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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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und desselbigen eigenschaften.
der einige fähigkeit besaß, menschliche vollkom-
menheiten zu beurtheilen, muste sie für die Ve-
nus des prächtigen regenten-himmels halten,
und die sonne des Römischen Reichs Otto kon-
te die strahlen seiner hoheit und tapferkeit nicht
soweit schiessen, als der glantz ihrer schönheit sich
in dem grösten theile der welt blicken ließ.
Grossen schönheiten pfleget die wollust, als ei-
ne zauberische Circe, am meisten nachzustellen,
und ihre annehmlichkeit am ersten, durch an-
hengung eines garstigen lasters, in eine thieri-
sche ungestalt zu verwandeln; die käyserin aber
war kein Ulysses welcher diesem zaubergifte
klüglich hätte entgehen können. Sind die
neigungen sturmwinde, so ist die wollust gewiß
der heftigste, und da die käyserin ihre auffüh-
rung, wie ein kluger schifmann das schif, nicht
wohl zu regieren wuste, sondern sich vielmehr
derselben freywillig preiß gabe, so wurde sie
endlich auf die klippen der unkeuschheit geworf-
fen, und muste daran mit ihrem gäntzlichen un-
tergange zu scheitern. Dabey gienge sie nicht
allein zu grunde und in das verderben, sondern
ihr fall, oder daß ich recht sage, ihre boßheit,
risse einen von der unschuld selbst bekrönten
grafen von Modena, elendiglicher weise zugleich
in den abgrund. Dieser hatte bißhero in den
diensten des mächtigen Ottonis, tapferkeit,
treue, und klugheit, seinem allerdurchlauchtig-
sten oberhaupte gewiedmet, und es waren
auch seine verdienste, durch die käyserliche gna-

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und deſſelbigen eigenſchaften.
der einige faͤhigkeit beſaß, menſchliche vollkom-
menheiten zu beurtheilen, muſte ſie fuͤr die Ve-
nus des praͤchtigen regenten-himmels halten,
und die ſonne des Roͤmiſchen Reichs Otto kon-
te die ſtrahlen ſeiner hoheit und tapferkeit nicht
ſoweit ſchieſſen, als der glantz ihrer ſchoͤnheit ſich
in dem groͤſten theile der welt blicken ließ.
Groſſen ſchoͤnheiten pfleget die wolluſt, als ei-
ne zauberiſche Circe, am meiſten nachzuſtellen,
und ihre annehmlichkeit am erſten, durch an-
hengung eines garſtigen laſters, in eine thieri-
ſche ungeſtalt zu verwandeln; die kaͤyſerin aber
war kein Ulyſſes welcher dieſem zaubergifte
kluͤglich haͤtte entgehen koͤnnen. Sind die
neigungen ſturmwinde, ſo iſt die wolluſt gewiß
der heftigſte, und da die kaͤyſerin ihre auffuͤh-
rung, wie ein kluger ſchifmann das ſchif, nicht
wohl zu regieren wuſte, ſondern ſich vielmehr
derſelben freywillig preiß gabe, ſo wurde ſie
endlich auf die klippen der unkeuſchheit geworf-
fen, und muſte daran mit ihrem gaͤntzlichen un-
tergange zu ſcheitern. Dabey gienge ſie nicht
allein zu grunde und in das verderben, ſondern
ihr fall, oder daß ich recht ſage, ihre boßheit,
riſſe einen von der unſchuld ſelbſt bekroͤnten
grafen von Modena, elendiglicher weiſe zugleich
in den abgrund. Dieſer hatte bißhero in den
dienſten des maͤchtigen Ottonis, tapferkeit,
treue, und klugheit, ſeinem allerdurchlauchtig-
ſten oberhaupte gewiedmet, und es waren
auch ſeine verdienſte, durch die kaͤyſerliche gna-

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[227/0245] und deſſelbigen eigenſchaften. der einige faͤhigkeit beſaß, menſchliche vollkom- menheiten zu beurtheilen, muſte ſie fuͤr die Ve- nus des praͤchtigen regenten-himmels halten, und die ſonne des Roͤmiſchen Reichs Otto kon- te die ſtrahlen ſeiner hoheit und tapferkeit nicht ſoweit ſchieſſen, als der glantz ihrer ſchoͤnheit ſich in dem groͤſten theile der welt blicken ließ. Groſſen ſchoͤnheiten pfleget die wolluſt, als ei- ne zauberiſche Circe, am meiſten nachzuſtellen, und ihre annehmlichkeit am erſten, durch an- hengung eines garſtigen laſters, in eine thieri- ſche ungeſtalt zu verwandeln; die kaͤyſerin aber war kein Ulyſſes welcher dieſem zaubergifte kluͤglich haͤtte entgehen koͤnnen. Sind die neigungen ſturmwinde, ſo iſt die wolluſt gewiß der heftigſte, und da die kaͤyſerin ihre auffuͤh- rung, wie ein kluger ſchifmann das ſchif, nicht wohl zu regieren wuſte, ſondern ſich vielmehr derſelben freywillig preiß gabe, ſo wurde ſie endlich auf die klippen der unkeuſchheit geworf- fen, und muſte daran mit ihrem gaͤntzlichen un- tergange zu ſcheitern. Dabey gienge ſie nicht allein zu grunde und in das verderben, ſondern ihr fall, oder daß ich recht ſage, ihre boßheit, riſſe einen von der unſchuld ſelbſt bekroͤnten grafen von Modena, elendiglicher weiſe zugleich in den abgrund. Dieſer hatte bißhero in den dienſten des maͤchtigen Ottonis, tapferkeit, treue, und klugheit, ſeinem allerdurchlauchtig- ſten oberhaupte gewiedmet, und es waren auch ſeine verdienſte, durch die kaͤyſerliche gna- de P 2

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/245>, abgerufen am 26.04.2024.