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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Das dreißigjährige Leben der Prinzessin hat keine Spur zu-
rückgelassen, aber was ihrem Leben nicht gelang, das gelang ihrem
Tode. Henriette Marie starb in Schloß Cöpenick und ist in
der Schloßkapelle daselbst begraben worden. In der jedem Be-
sucher zugänglichen Gruft dieser Kapelle steht ein schwerer Eichen-
sarg, der auf seinem obersten Brett ein vergilbtes seidenes Kissen
und auf dem Kissen eine Krone von dünnem, verbogenen Gold-
blech trägt. Hebt man den Deckel vom Sarg, so erblickt man
in diesem die in ihrem achtzigsten Jahre verstorbene Prinzessin als
Mumie. Tüllhaube und Seidenband legen sich noch um Stirn
und Kinn und das schwere gelbe Brokatkleid zeigt noch seine Falten
und raschelt und knistert, als wär' es gestern gemacht.

Wir schließen den Sargdeckel wieder und steigen aus der Gruft
in die Kapelle zurück. Eine hohe, reich verzierte Decke wölbt sich
über uns und macht den Eindruck des Freundlichen ohne den
des Feierlichen vermissen zu lassen, links vom Altar aber, in einen
Fensterpfeiler eingefügt, gewahren wir eine prächtige Tafel von
polirtem schwarzen Marmor, auf der wir in Goldbuchstaben fol-
gende Worte lesen: "Diese Gruft umschließt die verweslichen Ueber-
reste der durchlauchtigsten Fürstin und Frau, Henriette Marie,
geborene Prinzessin von Preußen und Brandenburg, vermählte
Erbprinzessin und Herzogin von Würtemberg und Teck. Sie war
geboren den 11. März 1702, vermählt den 8. December 1716 mit
dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Würtemberg, ward
Wittwe den 23. November 1731, entschlief in dem Herrn den
7. Mai 1782. Dieses Denkmal setzet ihr ihre einzige Tochter
Louise Friederike, Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, geborne
Herzogin von Würtemberg und Teck."


Die Zeit des Grafen Schmettau von 1804--1806.

Nach dem Tode Henriette Marie's wurde Schloß Cöpenick
völlig vernachlässigt und endlich im Jahre 1804 an den Grafen
Friedrich Wilhelm Carl von Schmettau verkauft. Dieser Graf
Schmettau, ein besonderer Liebling Friedrich's II., ist derselbe,

Das dreißigjährige Leben der Prinzeſſin hat keine Spur zu-
rückgelaſſen, aber was ihrem Leben nicht gelang, das gelang ihrem
Tode. Henriette Marie ſtarb in Schloß Cöpenick und iſt in
der Schloßkapelle daſelbſt begraben worden. In der jedem Be-
ſucher zugänglichen Gruft dieſer Kapelle ſteht ein ſchwerer Eichen-
ſarg, der auf ſeinem oberſten Brett ein vergilbtes ſeidenes Kiſſen
und auf dem Kiſſen eine Krone von dünnem, verbogenen Gold-
blech trägt. Hebt man den Deckel vom Sarg, ſo erblickt man
in dieſem die in ihrem achtzigſten Jahre verſtorbene Prinzeſſin als
Mumie. Tüllhaube und Seidenband legen ſich noch um Stirn
und Kinn und das ſchwere gelbe Brokatkleid zeigt noch ſeine Falten
und raſchelt und kniſtert, als wär’ es geſtern gemacht.

Wir ſchließen den Sargdeckel wieder und ſteigen aus der Gruft
in die Kapelle zurück. Eine hohe, reich verzierte Decke wölbt ſich
über uns und macht den Eindruck des Freundlichen ohne den
des Feierlichen vermiſſen zu laſſen, links vom Altar aber, in einen
Fenſterpfeiler eingefügt, gewahren wir eine prächtige Tafel von
polirtem ſchwarzen Marmor, auf der wir in Goldbuchſtaben fol-
gende Worte leſen: „Dieſe Gruft umſchließt die verweslichen Ueber-
reſte der durchlauchtigſten Fürſtin und Frau, Henriette Marie,
geborene Prinzeſſin von Preußen und Brandenburg, vermählte
Erbprinzeſſin und Herzogin von Würtemberg und Teck. Sie war
geboren den 11. März 1702, vermählt den 8. December 1716 mit
dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Würtemberg, ward
Wittwe den 23. November 1731, entſchlief in dem Herrn den
7. Mai 1782. Dieſes Denkmal ſetzet ihr ihre einzige Tochter
Louiſe Friederike, Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, geborne
Herzogin von Würtemberg und Teck.“


Die Zeit des Grafen Schmettau von 1804—1806.

Nach dem Tode Henriette Marie’s wurde Schloß Cöpenick
völlig vernachläſſigt und endlich im Jahre 1804 an den Grafen
Friedrich Wilhelm Carl von Schmettau verkauft. Dieſer Graf
Schmettau, ein beſonderer Liebling Friedrich’s II., iſt derſelbe,

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[101/0117] Das dreißigjährige Leben der Prinzeſſin hat keine Spur zu- rückgelaſſen, aber was ihrem Leben nicht gelang, das gelang ihrem Tode. Henriette Marie ſtarb in Schloß Cöpenick und iſt in der Schloßkapelle daſelbſt begraben worden. In der jedem Be- ſucher zugänglichen Gruft dieſer Kapelle ſteht ein ſchwerer Eichen- ſarg, der auf ſeinem oberſten Brett ein vergilbtes ſeidenes Kiſſen und auf dem Kiſſen eine Krone von dünnem, verbogenen Gold- blech trägt. Hebt man den Deckel vom Sarg, ſo erblickt man in dieſem die in ihrem achtzigſten Jahre verſtorbene Prinzeſſin als Mumie. Tüllhaube und Seidenband legen ſich noch um Stirn und Kinn und das ſchwere gelbe Brokatkleid zeigt noch ſeine Falten und raſchelt und kniſtert, als wär’ es geſtern gemacht. Wir ſchließen den Sargdeckel wieder und ſteigen aus der Gruft in die Kapelle zurück. Eine hohe, reich verzierte Decke wölbt ſich über uns und macht den Eindruck des Freundlichen ohne den des Feierlichen vermiſſen zu laſſen, links vom Altar aber, in einen Fenſterpfeiler eingefügt, gewahren wir eine prächtige Tafel von polirtem ſchwarzen Marmor, auf der wir in Goldbuchſtaben fol- gende Worte leſen: „Dieſe Gruft umſchließt die verweslichen Ueber- reſte der durchlauchtigſten Fürſtin und Frau, Henriette Marie, geborene Prinzeſſin von Preußen und Brandenburg, vermählte Erbprinzeſſin und Herzogin von Würtemberg und Teck. Sie war geboren den 11. März 1702, vermählt den 8. December 1716 mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Würtemberg, ward Wittwe den 23. November 1731, entſchlief in dem Herrn den 7. Mai 1782. Dieſes Denkmal ſetzet ihr ihre einzige Tochter Louiſe Friederike, Herzogin von Mecklenburg-Schwerin, geborne Herzogin von Würtemberg und Teck.“ Die Zeit des Grafen Schmettau von 1804—1806. Nach dem Tode Henriette Marie’s wurde Schloß Cöpenick völlig vernachläſſigt und endlich im Jahre 1804 an den Grafen Friedrich Wilhelm Carl von Schmettau verkauft. Dieſer Graf Schmettau, ein beſonderer Liebling Friedrich’s II., iſt derſelbe,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/117>, abgerufen am 27.04.2024.