Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Abschnitt.
bestimmen, welche Strafe der andern am
nächsten komme oder (beyläufig) gleich sey.

§. 188.

Wenn der Richter für ein gewisses Straf-
übel ein demselben coordinirtes, aber der Art
nach verschiedenes Uebel substituirt: so heisst
dieses Verwandlung der Strafe (permutatio
poenae
). Um die Befugnisse des Richters in
Ansehung dieser Verwandlung zu bestimmen,
muss man zwischen einer bestimmten (gesetz-
lichen) und einer willkührlichen Strafe un-
terscheiden.

§. 189.

I. Hat das Gesetz eine Strafe bestimmt,
so will es auch, dass dieselbe auf den vorkom-
menden Fall angewendet werde und es steht
dem Richter nicht eine willkührliche Verwand-
lung frey. Dieses ist nur dann rechtlich mög-
lich: 1) wenn die Anwendung der gedrohten
Strafen selbst physisch unmöglich ist, 2) wenn
ein offenbarer Grund des Gesetzes der Anwen-
dung der Strafe auf den vorliegenden Fall
widerspricht *).

§. 190.

II. Das unbestimmte Strafgesetz verlangt
weiter nichts, als dass der Richter der Straf-
barkeit des Verbrechens gemäss eine Strafe
bestimme. Der Richter hat daher hier das
unstreitige Recht, zwischen verschiedenen, dem

Grade
*) Kleinschrod syst. Entw. Thl. II. §. 127.

I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Abſchnitt.
beſtimmen, welche Strafe der andern am
nächſten komme oder (beyläufig) gleich ſey.

§. 188.

Wenn der Richter für ein gewiſſes Straf-
übel ein demſelben coordinirtes, aber der Art
nach verſchiedenes Uebel ſubſtituirt: ſo heiſst
dieſes Verwandlung der Strafe (permutatio
poenae
). Um die Befugniſſe des Richters in
Anſehung dieſer Verwandlung zu beſtimmen,
muſs man zwiſchen einer beſtimmten (geſetz-
lichen) und einer willkührlichen Strafe un-
terſcheiden.

§. 189.

I. Hat das Geſetz eine Strafe beſtimmt,
ſo will es auch, daſs dieſelbe auf den vorkom-
menden Fall angewendet werde und es ſteht
dem Richter nicht eine willkührliche Verwand-
lung frey. Dieſes iſt nur dann rechtlich mög-
lich: 1) wenn die Anwendung der gedrohten
Strafen ſelbſt phyſiſch unmöglich iſt, 2) wenn
ein offenbarer Grund des Geſetzes der Anwen-
dung der Strafe auf den vorliegenden Fall
widerſpricht *).

§. 190.

II. Das unbeſtimmte Strafgeſetz verlangt
weiter nichts, als daſs der Richter der Straf-
barkeit des Verbrechens gemäſs eine Strafe
beſtimme. Der Richter hat daher hier das
unſtreitige Recht, zwiſchen verſchiedenen, dem

Grade
*) Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 127.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0170" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
be&#x017F;timmen, welche Strafe der andern am<lb/>
näch&#x017F;ten komme oder (beyläufig) gleich &#x017F;ey.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 188.</head><lb/>
                    <p>Wenn der Richter für ein gewi&#x017F;&#x017F;es Straf-<lb/>
übel ein dem&#x017F;elben coordinirtes, aber der Art<lb/>
nach ver&#x017F;chiedenes Uebel &#x017F;ub&#x017F;tituirt: &#x017F;o hei&#x017F;st<lb/>
die&#x017F;es <hi rendition="#g">Verwandlung</hi> <hi rendition="#i">der Strafe</hi> (<hi rendition="#i">permutatio<lb/>
poenae</hi>). Um die Befugni&#x017F;&#x017F;e des Richters in<lb/>
An&#x017F;ehung die&#x017F;er Verwandlung zu be&#x017F;timmen,<lb/>
mu&#x017F;s man zwi&#x017F;chen einer be&#x017F;timmten (ge&#x017F;etz-<lb/>
lichen) und einer willkührlichen Strafe un-<lb/>
ter&#x017F;cheiden.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 189.</head><lb/>
                    <p>I. Hat das Ge&#x017F;etz eine Strafe be&#x017F;timmt,<lb/>
&#x017F;o will es auch, da&#x017F;s die&#x017F;elbe auf den vorkom-<lb/>
menden Fall angewendet werde und es &#x017F;teht<lb/>
dem Richter nicht eine willkührliche Verwand-<lb/>
lung frey. Die&#x017F;es i&#x017F;t nur dann rechtlich mög-<lb/>
lich: 1) wenn die Anwendung der gedrohten<lb/>
Strafen &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#i">phy&#x017F;i&#x017F;ch unmöglich</hi> i&#x017F;t, 2) wenn<lb/>
ein offenbarer <hi rendition="#i">Grund</hi> des Ge&#x017F;etzes der Anwen-<lb/>
dung der Strafe auf den vorliegenden Fall<lb/>
wider&#x017F;pricht <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Klein&#x017F;chrod</hi><hi rendition="#i">&#x017F;y&#x017F;t. Entw.</hi> Thl. II. §. 127.</note>.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 190.</head><lb/>
                    <p>II. Das unbe&#x017F;timmte Strafge&#x017F;etz verlangt<lb/>
weiter nichts, als da&#x017F;s der Richter der Straf-<lb/>
barkeit des Verbrechens gemä&#x017F;s eine Strafe<lb/>
be&#x017F;timme. Der Richter hat daher hier das<lb/>
un&#x017F;treitige Recht, zwi&#x017F;chen ver&#x017F;chiedenen, dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Grade</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0170] I. Buch. II. Theil. III. Titel. IV. Abſchnitt. beſtimmen, welche Strafe der andern am nächſten komme oder (beyläufig) gleich ſey. §. 188. Wenn der Richter für ein gewiſſes Straf- übel ein demſelben coordinirtes, aber der Art nach verſchiedenes Uebel ſubſtituirt: ſo heiſst dieſes Verwandlung der Strafe (permutatio poenae). Um die Befugniſſe des Richters in Anſehung dieſer Verwandlung zu beſtimmen, muſs man zwiſchen einer beſtimmten (geſetz- lichen) und einer willkührlichen Strafe un- terſcheiden. §. 189. I. Hat das Geſetz eine Strafe beſtimmt, ſo will es auch, daſs dieſelbe auf den vorkom- menden Fall angewendet werde und es ſteht dem Richter nicht eine willkührliche Verwand- lung frey. Dieſes iſt nur dann rechtlich mög- lich: 1) wenn die Anwendung der gedrohten Strafen ſelbſt phyſiſch unmöglich iſt, 2) wenn ein offenbarer Grund des Geſetzes der Anwen- dung der Strafe auf den vorliegenden Fall widerſpricht *). §. 190. II. Das unbeſtimmte Strafgeſetz verlangt weiter nichts, als daſs der Richter der Straf- barkeit des Verbrechens gemäſs eine Strafe beſtimme. Der Richter hat daher hier das unſtreitige Recht, zwiſchen verſchiedenen, dem Grade *) Kleinſchrod ſyſt. Entw. Thl. II. §. 127.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/170
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/170>, abgerufen am 27.04.2024.