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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Es paßte zu dieser ihrer Erscheinung, daß sie eine Vorliebe
für alles Englische und eine Abneigung gegen alles Französische
hatte, was ihr denn auch seitens der französischen Memoiren-
Schriftsteller jener Epoche, Mirabeau an der Spitze, nachgetragen
wurde. Der ihr oft gemachte Vorwurf der "Anglomanie" traf
sie jedoch durchaus nicht; sie vermied es nur nach Möglichkeit sich
der damals allgemein üblichen französischen Sprache zu bedienen.

Der Prinz von Preußen, später König Friedrich Wilhelm II.,
zeigte sich allem Anscheine nach gleich vom ersten Augenblick an
enchantirt, denn schon wenige Monate nach dem Erscheinen Juliens
am Hofe begegnen wir im Tagebuch ihrer Tante den folgenden Auf-
zeichnungen.

1784 und 85.

"Julie gefällt dem Prinzen mehr als mir lieb ist. Er spricht
viel von ihr. Ich fürchte, sie ist nicht unempfindlich für seine
Bewundrung, und sie wird sich durch ein solches Gefühl nur
selbst unglücklich machen." Einige Wochen später: "Die Prin-
zessin von Preußen ist eifersüchtig auf Julie." Endlich im
December 84. "Ich hatte eine lange Unterredung mit dem
Prinzen und hielt ihm sein Unrecht vor, Julie mit seiner Leiden-
schaft zu verfolgen; ich sagte ihm, daß er sie dadurch nur un-
glücklich machen werde, ja, ich sagte ihm meine ganze Meinung
und die ganze Wahrheit mit allem Ernst. Er versprach mir
sein Benehmen zu ändern und Alles zu thun, was ich wollte.
Er hatte später noch eine Explikation mit Juli selbst und ich
weiß, daß sie ihm Vorwürfe gemacht hat und mit Recht, daß
er ihrem Ruf auf eine unverzeihliche Weise schade. Auch kam
er sehr traurig und niedergeschlagen von ihr zurück. Ich sagte
ihm noch einmal ernstlich, er müsse dieser Sache ein Ende
machen und er gelobte es mir."

drittes Bild, in Pastell ausgeführt, besaß eine vor Kurzem in dem hohen
Alter von über 90 Jahren verstorbene Frau v. Häseler. Im Hause derselben hab
ich es oft gesehen. Die Gräfin trug auf demselben ein Morgenkostüm, eine
Art Tüllspenser mit vielen krausgetollten Kragen. Durch die Fülle blonden
Haares zog sich ein schwarzes Sammtband. Augen und Teint sehr schön.
Dies Portrait rührte von Frau v. Sydow, einer Freundin der Ingenheim, her.
Fontane, Wanderungen. IV. 12

Es paßte zu dieſer ihrer Erſcheinung, daß ſie eine Vorliebe
für alles Engliſche und eine Abneigung gegen alles Franzöſiſche
hatte, was ihr denn auch ſeitens der franzöſiſchen Memoiren-
Schriftſteller jener Epoche, Mirabeau an der Spitze, nachgetragen
wurde. Der ihr oft gemachte Vorwurf der „Anglomanie“ traf
ſie jedoch durchaus nicht; ſie vermied es nur nach Möglichkeit ſich
der damals allgemein üblichen franzöſiſchen Sprache zu bedienen.

Der Prinz von Preußen, ſpäter König Friedrich Wilhelm II.,
zeigte ſich allem Anſcheine nach gleich vom erſten Augenblick an
enchantirt, denn ſchon wenige Monate nach dem Erſcheinen Juliens
am Hofe begegnen wir im Tagebuch ihrer Tante den folgenden Auf-
zeichnungen.

1784 und 85.

„Julie gefällt dem Prinzen mehr als mir lieb iſt. Er ſpricht
viel von ihr. Ich fürchte, ſie iſt nicht unempfindlich für ſeine
Bewundrung, und ſie wird ſich durch ein ſolches Gefühl nur
ſelbſt unglücklich machen.“ Einige Wochen ſpäter: „Die Prin-
zeſſin von Preußen iſt eiferſüchtig auf Julie.“ Endlich im
December 84. „Ich hatte eine lange Unterredung mit dem
Prinzen und hielt ihm ſein Unrecht vor, Julie mit ſeiner Leiden-
ſchaft zu verfolgen; ich ſagte ihm, daß er ſie dadurch nur un-
glücklich machen werde, ja, ich ſagte ihm meine ganze Meinung
und die ganze Wahrheit mit allem Ernſt. Er verſprach mir
ſein Benehmen zu ändern und Alles zu thun, was ich wollte.
Er hatte ſpäter noch eine Explikation mit Juli ſelbſt und ich
weiß, daß ſie ihm Vorwürfe gemacht hat und mit Recht, daß
er ihrem Ruf auf eine unverzeihliche Weiſe ſchade. Auch kam
er ſehr traurig und niedergeſchlagen von ihr zurück. Ich ſagte
ihm noch einmal ernſtlich, er müſſe dieſer Sache ein Ende
machen und er gelobte es mir.“

drittes Bild, in Paſtell ausgeführt, beſaß eine vor Kurzem in dem hohen
Alter von über 90 Jahren verſtorbene Frau v. Häſeler. Im Hauſe derſelben hab
ich es oft geſehen. Die Gräfin trug auf demſelben ein Morgenkoſtüm, eine
Art Tüllſpenſer mit vielen krausgetollten Kragen. Durch die Fülle blonden
Haares zog ſich ein ſchwarzes Sammtband. Augen und Teint ſehr ſchön.
Dies Portrait rührte von Frau v. Sydow, einer Freundin der Ingenheim, her.
Fontane, Wanderungen. IV. 12
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[177/0193] Es paßte zu dieſer ihrer Erſcheinung, daß ſie eine Vorliebe für alles Engliſche und eine Abneigung gegen alles Franzöſiſche hatte, was ihr denn auch ſeitens der franzöſiſchen Memoiren- Schriftſteller jener Epoche, Mirabeau an der Spitze, nachgetragen wurde. Der ihr oft gemachte Vorwurf der „Anglomanie“ traf ſie jedoch durchaus nicht; ſie vermied es nur nach Möglichkeit ſich der damals allgemein üblichen franzöſiſchen Sprache zu bedienen. Der Prinz von Preußen, ſpäter König Friedrich Wilhelm II., zeigte ſich allem Anſcheine nach gleich vom erſten Augenblick an enchantirt, denn ſchon wenige Monate nach dem Erſcheinen Juliens am Hofe begegnen wir im Tagebuch ihrer Tante den folgenden Auf- zeichnungen. 1784 und 85. „Julie gefällt dem Prinzen mehr als mir lieb iſt. Er ſpricht viel von ihr. Ich fürchte, ſie iſt nicht unempfindlich für ſeine Bewundrung, und ſie wird ſich durch ein ſolches Gefühl nur ſelbſt unglücklich machen.“ Einige Wochen ſpäter: „Die Prin- zeſſin von Preußen iſt eiferſüchtig auf Julie.“ Endlich im December 84. „Ich hatte eine lange Unterredung mit dem Prinzen und hielt ihm ſein Unrecht vor, Julie mit ſeiner Leiden- ſchaft zu verfolgen; ich ſagte ihm, daß er ſie dadurch nur un- glücklich machen werde, ja, ich ſagte ihm meine ganze Meinung und die ganze Wahrheit mit allem Ernſt. Er verſprach mir ſein Benehmen zu ändern und Alles zu thun, was ich wollte. Er hatte ſpäter noch eine Explikation mit Juli ſelbſt und ich weiß, daß ſie ihm Vorwürfe gemacht hat und mit Recht, daß er ihrem Ruf auf eine unverzeihliche Weiſe ſchade. Auch kam er ſehr traurig und niedergeſchlagen von ihr zurück. Ich ſagte ihm noch einmal ernſtlich, er müſſe dieſer Sache ein Ende machen und er gelobte es mir.“ **) **) drittes Bild, in Paſtell ausgeführt, beſaß eine vor Kurzem in dem hohen Alter von über 90 Jahren verſtorbene Frau v. Häſeler. Im Hauſe derſelben hab ich es oft geſehen. Die Gräfin trug auf demſelben ein Morgenkoſtüm, eine Art Tüllſpenſer mit vielen krausgetollten Kragen. Durch die Fülle blonden Haares zog ſich ein ſchwarzes Sammtband. Augen und Teint ſehr ſchön. Dies Portrait rührte von Frau v. Sydow, einer Freundin der Ingenheim, her. Fontane, Wanderungen. IV. 12

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/193>, abgerufen am 26.04.2024.