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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
Ehre ist die äusserlich erscheinende Achtung.
Sie besteht in der äussern Anerkennung des
Werths eines Menschen, in soferne sie als das
Resultat der zusammenstimmenden Anerkennung
Vieler betrachtet wird
. Den Verkannten, des-
sen Werth nur Wenige anerkennen, wird sich
niemand in dem Stand der Ehre denken *)



§. 309.
§. 10. 2) Wenn eine Person, der man besondere
Hochachtung oder Treue schuldig war, Gegenstand
des Verbrechens ist. 3) Wenn die Person sub
praesextu pietatis et misericordiae geschändet wor-
den ist. Engau El. jur. crim. §. 230. -- Beson-
dere Milderungsgründe sollen seyn 1) Jugend des
Verbrechers, 2) Trunkenheit, 3) wenn die Ge-
schwä[c]hte schon vorher gesetzwidrig den Beyschlaf
vollzogen hat, 4) Erbieten der Geschwächten zur
Ehe. Boehmer l. c. Quistorp. Thl. l. §. 493.
*) Von dem Begriff der Ehre und andern noch fol-
genden Bestimmungen muss jede Theorie von In-
jurien ausgehen, wenn sie haltbar seyn soll. Aus
den positiven Gesetzen, (dem Titel der D. de inju-
riis
) können wir den allgemeinen Begriff von In-
jurien nicht schöpfen, da Rechtsverletzung über-
haupt und Ehrenverletzung unter dem Wort
injuria von den Römern begriffen, und offenbar
Fälle anderer Rechtsverletzungen mit eigentlichen
Injurien untereinander geworfen werden. Man
vergleiche §. 1. pr. de injuriis. L. 1. pr. D. L. 13.
§. ult. L. 22. 24. 29. D. de injuriis. Da wir nun
aus den Gesetzen selbst unmöglich den Begriff der
Injurie abstrahiren können, so bleibt weiter nichts
übrig, als nach allgemeinen Gründen zu untersu-
chen, worin eine Ehrenverletzung bestehe und wie
weit der Staat eine solche bestrafen könne.

II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
Ehre iſt die äuſſerlich erſcheinende Achtung.
Sie beſteht in der äuſſern Anerkennung des
Werths eines Menſchen, in ſoferne ſie als das
Reſultat der zuſammenſtimmenden Anerkennung
Vieler betrachtet wird
. Den Verkannten, deſ-
ſen Werth nur Wenige anerkennen, wird ſich
niemand in dem Stand der Ehre denken *)



§. 309.
§. 10. 2) Wenn eine Perſon, der man beſondere
Hochachtung oder Treue ſchuldig war, Gegenſtand
des Verbrechens iſt. 3) Wenn die Perſon ſub
praeſextu pietatis et miſericordiae geſchändet wor-
den iſt. Engau El. jur. crim. §. 230. — Beſon-
dere Milderungsgründe ſollen ſeyn 1) Jugend des
Verbrechers, 2) Trunkenheit, 3) wenn die Ge-
ſchwä[c]hte ſchon vorher geſetzwidrig den Beyſchlaf
vollzogen hat, 4) Erbieten der Geſchwächten zur
Ehe. Boehmer l. c. Quiſtorp. Thl. l. §. 493.
*) Von dem Begriff der Ehre und andern noch fol-
genden Beſtimmungen muſs jede Theorie von In-
jurien ausgehen, wenn ſie haltbar ſeyn ſoll. Aus
den poſitiven Geſetzen, (dem Titel der D. de inju-
riis
) können wir den allgemeinen Begriff von In-
jurien nicht ſchöpfen, da Rechtsverletzung über-
haupt und Ehrenverletzung unter dem Wort
injuria von den Römern begriffen, und offenbar
Fälle anderer Rechtsverletzungen mit eigentlichen
Injurien untereinander geworfen werden. Man
vergleiche §. 1. pr. de injuriis. L. 1. pr. D. L. 13.
§. ult. L. 22. 24. 29. D. de injuriis. Da wir nun
aus den Geſetzen ſelbſt unmöglich den Begriff der
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[240/0268] II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. Ehre iſt die äuſſerlich erſcheinende Achtung. Sie beſteht in der äuſſern Anerkennung des Werths eines Menſchen, in ſoferne ſie als das Reſultat der zuſammenſtimmenden Anerkennung Vieler betrachtet wird. Den Verkannten, deſ- ſen Werth nur Wenige anerkennen, wird ſich niemand in dem Stand der Ehre denken *) §. 309. *) *) Von dem Begriff der Ehre und andern noch fol- genden Beſtimmungen muſs jede Theorie von In- jurien ausgehen, wenn ſie haltbar ſeyn ſoll. Aus den poſitiven Geſetzen, (dem Titel der D. de inju- riis) können wir den allgemeinen Begriff von In- jurien nicht ſchöpfen, da Rechtsverletzung über- haupt und Ehrenverletzung unter dem Wort injuria von den Römern begriffen, und offenbar Fälle anderer Rechtsverletzungen mit eigentlichen Injurien untereinander geworfen werden. Man vergleiche §. 1. pr. de injuriis. L. 1. pr. D. L. 13. §. ult. L. 22. 24. 29. D. de injuriis. Da wir nun aus den Geſetzen ſelbſt unmöglich den Begriff der Injurie abſtrahiren können, ſo bleibt weiter nichts übrig, als nach allgemeinen Gründen zu unterſu- chen, worin eine Ehrenverletzung beſtehe und wie weit der Staat eine ſolche beſtrafen könne. *) §. 10. 2) Wenn eine Perſon, der man beſondere Hochachtung oder Treue ſchuldig war, Gegenſtand des Verbrechens iſt. 3) Wenn die Perſon ſub praeſextu pietatis et miſericordiae geſchändet wor- den iſt. Engau El. jur. crim. §. 230. — Beſon- dere Milderungsgründe ſollen ſeyn 1) Jugend des Verbrechers, 2) Trunkenheit, 3) wenn die Ge- ſchwächte ſchon vorher geſetzwidrig den Beyſchlaf vollzogen hat, 4) Erbieten der Geſchwächten zur Ehe. Boehmer l. c. Quiſtorp. Thl. l. §. 493.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/268>, abgerufen am 26.04.2024.