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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Rosenkreuzerischer Charlatan? Was wir zu sagen
haben, ist das Folgende: Ein Rosenkreuzer war er gewiß, ein
Charlatan war er nicht. Er glaubte eben an diese Dinge.
Daß er, wie bei Aufführung einer Shakespeareschen Tragödie,
mit allerhand Theaterapparat Geister citirte (eine Sache, die
zugegeben werden muß), scheint dagegen zu sprechen; aber es
scheint nur; diese Gegensätze, so meinen wir, vertragen sich
sehr wohl mit einander.

Es ist bei Beurtheilung dieser Dinge durchaus nöthig,
sich in das Wesen des vorigen Jahrhunderts, insonderheit des
letzten Viertels, zurückzuversetzen. Die Welt hatte vielfach die
Aufklärung satt. Man sehnte sich wieder nach dem Dunkel,
dem Räthselhaften, dem Wunder. In diese Zeit fiel v. Bi-
schofswerders Jugend. Wenn man die Berichte über Schrepfer
liest, so muß jeder Unbefangene den Eindruck haben: Bischofs-
werder glaubte daran. Selbst als Schrepfer zu einer höchst
fragwürdigen Gestalt geworden war, blieb v. B. unerschüttert;
er unterschied Person und Sache. Es ist, nach allem, was
wir von ihm wissen, für uns feststehend, daß er an das Herein-
ragen einer überirdischen Welt in die irdische so aufrichtig
glaubte, wie nur jemals von irgend Jemand daran geglaubt
worden ist. Der gelegentliche Zweifel, ja, was mehr sagen
will, das gelegentliche Spielen mit der Sache ändert daran
nichts. Wenn irgendwer, groß oder klein, gebildet oder unge-
bildet, mit umgeschlagenem weißen Laken den Geist spielt und
auf dem dritten Hausboden unerwartet einem andern "Gespenst"
begegnet, so sind wir sicher, daß ihm in seiner "Geistähnlich-
keit" sehr bange werden wird. Ein solches Spiel, weitab
davon, ein Beweis freigeistigen Drüberstehns zu sein, schiebt
sich nur wie ein gewagtes Intermezzo in die allgemeine mystische
Lebensanschauung ein.

So war es mit Bischofswerder. Was ihn bewog, den
Aberglauben, dem er dienstbar war, sich je zuweilen auch dienst-
bar zu machen, wird muthmaßlich unaufgeklärt bleiben; ein
von Parteistreit unverwirrter Einblick in sein Leben spricht aber

Roſenkreuzeriſcher Charlatan? Was wir zu ſagen
haben, iſt das Folgende: Ein Roſenkreuzer war er gewiß, ein
Charlatan war er nicht. Er glaubte eben an dieſe Dinge.
Daß er, wie bei Aufführung einer Shakeſpeareſchen Tragödie,
mit allerhand Theaterapparat Geiſter citirte (eine Sache, die
zugegeben werden muß), ſcheint dagegen zu ſprechen; aber es
ſcheint nur; dieſe Gegenſätze, ſo meinen wir, vertragen ſich
ſehr wohl mit einander.

Es iſt bei Beurtheilung dieſer Dinge durchaus nöthig,
ſich in das Weſen des vorigen Jahrhunderts, inſonderheit des
letzten Viertels, zurückzuverſetzen. Die Welt hatte vielfach die
Aufklärung ſatt. Man ſehnte ſich wieder nach dem Dunkel,
dem Räthſelhaften, dem Wunder. In dieſe Zeit fiel v. Bi-
ſchofswerders Jugend. Wenn man die Berichte über Schrepfer
lieſt, ſo muß jeder Unbefangene den Eindruck haben: Biſchofs-
werder glaubte daran. Selbſt als Schrepfer zu einer höchſt
fragwürdigen Geſtalt geworden war, blieb v. B. unerſchüttert;
er unterſchied Perſon und Sache. Es iſt, nach allem, was
wir von ihm wiſſen, für uns feſtſtehend, daß er an das Herein-
ragen einer überirdiſchen Welt in die irdiſche ſo aufrichtig
glaubte, wie nur jemals von irgend Jemand daran geglaubt
worden iſt. Der gelegentliche Zweifel, ja, was mehr ſagen
will, das gelegentliche Spielen mit der Sache ändert daran
nichts. Wenn irgendwer, groß oder klein, gebildet oder unge-
bildet, mit umgeſchlagenem weißen Laken den Geiſt ſpielt und
auf dem dritten Hausboden unerwartet einem andern „Geſpenſt“
begegnet, ſo ſind wir ſicher, daß ihm in ſeiner „Geiſtähnlich-
keit“ ſehr bange werden wird. Ein ſolches Spiel, weitab
davon, ein Beweis freigeiſtigen Drüberſtehns zu ſein, ſchiebt
ſich nur wie ein gewagtes Intermezzo in die allgemeine myſtiſche
Lebensanſchauung ein.

So war es mit Biſchofswerder. Was ihn bewog, den
Aberglauben, dem er dienſtbar war, ſich je zuweilen auch dienſt-
bar zu machen, wird muthmaßlich unaufgeklärt bleiben; ein
von Parteiſtreit unverwirrter Einblick in ſein Leben ſpricht aber

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[276/0294] Roſenkreuzeriſcher Charlatan? Was wir zu ſagen haben, iſt das Folgende: Ein Roſenkreuzer war er gewiß, ein Charlatan war er nicht. Er glaubte eben an dieſe Dinge. Daß er, wie bei Aufführung einer Shakeſpeareſchen Tragödie, mit allerhand Theaterapparat Geiſter citirte (eine Sache, die zugegeben werden muß), ſcheint dagegen zu ſprechen; aber es ſcheint nur; dieſe Gegenſätze, ſo meinen wir, vertragen ſich ſehr wohl mit einander. Es iſt bei Beurtheilung dieſer Dinge durchaus nöthig, ſich in das Weſen des vorigen Jahrhunderts, inſonderheit des letzten Viertels, zurückzuverſetzen. Die Welt hatte vielfach die Aufklärung ſatt. Man ſehnte ſich wieder nach dem Dunkel, dem Räthſelhaften, dem Wunder. In dieſe Zeit fiel v. Bi- ſchofswerders Jugend. Wenn man die Berichte über Schrepfer lieſt, ſo muß jeder Unbefangene den Eindruck haben: Biſchofs- werder glaubte daran. Selbſt als Schrepfer zu einer höchſt fragwürdigen Geſtalt geworden war, blieb v. B. unerſchüttert; er unterſchied Perſon und Sache. Es iſt, nach allem, was wir von ihm wiſſen, für uns feſtſtehend, daß er an das Herein- ragen einer überirdiſchen Welt in die irdiſche ſo aufrichtig glaubte, wie nur jemals von irgend Jemand daran geglaubt worden iſt. Der gelegentliche Zweifel, ja, was mehr ſagen will, das gelegentliche Spielen mit der Sache ändert daran nichts. Wenn irgendwer, groß oder klein, gebildet oder unge- bildet, mit umgeſchlagenem weißen Laken den Geiſt ſpielt und auf dem dritten Hausboden unerwartet einem andern „Geſpenſt“ begegnet, ſo ſind wir ſicher, daß ihm in ſeiner „Geiſtähnlich- keit“ ſehr bange werden wird. Ein ſolches Spiel, weitab davon, ein Beweis freigeiſtigen Drüberſtehns zu ſein, ſchiebt ſich nur wie ein gewagtes Intermezzo in die allgemeine myſtiſche Lebensanſchauung ein. So war es mit Biſchofswerder. Was ihn bewog, den Aberglauben, dem er dienſtbar war, ſich je zuweilen auch dienſt- bar zu machen, wird muthmaßlich unaufgeklärt bleiben; ein von Parteiſtreit unverwirrter Einblick in ſein Leben ſpricht aber

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/294>, abgerufen am 26.04.2024.