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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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auch an den Nachbildungen, wer ihn kennt, verhält sich ab-
lehnend gegen Alles, was heinisirt.

Gewiß -- und damit schließen wir -- ist Wolters-
dorf nicht den großen Gestalten zuzuzählen, dazu war er
zu wenig eine eigentliche Kraftnatur, im Gegentheil etwas
Krankhaftes zieht sich durch sein Leben und spiegelt sich in
seiner dichterischen Hyperproduction. Aber zweierlei wird ihm
verbleiben, und während er einerseits, modern zu sprechen,
immer als ein Musterbeispiel für den wunderbaren Einfluß
"des geistigen Fluidums über die träge Masse" dastehen
wird, wird er andrerseits, provinziell und local, eine
hervorragende Bedeutung als Kirchenlied-Dichter beanspruchen
dürfen. Mark Brandenburg hat keinen besseren,
hat keinen Zweiten, der sich neben ihm behaupten könnte.

Schloß Friedrichsfelde steht noch, wie es 1719 und 1735
aufgeführt wurde; das alte Pfarrhaus aber, abgelöst durch
einen unmittelbar neben ihm entstandenen Neubau, ist längst
hinüber. Ein Garten füllt jetzt den Platz, wo das alte stand,
und ein Birnbaum blüht jeden 31. Mai an derselben Stelle,
wo Woltersdorf der Dichter geboren wurde.


auch an den Nachbildungen, wer ihn kennt, verhält ſich ab-
lehnend gegen Alles, was heiniſirt.

Gewiß — und damit ſchließen wir — iſt Wolters-
dorf nicht den großen Geſtalten zuzuzählen, dazu war er
zu wenig eine eigentliche Kraftnatur, im Gegentheil etwas
Krankhaftes zieht ſich durch ſein Leben und ſpiegelt ſich in
ſeiner dichteriſchen Hyperproduction. Aber zweierlei wird ihm
verbleiben, und während er einerſeits, modern zu ſprechen,
immer als ein Muſterbeiſpiel für den wunderbaren Einfluß
„des geiſtigen Fluidums über die träge Maſſe“ daſtehen
wird, wird er andrerſeits, provinziell und local, eine
hervorragende Bedeutung als Kirchenlied-Dichter beanſpruchen
dürfen. Mark Brandenburg hat keinen beſſeren,
hat keinen Zweiten, der ſich neben ihm behaupten könnte.

Schloß Friedrichsfelde ſteht noch, wie es 1719 und 1735
aufgeführt wurde; das alte Pfarrhaus aber, abgelöſt durch
einen unmittelbar neben ihm entſtandenen Neubau, iſt längſt
hinüber. Ein Garten füllt jetzt den Platz, wo das alte ſtand,
und ein Birnbaum blüht jeden 31. Mai an derſelben Stelle,
wo Woltersdorf der Dichter geboren wurde.


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[429/0447] auch an den Nachbildungen, wer ihn kennt, verhält ſich ab- lehnend gegen Alles, was heiniſirt. Gewiß — und damit ſchließen wir — iſt Wolters- dorf nicht den großen Geſtalten zuzuzählen, dazu war er zu wenig eine eigentliche Kraftnatur, im Gegentheil etwas Krankhaftes zieht ſich durch ſein Leben und ſpiegelt ſich in ſeiner dichteriſchen Hyperproduction. Aber zweierlei wird ihm verbleiben, und während er einerſeits, modern zu ſprechen, immer als ein Muſterbeiſpiel für den wunderbaren Einfluß „des geiſtigen Fluidums über die träge Maſſe“ daſtehen wird, wird er andrerſeits, provinziell und local, eine hervorragende Bedeutung als Kirchenlied-Dichter beanſpruchen dürfen. Mark Brandenburg hat keinen beſſeren, hat keinen Zweiten, der ſich neben ihm behaupten könnte. Schloß Friedrichsfelde ſteht noch, wie es 1719 und 1735 aufgeführt wurde; das alte Pfarrhaus aber, abgelöſt durch einen unmittelbar neben ihm entſtandenen Neubau, iſt längſt hinüber. Ein Garten füllt jetzt den Platz, wo das alte ſtand, und ein Birnbaum blüht jeden 31. Mai an derſelben Stelle, wo Woltersdorf der Dichter geboren wurde.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/447>, abgerufen am 26.04.2024.