und
vorältern nicht anders gehöret, noch gesehen hät-
ten, als daß die sache allso sei, noch 3) es bei irer
zeit anders gehalten worden wäre; mithin 4) der
beweißfürer sich im ruhigen besize befunden habe,
und 5) der streit darüber angegangen sei. Hirin
bestehet der grund der stillschweigenden gnaden-
brife, und solchergestalt haben sie die kraft einer
ausdrücklichen vergönnung. Hirbei ist aber dervon statu quo.
status quo, so wie gemeiniglich bei allen processen,
allso auch dahir ins besondere zu beobachten; wel-
cher darin bestehet, daß die sache allso gelassen
werde, wie sie vom anfange des rechts-streites
gewesen ist. Wifern aber ein Fürst seines vor-
farers in der regirung erteilete privilegien, und be-
stätigte statuten zu bekräftigen gehalten sei? be-
merket der Heinecc in vermischeten anmerkungen etc.
s. 344 fgg. num. XXV.

§ 49 und § 50

Die gnaden-brife werden in die eigentlichen,von den unei-
gentlichen gna-
den-brifen.

auch uneigentlichen eingeteilet (§ 48). Die lezte
sind unterschidlich, als 1) die entledigung des ha-
ders (redemtio vexae), wenn einer, um der be-
schwerlichkeit, auch der kosten eines rechtsstreites
überhoben zu seyn, seinem gegner ein stück geltes
erleget, damit er vom processe ablasse. Der Teut-
sche saget im sprüchworte: ein magerer vertrag in
der güte ist besser, dann ein feist urthel mit recht,
Joh. Christoph Hartung de redemtione vexae,
Jena 1692, 4t, in der vorrede s. 2. 2) Die be-
freiung, wenn jemand, welcher kein landesherr
ist, dem andern seine schuldigkeit erlässet; z. e. das
fleischessen in der fasten bei den R. Catholischen etc.
Dise befreiung ist von der enthebung vom gesäze
(dispensation) darin unterschiden; gestalt dise der

gesäz-

und landesordn. auch gnadenbrifen.
ten vermoͤgen: daß ſie 2) von iren aͤltern, und
voraͤltern nicht anders gehoͤret, noch geſehen haͤt-
ten, als daß die ſache allſo ſei, noch 3) es bei irer
zeit anders gehalten worden waͤre; mithin 4) der
beweißfuͤrer ſich im ruhigen beſize befunden habe,
und 5) der ſtreit daruͤber angegangen ſei. Hirin
beſtehet der grund der ſtillſchweigenden gnaden-
brife, und ſolchergeſtalt haben ſie die kraft einer
ausdruͤcklichen vergoͤnnung. Hirbei iſt aber dervon ſtatu quo.
ſtatus quo, ſo wie gemeiniglich bei allen proceſſen,
allſo auch dahir ins beſondere zu beobachten; wel-
cher darin beſtehet, daß die ſache allſo gelaſſen
werde, wie ſie vom anfange des rechts-ſtreites
geweſen iſt. Wifern aber ein Fuͤrſt ſeines vor-
farers in der regirung erteilete privilegien, und be-
ſtaͤtigte ſtatuten zu bekraͤftigen gehalten ſei? be-
merket der Heinecc in vermiſcheten anmerkungen ꝛc.
ſ. 344 fgg. num. XXV.

§ 49 und § 50

Die gnaden-brife werden in die eigentlichen,von den unei-
gentlichen gna-
den-brifen.

auch uneigentlichen eingeteilet (§ 48). Die lezte
ſind unterſchidlich, als 1) die entledigung des ha-
ders (redemtio vexae), wenn einer, um der be-
ſchwerlichkeit, auch der koſten eines rechtsſtreites
uͤberhoben zu ſeyn, ſeinem gegner ein ſtuͤck geltes
erleget, damit er vom proceſſe ablaſſe. Der Teut-
ſche ſaget im ſpruͤchworte: ein magerer vertrag in
der guͤte iſt beſſer, dann ein feiſt urthel mit recht,
Joh. Chriſtoph Hartung de redemtione vexae,
Jena 1692, 4t, in der vorrede ſ. 2. 2) Die be-
freiung, wenn jemand, welcher kein landesherr
iſt, dem andern ſeine ſchuldigkeit erlaͤſſet; z. e. das
fleiſcheſſen in der faſten bei den R. Catholiſchen ꝛc.
Diſe befreiung iſt von der enthebung vom geſaͤze
(diſpenſation) darin unterſchiden; geſtalt diſe der

geſaͤz-
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[63/0087] und landesordn. auch gnadenbrifen. ten vermoͤgen: daß ſie 2) von iren aͤltern, und voraͤltern nicht anders gehoͤret, noch geſehen haͤt- ten, als daß die ſache allſo ſei, noch 3) es bei irer zeit anders gehalten worden waͤre; mithin 4) der beweißfuͤrer ſich im ruhigen beſize befunden habe, und 5) der ſtreit daruͤber angegangen ſei. Hirin beſtehet der grund der ſtillſchweigenden gnaden- brife, und ſolchergeſtalt haben ſie die kraft einer ausdruͤcklichen vergoͤnnung. Hirbei iſt aber der ſtatus quo, ſo wie gemeiniglich bei allen proceſſen, allſo auch dahir ins beſondere zu beobachten; wel- cher darin beſtehet, daß die ſache allſo gelaſſen werde, wie ſie vom anfange des rechts-ſtreites geweſen iſt. Wifern aber ein Fuͤrſt ſeines vor- farers in der regirung erteilete privilegien, und be- ſtaͤtigte ſtatuten zu bekraͤftigen gehalten ſei? be- merket der Heinecc in vermiſcheten anmerkungen ꝛc. ſ. 344 fgg. num. XXV. von ſtatu quo. § 49 und § 50 Die gnaden-brife werden in die eigentlichen, auch uneigentlichen eingeteilet (§ 48). Die lezte ſind unterſchidlich, als 1) die entledigung des ha- ders (redemtio vexae), wenn einer, um der be- ſchwerlichkeit, auch der koſten eines rechtsſtreites uͤberhoben zu ſeyn, ſeinem gegner ein ſtuͤck geltes erleget, damit er vom proceſſe ablaſſe. Der Teut- ſche ſaget im ſpruͤchworte: ein magerer vertrag in der guͤte iſt beſſer, dann ein feiſt urthel mit recht, Joh. Chriſtoph Hartung de redemtione vexae, Jena 1692, 4t, in der vorrede ſ. 2. 2) Die be- freiung, wenn jemand, welcher kein landesherr iſt, dem andern ſeine ſchuldigkeit erlaͤſſet; z. e. das fleiſcheſſen in der faſten bei den R. Catholiſchen ꝛc. Diſe befreiung iſt von der enthebung vom geſaͤze (diſpenſation) darin unterſchiden; geſtalt diſe der geſaͤz- von den unei- gentlichen gna- den-brifen.

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/87>, abgerufen am 26.04.2024.