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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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umschließt seine Welt. Er ist hager und ausdauernd wie ein
Trapper, erfahren und lederfarben wie "Pfadfinder." Er ver-
steht auch zu sprechen.

Können Sie's glauben, so hebt er an, daß ich diese Straße
seit 20 Jahren nicht gekommen bin; ich fasse den Brieselang
immer von Norden her; hier unten bin ich ein Fremder. Ja,
vor 20 Jahren! Das war ein Tag, gerade so kalt, wie der
heutige warm ist. Wir hatten Wahl in Finkenkrug.

Im Finkenkrug?

Ja, in Finkenkrug. Er mag dadurch poetisch verlieren,
mehr verlieren als er politisch gewinnt, aber ich kann es nicht
ändern. Es war in Finkenkrug und ich kam mit dem Falken-
hagener Oberförster hier des Wegs. Die Pferde waren ganz
weiß, der Wald glitzerte; ich habe kein Rothkehlchen gesehn, so
todt war der Wald.

Und sie kamen an und stießen auf's leere Nest. Jeder
war zu Hause geblieben.

Fehlgeschossen. Viele Hunderte waren da, immer neue
Schlitten fuhren an, und ehe eine halbe Stunde um war, war
es nicht mehr möglich, die Ankommenden und Hereindrängenden
in den Stuben unterzubringen. Da rief Oberförster Brandt:
"Wir machen ein Feuer und tagen draußen." Allgemeiner
Jubel. Er war Oberförster, und die Paar Klafter
Holz, die nun bald lichterloh und mit Geprassel an zu brennen
fingen, wird er wohl nach oben hin verdefendiret haben. Es
war ein entzückendes Bild. Der glitzernde Wald, das verschneite
Haus, auf dessen weißes Dach die rothen Lichter fielen, und
um das Feuer herum, in Pelze gewickelt, all die havelländischen
Bredow's, die Ribbeck's, die Hünekes, Erxleben von Selbelang,
Risselmann von Schönwalde, dazwischen die Pastoren in ihren
Filial-Reisemänteln, endlich die Kutscher und Knechte mit ihren
Pferdedecken. Jede Stimme galt. Der alte Landrath v. Hobe
präsidirte und versicherte uns einmal über das andere, daß
v. Patow-Potsdam gewählt werden müsse.

Und was wurde?

umſchließt ſeine Welt. Er iſt hager und ausdauernd wie ein
Trapper, erfahren und lederfarben wie „Pfadfinder.“ Er ver-
ſteht auch zu ſprechen.

Können Sie’s glauben, ſo hebt er an, daß ich dieſe Straße
ſeit 20 Jahren nicht gekommen bin; ich faſſe den Brieſelang
immer von Norden her; hier unten bin ich ein Fremder. Ja,
vor 20 Jahren! Das war ein Tag, gerade ſo kalt, wie der
heutige warm iſt. Wir hatten Wahl in Finkenkrug.

Im Finkenkrug?

Ja, in Finkenkrug. Er mag dadurch poetiſch verlieren,
mehr verlieren als er politiſch gewinnt, aber ich kann es nicht
ändern. Es war in Finkenkrug und ich kam mit dem Falken-
hagener Oberförſter hier des Wegs. Die Pferde waren ganz
weiß, der Wald glitzerte; ich habe kein Rothkehlchen geſehn, ſo
todt war der Wald.

Und ſie kamen an und ſtießen auf’s leere Neſt. Jeder
war zu Hauſe geblieben.

Fehlgeſchoſſen. Viele Hunderte waren da, immer neue
Schlitten fuhren an, und ehe eine halbe Stunde um war, war
es nicht mehr möglich, die Ankommenden und Hereindrängenden
in den Stuben unterzubringen. Da rief Oberförſter Brandt:
„Wir machen ein Feuer und tagen draußen.“ Allgemeiner
Jubel. Er war Oberförſter, und die Paar Klafter
Holz, die nun bald lichterloh und mit Gepraſſel an zu brennen
fingen, wird er wohl nach oben hin verdefendiret haben. Es
war ein entzückendes Bild. Der glitzernde Wald, das verſchneite
Haus, auf deſſen weißes Dach die rothen Lichter fielen, und
um das Feuer herum, in Pelze gewickelt, all die havelländiſchen
Bredow’s, die Ribbeck’s, die Hünekes, Erxleben von Selbelang,
Riſſelmann von Schönwalde, dazwiſchen die Paſtoren in ihren
Filial-Reiſemänteln, endlich die Kutſcher und Knechte mit ihren
Pferdedecken. Jede Stimme galt. Der alte Landrath v. Hobe
präſidirte und verſicherte uns einmal über das andere, daß
v. Patow-Potsdam gewählt werden müſſe.

Und was wurde?

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[38/0056] umſchließt ſeine Welt. Er iſt hager und ausdauernd wie ein Trapper, erfahren und lederfarben wie „Pfadfinder.“ Er ver- ſteht auch zu ſprechen. Können Sie’s glauben, ſo hebt er an, daß ich dieſe Straße ſeit 20 Jahren nicht gekommen bin; ich faſſe den Brieſelang immer von Norden her; hier unten bin ich ein Fremder. Ja, vor 20 Jahren! Das war ein Tag, gerade ſo kalt, wie der heutige warm iſt. Wir hatten Wahl in Finkenkrug. Im Finkenkrug? Ja, in Finkenkrug. Er mag dadurch poetiſch verlieren, mehr verlieren als er politiſch gewinnt, aber ich kann es nicht ändern. Es war in Finkenkrug und ich kam mit dem Falken- hagener Oberförſter hier des Wegs. Die Pferde waren ganz weiß, der Wald glitzerte; ich habe kein Rothkehlchen geſehn, ſo todt war der Wald. Und ſie kamen an und ſtießen auf’s leere Neſt. Jeder war zu Hauſe geblieben. Fehlgeſchoſſen. Viele Hunderte waren da, immer neue Schlitten fuhren an, und ehe eine halbe Stunde um war, war es nicht mehr möglich, die Ankommenden und Hereindrängenden in den Stuben unterzubringen. Da rief Oberförſter Brandt: „Wir machen ein Feuer und tagen draußen.“ Allgemeiner Jubel. Er war Oberförſter, und die Paar Klafter Holz, die nun bald lichterloh und mit Gepraſſel an zu brennen fingen, wird er wohl nach oben hin verdefendiret haben. Es war ein entzückendes Bild. Der glitzernde Wald, das verſchneite Haus, auf deſſen weißes Dach die rothen Lichter fielen, und um das Feuer herum, in Pelze gewickelt, all die havelländiſchen Bredow’s, die Ribbeck’s, die Hünekes, Erxleben von Selbelang, Riſſelmann von Schönwalde, dazwiſchen die Paſtoren in ihren Filial-Reiſemänteln, endlich die Kutſcher und Knechte mit ihren Pferdedecken. Jede Stimme galt. Der alte Landrath v. Hobe präſidirte und verſicherte uns einmal über das andere, daß v. Patow-Potsdam gewählt werden müſſe. Und was wurde?

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/56>, abgerufen am 26.04.2024.