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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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als ein Sinnbild des Heidenthums, das in diesen Wäldern und
Sümpfen allerdings noch eine Stätte hatte. -- Der Markgraf
indeß erwiederte: "eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg,
von der aus unsere teuflischen Widersacher durch die Stimmen
geistlicher Männer weit fortgescheucht werden sollen, eine Burg,
in der ich ruhig den jüngsten Tag erwarten will." Und sofort
schickte er zum Abt des Cisterciencer-Klosters Sitichenbach,
im Mansfeldschen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder aus
seinem Convente, zur Gründung eines neuen Klosters, senden
möchte. Die Brüder kamen; Markgraf Otto aber gab dem
Kloster den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirschkuh im
Slavischen." So der böhmische Geschichtsschreiber.

Das Kloster wurde gebaut, vor allem die Kloster kirche.
Sie bestand in ihrer ursprünglichen Form bis zum Jahre 1262.
In diesem Jahre ließ die rasch wachsende Bedeutung des Klosters
das, was da war, nicht länger als ausreichend erscheinen, und
ein Anbau wurde beschlossen. Dieser Anbau fiel in die erste
Blüthezeit der Gothik, und mit der ganzen Unbefangenheit des
Mittelalters, das bekanntlich immer baute wie ihm gerade um's
Herz war, und keine Rücksichtnahme auf den Baustyl zurücklie-
gender Epochen kannte, wurde nunmehr das romanische
Kurzschiff der ersten Anlage durch ein gothisches
Längsschiff erweitert
. Dieser Erweiterungsbau hat der
Zeit und sonstigem Wirrsal schlechter zu widerstehen vermocht als
der ältere Theil der Kirche; -- das Alte steht, der Anbau liegt in
Trümmern; unsere Schilderung führt uns später auf ihn zurück.
Unsere nächsten Untersuchungen aber gehören der Geschichte
des Klosters. Wir knüpfen die Aufzählung seiner Schicksale an
eine Geschichte seiner Aebte.


als ein Sinnbild des Heidenthums, das in dieſen Wäldern und
Sümpfen allerdings noch eine Stätte hatte. — Der Markgraf
indeß erwiederte: „eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg,
von der aus unſere teufliſchen Widerſacher durch die Stimmen
geiſtlicher Männer weit fortgeſcheucht werden ſollen, eine Burg,
in der ich ruhig den jüngſten Tag erwarten will.“ Und ſofort
ſchickte er zum Abt des Ciſterciencer-Kloſters Sitichenbach,
im Mansfeldſchen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder aus
ſeinem Convente, zur Gründung eines neuen Kloſters, ſenden
möchte. Die Brüder kamen; Markgraf Otto aber gab dem
Kloſter den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirſchkuh im
Slaviſchen.“ So der böhmiſche Geſchichtsſchreiber.

Das Kloſter wurde gebaut, vor allem die Kloſter kirche.
Sie beſtand in ihrer urſprünglichen Form bis zum Jahre 1262.
In dieſem Jahre ließ die raſch wachſende Bedeutung des Kloſters
das, was da war, nicht länger als ausreichend erſcheinen, und
ein Anbau wurde beſchloſſen. Dieſer Anbau fiel in die erſte
Blüthezeit der Gothik, und mit der ganzen Unbefangenheit des
Mittelalters, das bekanntlich immer baute wie ihm gerade um’s
Herz war, und keine Rückſichtnahme auf den Bauſtyl zurücklie-
gender Epochen kannte, wurde nunmehr das romaniſche
Kurzſchiff der erſten Anlage durch ein gothiſches
Längsſchiff erweitert
. Dieſer Erweiterungsbau hat der
Zeit und ſonſtigem Wirrſal ſchlechter zu widerſtehen vermocht als
der ältere Theil der Kirche; — das Alte ſteht, der Anbau liegt in
Trümmern; unſere Schilderung führt uns ſpäter auf ihn zurück.
Unſere nächſten Unterſuchungen aber gehören der Geſchichte
des Kloſters. Wir knüpfen die Aufzählung ſeiner Schickſale an
eine Geſchichte ſeiner Aebte.


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[75/0093] als ein Sinnbild des Heidenthums, das in dieſen Wäldern und Sümpfen allerdings noch eine Stätte hatte. — Der Markgraf indeß erwiederte: „eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg, von der aus unſere teufliſchen Widerſacher durch die Stimmen geiſtlicher Männer weit fortgeſcheucht werden ſollen, eine Burg, in der ich ruhig den jüngſten Tag erwarten will.“ Und ſofort ſchickte er zum Abt des Ciſterciencer-Kloſters Sitichenbach, im Mansfeldſchen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder aus ſeinem Convente, zur Gründung eines neuen Kloſters, ſenden möchte. Die Brüder kamen; Markgraf Otto aber gab dem Kloſter den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirſchkuh im Slaviſchen.“ So der böhmiſche Geſchichtsſchreiber. Das Kloſter wurde gebaut, vor allem die Kloſter kirche. Sie beſtand in ihrer urſprünglichen Form bis zum Jahre 1262. In dieſem Jahre ließ die raſch wachſende Bedeutung des Kloſters das, was da war, nicht länger als ausreichend erſcheinen, und ein Anbau wurde beſchloſſen. Dieſer Anbau fiel in die erſte Blüthezeit der Gothik, und mit der ganzen Unbefangenheit des Mittelalters, das bekanntlich immer baute wie ihm gerade um’s Herz war, und keine Rückſichtnahme auf den Bauſtyl zurücklie- gender Epochen kannte, wurde nunmehr das romaniſche Kurzſchiff der erſten Anlage durch ein gothiſches Längsſchiff erweitert. Dieſer Erweiterungsbau hat der Zeit und ſonſtigem Wirrſal ſchlechter zu widerſtehen vermocht als der ältere Theil der Kirche; — das Alte ſteht, der Anbau liegt in Trümmern; unſere Schilderung führt uns ſpäter auf ihn zurück. Unſere nächſten Unterſuchungen aber gehören der Geſchichte des Kloſters. Wir knüpfen die Aufzählung ſeiner Schickſale an eine Geſchichte ſeiner Aebte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/93>, abgerufen am 26.04.2024.