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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Andern Theils 17. Cap. von dem wilden Schweine.
[Spaltenumbruch] Fröschlingen ist in einer Nacht capable,
die Früchte und den Graßwachs eines ar-
men Landmannes zu ruiniren. Deswe-
gen werden auch die Sauen von der ho-
hen Landes-Herrschafft, weil sie sich jähr-
lich so sehr vermehren, und so manches
Unheylanrichten, nicht so sehr gehägt, wie
das rothe Wildpräth, sondern in den Jag-
den zu hundert und anderthalb hundert
Stücken, ja noch mehr, niedergemacht.

§. 2.

Das schwartze Wildpräth fin-
det man vornemlich in den Gebürgen, und
an den Orten, wo viel Fichten und andere
Hartz-Bäume sind, davon denn die wil-
den Schweine, wenn sie sich an solche Bäu-
me anlegen, eine Haut bekommen, die
fast einem Pantzer gleicht. Wegen ihrer
sehr hitzigen Natur und Eigenschafften
suchen sie so wohl das gantze Jahr, als
insonderheit in dem Sommer, die Prudel
und das Wasser, theils durch das Sauf-
fen ihr innerliches Feuer damit zu löschen,
theils sich in dem Wasser zu weltzen, und
zu sielen, ausser dem werden sie gantz ma-
ger, bekommen die Bräune, und fallen da-
hin, welches man ebenfalls an den zahmen
Schweinen wahrnehmen kan.

§. 3.

Sie bringen vier grosse Zähne
mit auf die Welt, die ihnen zu Gewehr
und Waffen dienen, die untersten sind die
grösten und schärffsten, damit sie hauen;
die obersten dagegen sind kurtz, stumpff,
und krumm, doch dergestalt, daß sie die un-
tersten an der Seite berühren, und als
Wetzsteine dienen; gestalt man observi-
ret, wenn ein Schwein vor dem Hund ste-
het, daß es gleichsam immer kauet, und
vermuthlich vor Grimm schäumet und
wetzet. Man hat auch gesehen, wenn die
wilden Schweine oder Keyler des Monats
Decembris in die Brunfft treten, welche
kaum drey Wochen dauret, und in ihrer
Hitze nicht alsobald ihres gleichen finden,
daß sie sich mit den zahmen Mast-Sauen
begatten, wenn sie nichts anders ha-
ben, und folgen sie denselben öffters biß
in ihre Ställe. Nach der Brunfft wer-
den die Keyler mager, und ihre Feiste nimmt
gäntzlich ab. Jhr Wildpräth wird roth,
vom garstigen Geruch, und unangenehm.
Des Winters durch müssen sie die gantze
Nacht herum lauffen, sich genugsam zu
ersättigen, und sich bemühen, wo sie et-
wan unter dem Geräusche der Blätter
noch etwas finden mögten, das zu ihrer
Nahrung gereichen könte. Bey dem
Thau-Wetter brechen sie nach den Wur-
tzeln und Kräutern, und suchen die ver-
[Spaltenumbruch] scharrten Eicheln, die Mäuse, und aller-
hand hervor, weil die wilden Sauen ge-
fräßige Thiere sind, welche mit geringer
Kost nicht zu frieden, und sich nach der
Brunfft gerne was zu gute thun wollen.
So bald das Geträide auf dem Felde nur
etwas vorgrünet, geniessen sie nicht allein
die Saat häuffig und geitzig, sondern gra-
ben auch und brechen nach den Wurtzeln
von Hunds-Kraut, Ringelblumen, Ra-
nunckeln, wilden Rüben, Johannis-
Kraut, und dergleichen. Jst das Geträi-
de auf den Feldern besser erwachsen, ge-
hen sie nach den Erbsen, Bohnen, Wi-
cken, Linsen, Heide-Korn und Hierse. Die
Bachen aber machen sich nicht gerne so
weit aus, um sich nicht zu verrathen, biß
sie ihre Fröschlinge gesetzt, und so weit er-
zogen, daß sie auf dem Felde das reiffe Ge-
träidigt geniessen können. Sie sind auch
überhaupt nicht so dreuste, als die Key-
ler, oder hauende Schweine.

§. 4.

Ist in den Weinbergen, oder
auf den Feldern nichts mehr zu thun,
so nehmen sie ihre Zuflucht zu den Wäl-
dern, und erholen sich an der Eichel- und
Buch-Mast, oder an dem wilden Obste,
davon sie sehr zunehmen, und feiste wer-
den, sich aber auch dabey sehr erhitzen,
und viel sauffen. Jn meiner Nachbar-
schafft in der Herrschafft Sonnewalde hat
man experimentirt befunden, daß die
Sauen bißweilen das geschossene und ge-
fallene Wildpräth angreiffen und fres-
sen. Es wurde einstens ein Spiesser da-
selbst geschossen, und als die Fuhre zu
lang ausbliebe, die es abholen solte, fand
man ein gantz Rudel Sauen dabey, die
die Keulen und den Zimmel schon zuris-
sen hatten. Es ist dahero wohl glaub-
lich, daß sie bißweilen die frisch-gesetzten
Hirsch-Kälber zerreissen.

Das 18. Capitel/
Von des wilden Schweins Gefährd.
§. 1.

Wenn die Bachen hochträchtig, ge-
hen sie meistentheils mit allen vier
Füssen, sonderlich mit den hintern, wo die
Fröschlinge liegen, breit, und mit den
Klauen sehr geöffnet von einander, es
sind auch ihre Lauf-Klauen nicht so dicke,
sondern ein gut Theil schmäler, als des
Schweines oder Keylers seine, dessen Ge-
fährde schon viel besser geschlossen, indem
er sich gezwungen, die Lauf-Klauen zu-
sammen zu drücken. Des Schweines
Schaalen sind gewölbet, die Ballen und
Sohlen breiter, denn der Bachen. Das

Geäff-

Des Andern Theils 17. Cap. von dem wilden Schweine.
[Spaltenumbruch] Froͤſchlingen iſt in einer Nacht capable,
die Fruͤchte und den Graßwachs eines ar-
men Landmannes zu ruiniren. Deswe-
gen werden auch die Sauen von der ho-
hen Landes-Herrſchafft, weil ſie ſich jaͤhr-
lich ſo ſehr vermehren, und ſo manches
Unheylanrichten, nicht ſo ſehr gehaͤgt, wie
das rothe Wildpraͤth, ſondern in den Jag-
den zu hundert und anderthalb hundert
Stuͤcken, ja noch mehr, niedergemacht.

§. 2.

Das ſchwartze Wildpraͤth fin-
det man vornemlich in den Gebuͤrgen, und
an den Orten, wo viel Fichten und andere
Hartz-Baͤume ſind, davon denn die wil-
den Schweine, wenn ſie ſich an ſolche Baͤu-
me anlegen, eine Haut bekommen, die
faſt einem Pantzer gleicht. Wegen ihrer
ſehr hitzigen Natur und Eigenſchafften
ſuchen ſie ſo wohl das gantze Jahr, als
inſonderheit in dem Sommer, die Prudel
und das Waſſer, theils durch das Sauf-
fen ihr innerliches Feuer damit zu loͤſchen,
theils ſich in dem Waſſer zu weltzen, und
zu ſielen, auſſer dem werden ſie gantz ma-
ger, bekommen die Braͤune, und fallen da-
hin, welches man ebenfalls an den zahmen
Schweinen wahrnehmen kan.

§. 3.

Sie bringen vier groſſe Zaͤhne
mit auf die Welt, die ihnen zu Gewehr
und Waffen dienen, die unterſten ſind die
groͤſten und ſchaͤrffſten, damit ſie hauen;
die oberſten dagegen ſind kurtz, ſtumpff,
und krumm, doch dergeſtalt, daß ſie die un-
terſten an der Seite beruͤhren, und als
Wetzſteine dienen; geſtalt man obſervi-
ret, wenn ein Schwein vor dem Hund ſte-
het, daß es gleichſam immer kauet, und
vermuthlich vor Grimm ſchaͤumet und
wetzet. Man hat auch geſehen, wenn die
wilden Schweine oder Keyler des Monats
Decembris in die Brunfft treten, welche
kaum drey Wochen dauret, und in ihrer
Hitze nicht alſobald ihres gleichen finden,
daß ſie ſich mit den zahmen Maſt-Sauen
begatten, wenn ſie nichts anders ha-
ben, und folgen ſie denſelben oͤffters biß
in ihre Staͤlle. Nach der Brunfft wer-
den die Keyler mager, und ihre Feiſte nim̃t
gaͤntzlich ab. Jhr Wildpraͤth wird roth,
vom garſtigen Geruch, und unangenehm.
Des Winters durch muͤſſen ſie die gantze
Nacht herum lauffen, ſich genugſam zu
erſaͤttigen, und ſich bemuͤhen, wo ſie et-
wan unter dem Geraͤuſche der Blaͤtter
noch etwas finden moͤgten, das zu ihrer
Nahrung gereichen koͤnte. Bey dem
Thau-Wetter brechen ſie nach den Wur-
tzeln und Kraͤutern, und ſuchen die ver-
[Spaltenumbruch] ſcharrten Eicheln, die Maͤuſe, und aller-
hand hervor, weil die wilden Sauen ge-
fraͤßige Thiere ſind, welche mit geringer
Koſt nicht zu frieden, und ſich nach der
Brunfft gerne was zu gute thun wollen.
So bald das Getraͤide auf dem Felde nur
etwas vorgruͤnet, genieſſen ſie nicht allein
die Saat haͤuffig und geitzig, ſondern gra-
ben auch und brechen nach den Wurtzeln
von Hunds-Kraut, Ringelblumen, Ra-
nunckeln, wilden Ruͤben, Johannis-
Kraut, und dergleichen. Jſt das Getraͤi-
de auf den Feldern beſſer erwachſen, ge-
hen ſie nach den Erbſen, Bohnen, Wi-
cken, Linſen, Heide-Korn und Hierſe. Die
Bachen aber machen ſich nicht gerne ſo
weit aus, um ſich nicht zu verrathen, biß
ſie ihre Froͤſchlinge geſetzt, und ſo weit er-
zogen, daß ſie auf dem Felde das reiffe Ge-
traͤidigt genieſſen koͤnnen. Sie ſind auch
uͤberhaupt nicht ſo dreuſte, als die Key-
ler, oder hauende Schweine.

§. 4.

Iſt in den Weinbergen, oder
auf den Feldern nichts mehr zu thun,
ſo nehmen ſie ihre Zuflucht zu den Waͤl-
dern, und erholen ſich an der Eichel- und
Buch-Maſt, oder an dem wilden Obſte,
davon ſie ſehr zunehmen, und feiſte wer-
den, ſich aber auch dabey ſehr erhitzen,
und viel ſauffen. Jn meiner Nachbar-
ſchafft in der Herrſchafft Sonnewalde hat
man experimentirt befunden, daß die
Sauen bißweilen das geſchoſſene und ge-
fallene Wildpraͤth angreiffen und freſ-
ſen. Es wurde einſtens ein Spieſſer da-
ſelbſt geſchoſſen, und als die Fuhre zu
lang ausbliebe, die es abholen ſolte, fand
man ein gantz Rudel Sauen dabey, die
die Keulen und den Zimmel ſchon zuriſ-
ſen hatten. Es iſt dahero wohl glaub-
lich, daß ſie bißweilen die friſch-geſetzten
Hirſch-Kaͤlber zerreiſſen.

Das 18. Capitel/
Von des wilden Schweins Gefaͤhrd.
§. 1.

Wenn die Bachen hochtraͤchtig, ge-
hen ſie meiſtentheils mit allen vieꝛ
Fuͤſſen, ſonderlich mit den hintern, wo die
Froͤſchlinge liegen, breit, und mit den
Klauen ſehr geoͤffnet von einander, es
ſind auch ihre Lauf-Klauen nicht ſo dicke,
ſondern ein gut Theil ſchmaͤler, als des
Schweines oder Keylers ſeine, deſſen Ge-
faͤhrde ſchon viel beſſer geſchloſſen, indem
er ſich gezwungen, die Lauf-Klauen zu-
ſammen zu druͤcken. Des Schweines
Schaalen ſind gewoͤlbet, die Ballen und
Sohlen breiter, denn der Bachen. Das

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[106/0182] Des Andern Theils 17. Cap. von dem wilden Schweine. Froͤſchlingen iſt in einer Nacht capable, die Fruͤchte und den Graßwachs eines ar- men Landmannes zu ruiniren. Deswe- gen werden auch die Sauen von der ho- hen Landes-Herrſchafft, weil ſie ſich jaͤhr- lich ſo ſehr vermehren, und ſo manches Unheylanrichten, nicht ſo ſehr gehaͤgt, wie das rothe Wildpraͤth, ſondern in den Jag- den zu hundert und anderthalb hundert Stuͤcken, ja noch mehr, niedergemacht. §. 2. Das ſchwartze Wildpraͤth fin- det man vornemlich in den Gebuͤrgen, und an den Orten, wo viel Fichten und andere Hartz-Baͤume ſind, davon denn die wil- den Schweine, wenn ſie ſich an ſolche Baͤu- me anlegen, eine Haut bekommen, die faſt einem Pantzer gleicht. Wegen ihrer ſehr hitzigen Natur und Eigenſchafften ſuchen ſie ſo wohl das gantze Jahr, als inſonderheit in dem Sommer, die Prudel und das Waſſer, theils durch das Sauf- fen ihr innerliches Feuer damit zu loͤſchen, theils ſich in dem Waſſer zu weltzen, und zu ſielen, auſſer dem werden ſie gantz ma- ger, bekommen die Braͤune, und fallen da- hin, welches man ebenfalls an den zahmen Schweinen wahrnehmen kan. §. 3. Sie bringen vier groſſe Zaͤhne mit auf die Welt, die ihnen zu Gewehr und Waffen dienen, die unterſten ſind die groͤſten und ſchaͤrffſten, damit ſie hauen; die oberſten dagegen ſind kurtz, ſtumpff, und krumm, doch dergeſtalt, daß ſie die un- terſten an der Seite beruͤhren, und als Wetzſteine dienen; geſtalt man obſervi- ret, wenn ein Schwein vor dem Hund ſte- het, daß es gleichſam immer kauet, und vermuthlich vor Grimm ſchaͤumet und wetzet. Man hat auch geſehen, wenn die wilden Schweine oder Keyler des Monats Decembris in die Brunfft treten, welche kaum drey Wochen dauret, und in ihrer Hitze nicht alſobald ihres gleichen finden, daß ſie ſich mit den zahmen Maſt-Sauen begatten, wenn ſie nichts anders ha- ben, und folgen ſie denſelben oͤffters biß in ihre Staͤlle. Nach der Brunfft wer- den die Keyler mager, und ihre Feiſte nim̃t gaͤntzlich ab. Jhr Wildpraͤth wird roth, vom garſtigen Geruch, und unangenehm. Des Winters durch muͤſſen ſie die gantze Nacht herum lauffen, ſich genugſam zu erſaͤttigen, und ſich bemuͤhen, wo ſie et- wan unter dem Geraͤuſche der Blaͤtter noch etwas finden moͤgten, das zu ihrer Nahrung gereichen koͤnte. Bey dem Thau-Wetter brechen ſie nach den Wur- tzeln und Kraͤutern, und ſuchen die ver- ſcharrten Eicheln, die Maͤuſe, und aller- hand hervor, weil die wilden Sauen ge- fraͤßige Thiere ſind, welche mit geringer Koſt nicht zu frieden, und ſich nach der Brunfft gerne was zu gute thun wollen. So bald das Getraͤide auf dem Felde nur etwas vorgruͤnet, genieſſen ſie nicht allein die Saat haͤuffig und geitzig, ſondern gra- ben auch und brechen nach den Wurtzeln von Hunds-Kraut, Ringelblumen, Ra- nunckeln, wilden Ruͤben, Johannis- Kraut, und dergleichen. Jſt das Getraͤi- de auf den Feldern beſſer erwachſen, ge- hen ſie nach den Erbſen, Bohnen, Wi- cken, Linſen, Heide-Korn und Hierſe. Die Bachen aber machen ſich nicht gerne ſo weit aus, um ſich nicht zu verrathen, biß ſie ihre Froͤſchlinge geſetzt, und ſo weit er- zogen, daß ſie auf dem Felde das reiffe Ge- traͤidigt genieſſen koͤnnen. Sie ſind auch uͤberhaupt nicht ſo dreuſte, als die Key- ler, oder hauende Schweine. §. 4. Iſt in den Weinbergen, oder auf den Feldern nichts mehr zu thun, ſo nehmen ſie ihre Zuflucht zu den Waͤl- dern, und erholen ſich an der Eichel- und Buch-Maſt, oder an dem wilden Obſte, davon ſie ſehr zunehmen, und feiſte wer- den, ſich aber auch dabey ſehr erhitzen, und viel ſauffen. Jn meiner Nachbar- ſchafft in der Herrſchafft Sonnewalde hat man experimentirt befunden, daß die Sauen bißweilen das geſchoſſene und ge- fallene Wildpraͤth angreiffen und freſ- ſen. Es wurde einſtens ein Spieſſer da- ſelbſt geſchoſſen, und als die Fuhre zu lang ausbliebe, die es abholen ſolte, fand man ein gantz Rudel Sauen dabey, die die Keulen und den Zimmel ſchon zuriſ- ſen hatten. Es iſt dahero wohl glaub- lich, daß ſie bißweilen die friſch-geſetzten Hirſch-Kaͤlber zerreiſſen. Das 18. Capitel/ Von des wilden Schweins Gefaͤhrd. §. 1. Wenn die Bachen hochtraͤchtig, ge- hen ſie meiſtentheils mit allen vieꝛ Fuͤſſen, ſonderlich mit den hintern, wo die Froͤſchlinge liegen, breit, und mit den Klauen ſehr geoͤffnet von einander, es ſind auch ihre Lauf-Klauen nicht ſo dicke, ſondern ein gut Theil ſchmaͤler, als des Schweines oder Keylers ſeine, deſſen Ge- faͤhrde ſchon viel beſſer geſchloſſen, indem er ſich gezwungen, die Lauf-Klauen zu- ſammen zu druͤcken. Des Schweines Schaalen ſind gewoͤlbet, die Ballen und Sohlen breiter, denn der Bachen. Das Geaͤff-

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/182>, abgerufen am 26.04.2024.