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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] lein überseet. Es schreiben ihrer viel
dieser Gemsen-Kugel unterschiedene vor-
treffliche Tugenden zu, welches einige
glauben, einige aber verwerffen, und soll
hiervon eingenommen, solche hauptsäch-
lich wider die Pest, Ungarische Kranck-
heit, Schwindel, Kopffweh, Schwere
Noth, Schlagflüsse, Melancholie, Hertz-
zittern, auch wohl Gifft und alle Zau-
berey dienen, ja wie einige wollen, nüch-
tern eingenommen, soll es gar 24. Stun-
den vor allen Waffen feste machen, wel-
ches doch dem Gembs, so es gantz gehabt,
nicht geholffen. Dahero wohl diß Ar-
canum
nicht probat seyn mag. Man
hält die zwischen halbem August und hal-
bem September gefundene Kugeln vor
die kräfftigsten. Bald nach Jacobi im
Herbst begiebt sich der Gems wieder in
die Höhe, des Winters Kälte bey zeiten
zu gewohnen, woselbst er in denen rau-
hesten Klippen, wo er die gesundesten
Wurtzeln und Kräuter haben kan, sich
auffhält. Gegen Frühling vermercken
sie von Natur die Aenderung des Wet-
ters und begeben sich auf niedere Gebürge
wegen der zeitigen Kräuter, sonderlich
wo Sand-Flecken sind, welchen sie gerne
lecken und damit den Schleim von der
Zunge abschaben, auch bessern Appetit
zum Essen kriegen: Daselbst, oder wo
man sonst gemeiniglich ihren Wechsel ge-
mercket, wird ihnen von Schützen auf-
gepasset, und sie also geschossen. Wann
sie in ihrem Land von denen Einwoh-
nern oder Gemsen-Steigern von einem
Ort zum andern getrieben werden, be-
geben sie sich je länger, je höher und sprin-
gen von einer Felsen-Klipp auf die ande-
re; Maassen sie alle vier Läufft zusam-
men setzen und von Natur hoch und weit
springen, auch, wo möglich, noch eine
Reserve vorbehalten, biß sie nicht weiter
können. Ein solcher Gems schreyet nicht,
sondern wispelt gleichsam nur mit einem
[Spaltenumbruch] Druck durch die Nase: Wann der Wey-
demann nachklettert, und so nahe kommt,
daß ers erreichen kan, es auch stechen, fan-
gen, oder abwerffen will, und ihm das
Tillmesser ansetzet, reibet es sich selbst in
das Messer, als ob sichs daran stemmen
wolte und fället sodann hoch vom Fel-
sen herab. Sein Häutlein aber blei-
bet gemeiniglich gantz und unversehrt.
Der Schweiß wird vom Jäger vor den
Schwindel gebrauchet und muß er we-
gen der schlüpffrigen schmahlen Kleber-
Gänge scharffe Fuß-Eissen haben, daß
er nicht herunter falle. Es ist eine ge-
fährliche Jagd, da man sich leicht verstei-
gen und elendiglich umbkommen kan,
wie dergleichen ehemahlen dem Käyser
Maximiliano dem Ersten ohnweit Jn-
spruck bey der so genannten Martins-
Wand wiederfahren, daselbst er lange
Zeit von denen Seinigen zwar gesehen
worden, aber Hülffloß bleiben müssen,
biß ihn durch GOttes sonderbahre Gna-
de ein Engel in Gestalt eines Männleins
durch einen unbekanten Weg einer
Felsen-Klufft wunderlich errettet, und zu
denen Seinigen gebracht hat, in welchen
Felsen-Gang er zu GOttes Ehren ein
Crucifix einhauen lassen, so an selbigem
Ort annoch heut zu Tage zum Wahrzei-
chen gewiesen wird. Sonsten war er-
meldter Glorwürdigster Kayser bereits
von allen den Seinigen für verlohren
geschätzet, wie er dann nicht alleine von
denenselben Abschied nahm und sich zu
diesem erbärmlichen Verderben bequem-
te, sondern genosse auch im Glauben
das Heilige Sacrament, gestalt ihm sein
Beicht-Vater die Hostie und den Kelch
zeigen muste. Von dem Gems soll das
Unschlitt, in Milch zerlassen und einge-
nommen, die Lunge heilen, die Galle
aber vor die Augen, und der Koth vor
den Stein helffen.

Vom Hasen/ und Laninen.
[Spaltenumbruch]

Dieses wohlbekante Thierlein hat
GOtt sonderlich gesegnet, daß es sich des
Jahrs vielmahl vermehret, weil es sonst
die vielerleyen undencklichen Nachstellun-
gen derer Menschen, Raub-Thiere und
Raub-Vögel schon längst ausgerottet
hätten. Wann es sein leben lassen
muß, kan es sehr kläglich schreyen und
erbärmlich umb Hülffe ruffen. Jst ein
furchtsames trauriges Thierlein, be-
[Spaltenumbruch] kommt auch zuzeiten die Pocken, ja
offt von grosser Geilheit, die von ihm so
offte getrieben wird, wohl gar die Fran-
tzosen. Jm Januario, so es halbwege
Wetter ist, lauffen die Hasen nach der
Häsin etliche Meilweges herum, suchen
die Häsin und riechen ihr nach, ramm-
len mit grosser Begierde, daß offt hin-
ter einer Häsin drey biß vier Rammler
lauffen, und findet man zuweilen schon

im

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] lein uͤberſeet. Es ſchreiben ihrer viel
dieſer Gemſen-Kugel unterſchiedene vor-
treffliche Tugenden zu, welches einige
glauben, einige aber verwerffen, und ſoll
hiervon eingenommen, ſolche hauptſaͤch-
lich wider die Peſt, Ungariſche Kranck-
heit, Schwindel, Kopffweh, Schwere
Noth, Schlagfluͤſſe, Melancholie, Hertz-
zittern, auch wohl Gifft und alle Zau-
berey dienen, ja wie einige wollen, nuͤch-
tern eingenommen, ſoll es gar 24. Stun-
den vor allen Waffen feſte machen, wel-
ches doch dem Gembs, ſo es gantz gehabt,
nicht geholffen. Dahero wohl diß Ar-
canum
nicht probat ſeyn mag. Man
haͤlt die zwiſchen halbem Auguſt und hal-
bem September gefundene Kugeln vor
die kraͤfftigſten. Bald nach Jacobi im
Herbſt begiebt ſich der Gems wieder in
die Hoͤhe, des Winters Kaͤlte bey zeiten
zu gewohnen, woſelbſt er in denen rau-
heſten Klippen, wo er die geſundeſten
Wurtzeln und Kraͤuter haben kan, ſich
auffhaͤlt. Gegen Fruͤhling vermercken
ſie von Natur die Aenderung des Wet-
ters und begeben ſich auf niedere Gebuͤrge
wegen der zeitigen Kraͤuter, ſonderlich
wo Sand-Flecken ſind, welchen ſie gerne
lecken und damit den Schleim von der
Zunge abſchaben, auch beſſern Appetit
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man ſonſt gemeiniglich ihren Wechſel ge-
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ſie in ihrem Land von denen Einwoh-
nern oder Gemſen-Steigern von einem
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geben ſie ſich je laͤnger, je hoͤher und ſprin-
gen von einer Felſen-Klipp auf die ande-
re; Maaſſen ſie alle vier Laͤufft zuſam-
men ſetzen und von Natur hoch und weit
ſpringen, auch, wo moͤglich, noch eine
Reſerve vorbehalten, biß ſie nicht weiter
koͤnnen. Ein ſolcher Gems ſchreyet nicht,
ſondern wiſpelt gleichſam nur mit einem
[Spaltenumbruch] Druck durch die Naſe: Wann der Wey-
demann nachklettert, und ſo nahe kommt,
daß ers erreichen kan, es auch ſtechen, fan-
gen, oder abwerffen will, und ihm das
Tillmeſſer anſetzet, reibet es ſich ſelbſt in
das Meſſer, als ob ſichs daran ſtemmen
wolte und faͤllet ſodann hoch vom Fel-
ſen herab. Sein Haͤutlein aber blei-
bet gemeiniglich gantz und unverſehrt.
Der Schweiß wird vom Jaͤger vor den
Schwindel gebrauchet und muß er we-
gen der ſchluͤpffrigen ſchmahlen Kleber-
Gaͤnge ſcharffe Fuß-Eiſſen haben, daß
er nicht herunter falle. Es iſt eine ge-
faͤhrliche Jagd, da man ſich leicht verſtei-
gen und elendiglich umbkommen kan,
wie dergleichen ehemahlen dem Kaͤyſer
Maximiliano dem Erſten ohnweit Jn-
ſpruck bey der ſo genannten Martins-
Wand wiederfahren, daſelbſt er lange
Zeit von denen Seinigen zwar geſehen
worden, aber Huͤlffloß bleiben muͤſſen,
biß ihn durch GOttes ſonderbahre Gna-
de ein Engel in Geſtalt eines Maͤnnleins
durch einen unbekanten Weg einer
Felſen-Klufft wunderlich errettet, und zu
denen Seinigen gebracht hat, in welchen
Felſen-Gang er zu GOttes Ehren ein
Crucifix einhauen laſſen, ſo an ſelbigem
Ort annoch heut zu Tage zum Wahrzei-
chen gewieſen wird. Sonſten war er-
meldter Glorwuͤrdigſter Kayſer bereits
von allen den Seinigen fuͤr verlohren
geſchaͤtzet, wie er dann nicht alleine von
denenſelben Abſchied nahm und ſich zu
dieſem erbaͤrmlichen Verderben bequem-
te, ſondern genoſſe auch im Glauben
das Heilige Sacrament, geſtalt ihm ſein
Beicht-Vater die Hoſtie und den Kelch
zeigen muſte. Von dem Gems ſoll das
Unſchlitt, in Milch zerlaſſen und einge-
nommen, die Lunge heilen, die Galle
aber vor die Augen, und der Koth vor
den Stein helffen.

Vom Haſen/ und Laninen.
[Spaltenumbruch]

Dieſes wohlbekante Thierlein hat
GOtt ſonderlich geſegnet, daß es ſich des
Jahrs vielmahl vermehret, weil es ſonſt
die vielerleyen undencklichen Nachſtellun-
gen derer Menſchen, Raub-Thiere und
Raub-Voͤgel ſchon laͤngſt ausgerottet
haͤtten. Wann es ſein leben laſſen
muß, kan es ſehr klaͤglich ſchreyen und
erbaͤrmlich umb Huͤlffe ruffen. Jſt ein
furchtſames trauriges Thierlein, be-
[Spaltenumbruch] kommt auch zuzeiten die Pocken, ja
offt von groſſer Geilheit, die von ihm ſo
offte getrieben wird, wohl gar die Fran-
tzoſen. Jm Januario, ſo es halbwege
Wetter iſt, lauffen die Haſen nach der
Haͤſin etliche Meilweges herum, ſuchen
die Haͤſin und riechen ihr nach, ramm-
len mit groſſer Begierde, daß offt hin-
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[103/0199] Von denen wilden Thieren. lein uͤberſeet. Es ſchreiben ihrer viel dieſer Gemſen-Kugel unterſchiedene vor- treffliche Tugenden zu, welches einige glauben, einige aber verwerffen, und ſoll hiervon eingenommen, ſolche hauptſaͤch- lich wider die Peſt, Ungariſche Kranck- heit, Schwindel, Kopffweh, Schwere Noth, Schlagfluͤſſe, Melancholie, Hertz- zittern, auch wohl Gifft und alle Zau- berey dienen, ja wie einige wollen, nuͤch- tern eingenommen, ſoll es gar 24. Stun- den vor allen Waffen feſte machen, wel- ches doch dem Gembs, ſo es gantz gehabt, nicht geholffen. Dahero wohl diß Ar- canum nicht probat ſeyn mag. Man haͤlt die zwiſchen halbem Auguſt und hal- bem September gefundene Kugeln vor die kraͤfftigſten. Bald nach Jacobi im Herbſt begiebt ſich der Gems wieder in die Hoͤhe, des Winters Kaͤlte bey zeiten zu gewohnen, woſelbſt er in denen rau- heſten Klippen, wo er die geſundeſten Wurtzeln und Kraͤuter haben kan, ſich auffhaͤlt. Gegen Fruͤhling vermercken ſie von Natur die Aenderung des Wet- ters und begeben ſich auf niedere Gebuͤrge wegen der zeitigen Kraͤuter, ſonderlich wo Sand-Flecken ſind, welchen ſie gerne lecken und damit den Schleim von der Zunge abſchaben, auch beſſern Appetit zum Eſſen kriegen: Daſelbſt, oder wo man ſonſt gemeiniglich ihren Wechſel ge- mercket, wird ihnen von Schuͤtzen auf- gepaſſet, und ſie alſo geſchoſſen. Wann ſie in ihrem Land von denen Einwoh- nern oder Gemſen-Steigern von einem Ort zum andern getrieben werden, be- geben ſie ſich je laͤnger, je hoͤher und ſprin- gen von einer Felſen-Klipp auf die ande- re; Maaſſen ſie alle vier Laͤufft zuſam- men ſetzen und von Natur hoch und weit ſpringen, auch, wo moͤglich, noch eine Reſerve vorbehalten, biß ſie nicht weiter koͤnnen. Ein ſolcher Gems ſchreyet nicht, ſondern wiſpelt gleichſam nur mit einem Druck durch die Naſe: Wann der Wey- demann nachklettert, und ſo nahe kommt, daß ers erreichen kan, es auch ſtechen, fan- gen, oder abwerffen will, und ihm das Tillmeſſer anſetzet, reibet es ſich ſelbſt in das Meſſer, als ob ſichs daran ſtemmen wolte und faͤllet ſodann hoch vom Fel- ſen herab. Sein Haͤutlein aber blei- bet gemeiniglich gantz und unverſehrt. Der Schweiß wird vom Jaͤger vor den Schwindel gebrauchet und muß er we- gen der ſchluͤpffrigen ſchmahlen Kleber- Gaͤnge ſcharffe Fuß-Eiſſen haben, daß er nicht herunter falle. Es iſt eine ge- faͤhrliche Jagd, da man ſich leicht verſtei- gen und elendiglich umbkommen kan, wie dergleichen ehemahlen dem Kaͤyſer Maximiliano dem Erſten ohnweit Jn- ſpruck bey der ſo genannten Martins- Wand wiederfahren, daſelbſt er lange Zeit von denen Seinigen zwar geſehen worden, aber Huͤlffloß bleiben muͤſſen, biß ihn durch GOttes ſonderbahre Gna- de ein Engel in Geſtalt eines Maͤnnleins durch einen unbekanten Weg einer Felſen-Klufft wunderlich errettet, und zu denen Seinigen gebracht hat, in welchen Felſen-Gang er zu GOttes Ehren ein Crucifix einhauen laſſen, ſo an ſelbigem Ort annoch heut zu Tage zum Wahrzei- chen gewieſen wird. Sonſten war er- meldter Glorwuͤrdigſter Kayſer bereits von allen den Seinigen fuͤr verlohren geſchaͤtzet, wie er dann nicht alleine von denenſelben Abſchied nahm und ſich zu dieſem erbaͤrmlichen Verderben bequem- te, ſondern genoſſe auch im Glauben das Heilige Sacrament, geſtalt ihm ſein Beicht-Vater die Hoſtie und den Kelch zeigen muſte. Von dem Gems ſoll das Unſchlitt, in Milch zerlaſſen und einge- nommen, die Lunge heilen, die Galle aber vor die Augen, und der Koth vor den Stein helffen. Vom Haſen/ und Laninen. Dieſes wohlbekante Thierlein hat GOtt ſonderlich geſegnet, daß es ſich des Jahrs vielmahl vermehret, weil es ſonſt die vielerleyen undencklichen Nachſtellun- gen derer Menſchen, Raub-Thiere und Raub-Voͤgel ſchon laͤngſt ausgerottet haͤtten. Wann es ſein leben laſſen muß, kan es ſehr klaͤglich ſchreyen und erbaͤrmlich umb Huͤlffe ruffen. Jſt ein furchtſames trauriges Thierlein, be- kommt auch zuzeiten die Pocken, ja offt von groſſer Geilheit, die von ihm ſo offte getrieben wird, wohl gar die Fran- tzoſen. Jm Januario, ſo es halbwege Wetter iſt, lauffen die Haſen nach der Haͤſin etliche Meilweges herum, ſuchen die Haͤſin und riechen ihr nach, ramm- len mit groſſer Begierde, daß offt hin- ter einer Haͤſin drey biß vier Rammler lauffen, und findet man zuweilen ſchon im

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/199>, abgerufen am 26.04.2024.