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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Große um 1770 aus sardinischen Diensten (die Familie stammte
ursprünglich aus Portugal) nach Preußen berufen, zum
Flügeladjutanten gemacht und zum Mitgründer des unter ihm
gebildeten Generalstabes, zum General-Feldbaumeister, zum
Marechal de logis de l'armee und zum Generaladjutanten
ernannt hatte. Gleichzeitig hatte er ihm verschiedene Güter in
Schlesien, darunter Mettkau im Neumarkter Kreise, so wie das
Incolat als schlesischen Grafen verliehen. Man sieht, es war
dem Fräulein v. Tarrach das seltene Glück beschieden, den
Günstlingen zweier Könige die Hand reichen zu können.

Graf Pinto starb 1788. Seine Wittwe, die Gräfin (geb.
1757), war damals 31 Jahr alt. Sie trat sehr bald zu
Bischofswerder, der etwa um eben diese Zeit Wittwer geworden
war, in nähere Beziehungen, und klug und schön wie sie war,
(sie "schoß" ein wenig mit den Augen, und die medisirenden
Hofleute sagten: elle est belle, mais ses yeux "ne marchent
pas bien"
), nahm das Verhältniß einen Zärtlichkeitston an,
der wenigstens damals zwischen Leuten von Welt zu den Aus-
nahmen zählte. Es scheint, dieser Ton überdauerte selbst die
Flitterwochen, die sehr wahrscheinlich in den Sommer 1789
oder 90 fielen. 1792 während des Champagne-Feldzuges
wurde von französischen Truppen eine eben eingetroffene preu-
ßische Feldpost erbeutet und acht Tage später las irgend ein
Montagnard in der National-Versammlung die Zeilen vor,
die Frau v. Bischofswerder an ihren Gemahl ins Feldlager
gerichtet hatte. Der entschieden lyrische Grundton dieses Brie-
fes erweckte die Heiterkeit der Versammlung.

Das war in den ersten Jahren. Aber die Intimität blieb.
Ein Sohn und drei Töchter wurden aus dieser zweiten Ehe
geboren, so daß damals im Marquardter Herrenhause alle Arten
von Stiefgeschwistern anzutreffen waren: Kinder aus der ersten
Ehe des Herrn v. Bischofswerder, Kinder aus der ersten Ehe
der Frau v. Bischofswerder (mit dem Grafen Pinto) und Kin-
der aus der zweiten Ehe beider. Die gräflich Pinto'schen Kin-
der scheinen übrigens nur ausnahmsweise in Marquardt gewe-

Große um 1770 aus ſardiniſchen Dienſten (die Familie ſtammte
urſprünglich aus Portugal) nach Preußen berufen, zum
Flügeladjutanten gemacht und zum Mitgründer des unter ihm
gebildeten Generalſtabes, zum General-Feldbaumeiſter, zum
Maréchal de logis de l’armée und zum Generaladjutanten
ernannt hatte. Gleichzeitig hatte er ihm verſchiedene Güter in
Schleſien, darunter Mettkau im Neumarkter Kreiſe, ſo wie das
Incolat als ſchleſiſchen Grafen verliehen. Man ſieht, es war
dem Fräulein v. Tarrach das ſeltene Glück beſchieden, den
Günſtlingen zweier Könige die Hand reichen zu können.

Graf Pinto ſtarb 1788. Seine Wittwe, die Gräfin (geb.
1757), war damals 31 Jahr alt. Sie trat ſehr bald zu
Biſchofswerder, der etwa um eben dieſe Zeit Wittwer geworden
war, in nähere Beziehungen, und klug und ſchön wie ſie war,
(ſie „ſchoß“ ein wenig mit den Augen, und die mediſirenden
Hofleute ſagten: elle est belle, mais ses yeux „ne marchent
pas bien“
), nahm das Verhältniß einen Zärtlichkeitston an,
der wenigſtens damals zwiſchen Leuten von Welt zu den Aus-
nahmen zählte. Es ſcheint, dieſer Ton überdauerte ſelbſt die
Flitterwochen, die ſehr wahrſcheinlich in den Sommer 1789
oder 90 fielen. 1792 während des Champagne-Feldzuges
wurde von franzöſiſchen Truppen eine eben eingetroffene preu-
ßiſche Feldpoſt erbeutet und acht Tage ſpäter las irgend ein
Montagnard in der National-Verſammlung die Zeilen vor,
die Frau v. Biſchofswerder an ihren Gemahl ins Feldlager
gerichtet hatte. Der entſchieden lyriſche Grundton dieſes Brie-
fes erweckte die Heiterkeit der Verſammlung.

Das war in den erſten Jahren. Aber die Intimität blieb.
Ein Sohn und drei Töchter wurden aus dieſer zweiten Ehe
geboren, ſo daß damals im Marquardter Herrenhauſe alle Arten
von Stiefgeſchwiſtern anzutreffen waren: Kinder aus der erſten
Ehe des Herrn v. Biſchofswerder, Kinder aus der erſten Ehe
der Frau v. Biſchofswerder (mit dem Grafen Pinto) und Kin-
der aus der zweiten Ehe beider. Die gräflich Pinto’ſchen Kin-
der ſcheinen übrigens nur ausnahmsweiſe in Marquardt gewe-

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[278/0296] Große um 1770 aus ſardiniſchen Dienſten (die Familie ſtammte urſprünglich aus Portugal) nach Preußen berufen, zum Flügeladjutanten gemacht und zum Mitgründer des unter ihm gebildeten Generalſtabes, zum General-Feldbaumeiſter, zum Maréchal de logis de l’armée und zum Generaladjutanten ernannt hatte. Gleichzeitig hatte er ihm verſchiedene Güter in Schleſien, darunter Mettkau im Neumarkter Kreiſe, ſo wie das Incolat als ſchleſiſchen Grafen verliehen. Man ſieht, es war dem Fräulein v. Tarrach das ſeltene Glück beſchieden, den Günſtlingen zweier Könige die Hand reichen zu können. Graf Pinto ſtarb 1788. Seine Wittwe, die Gräfin (geb. 1757), war damals 31 Jahr alt. Sie trat ſehr bald zu Biſchofswerder, der etwa um eben dieſe Zeit Wittwer geworden war, in nähere Beziehungen, und klug und ſchön wie ſie war, (ſie „ſchoß“ ein wenig mit den Augen, und die mediſirenden Hofleute ſagten: elle est belle, mais ses yeux „ne marchent pas bien“), nahm das Verhältniß einen Zärtlichkeitston an, der wenigſtens damals zwiſchen Leuten von Welt zu den Aus- nahmen zählte. Es ſcheint, dieſer Ton überdauerte ſelbſt die Flitterwochen, die ſehr wahrſcheinlich in den Sommer 1789 oder 90 fielen. 1792 während des Champagne-Feldzuges wurde von franzöſiſchen Truppen eine eben eingetroffene preu- ßiſche Feldpoſt erbeutet und acht Tage ſpäter las irgend ein Montagnard in der National-Verſammlung die Zeilen vor, die Frau v. Biſchofswerder an ihren Gemahl ins Feldlager gerichtet hatte. Der entſchieden lyriſche Grundton dieſes Brie- fes erweckte die Heiterkeit der Verſammlung. Das war in den erſten Jahren. Aber die Intimität blieb. Ein Sohn und drei Töchter wurden aus dieſer zweiten Ehe geboren, ſo daß damals im Marquardter Herrenhauſe alle Arten von Stiefgeſchwiſtern anzutreffen waren: Kinder aus der erſten Ehe des Herrn v. Biſchofswerder, Kinder aus der erſten Ehe der Frau v. Biſchofswerder (mit dem Grafen Pinto) und Kin- der aus der zweiten Ehe beider. Die gräflich Pinto’ſchen Kin- der ſcheinen übrigens nur ausnahmsweiſe in Marquardt gewe-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/296>, abgerufen am 26.04.2024.