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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Nickel Minckwitz demüthigt sich vor dem Kurfürsten und
der Streit wird geschlichtet
.

Es war dies Schreiben, wie schon angedeutet, auf die
Schwächen und Empfindlichkeiten des Kurfürsten sehr geschickt be-
rechnet, und wohl möglich, daß es in dem gewünschten Sinne
gewirkt und energischere Schritte veranlaßt hätte, wenn nicht eben
jetzt von andrer Seite her ein Ausgleich gekommen wäre. Die
Zeit war nämlich nun da, wo der seit Jahren beim Reichskammer-
gericht schwebende Prozeß, über die bereits stattgehabte Reichsachts-
Erklärung hinaus, einer endgültigen Entscheidung entgegensah,
einer Entscheidung, von der nicht blos Nickel Minckwitz, sondern,
was wichtiger war, auch die verschiedenen Freunde, die sich für ihn
verbürgt, allerlei zu befürchten hatten. Und dies wurde schließlich
Grund, daß man Minckwitz bestimmte, sich vor dem Kurfürsten
zu demüthigen. Es geschah dies ceremoniös, im Stil einer
Staatsaction, und am 22. October 1534 erschien Beklagter auf
dem Schlosse zu Cölln an der Spree vor großer und feierlicher
Versammlung, um zunächst vor dem Kurfürsten einen Fußfall und
gleich danach vor dem Bischof und der Gesammtheit der Stände
"demüthiglich Abbitte zu thun". Und nachdem dies vorüber,
erklärten Minckwitzens in Person anwesende Freunde: Graf Mans-
feld, Graf Eberstein-Naugard, vier Grafen Schlick, Johann Burg-
graf zu Dohna auf Königsbrück, ein Herr von Biberstein, Jan
von Schönburg zu Hoyerswerda, acht Ritter und fünfundzwanzig
andre angesehene Edelleute "daß sie sich verpflichteten, dem Kur-
fürsten mit zweihundert wohlgerüsteten Pferden auf ihre Kosten
und Gefahr vier Monate lang getreue Kriegsdienste leisten zu
wollen, eine Verpflichtung, die durch Minckwitzens Tod nicht
aufgehoben werden solle". Zugleich verbürgten sie sich für diesen
letzteren dahin, daß er (Minckwitz) sich an Niemanden rächen, auch
alle Orte, wo der Kurfürst verweile, desgleichen auch die Stadt
Fürstenwalde für immer meiden solle.

Die Handlung schloß damit, daß der Kurfürst und der
Bischof ihm Verzeihung angedeihen ließen und ihn wieder in
Gnaden annahmen. Ja Joachim, so wenigstens wird erzählt, soll
entzückt von der klugen Art, die der Beklagte während all dieser

Nickel Minckwitz demüthigt ſich vor dem Kurfürſten und
der Streit wird geſchlichtet
.

Es war dies Schreiben, wie ſchon angedeutet, auf die
Schwächen und Empfindlichkeiten des Kurfürſten ſehr geſchickt be-
rechnet, und wohl möglich, daß es in dem gewünſchten Sinne
gewirkt und energiſchere Schritte veranlaßt hätte, wenn nicht eben
jetzt von andrer Seite her ein Ausgleich gekommen wäre. Die
Zeit war nämlich nun da, wo der ſeit Jahren beim Reichskammer-
gericht ſchwebende Prozeß, über die bereits ſtattgehabte Reichsachts-
Erklärung hinaus, einer endgültigen Entſcheidung entgegenſah,
einer Entſcheidung, von der nicht blos Nickel Minckwitz, ſondern,
was wichtiger war, auch die verſchiedenen Freunde, die ſich für ihn
verbürgt, allerlei zu befürchten hatten. Und dies wurde ſchließlich
Grund, daß man Minckwitz beſtimmte, ſich vor dem Kurfürſten
zu demüthigen. Es geſchah dies ceremoniös, im Stil einer
Staatsaction, und am 22. October 1534 erſchien Beklagter auf
dem Schloſſe zu Cölln an der Spree vor großer und feierlicher
Verſammlung, um zunächſt vor dem Kurfürſten einen Fußfall und
gleich danach vor dem Biſchof und der Geſammtheit der Stände
„demüthiglich Abbitte zu thun“. Und nachdem dies vorüber,
erklärten Minckwitzens in Perſon anweſende Freunde: Graf Mans-
feld, Graf Eberſtein-Naugard, vier Grafen Schlick, Johann Burg-
graf zu Dohna auf Königsbrück, ein Herr von Biberſtein, Jan
von Schönburg zu Hoyerswerda, acht Ritter und fünfundzwanzig
andre angeſehene Edelleute „daß ſie ſich verpflichteten, dem Kur-
fürſten mit zweihundert wohlgerüſteten Pferden auf ihre Koſten
und Gefahr vier Monate lang getreue Kriegsdienſte leiſten zu
wollen, eine Verpflichtung, die durch Minckwitzens Tod nicht
aufgehoben werden ſolle“. Zugleich verbürgten ſie ſich für dieſen
letzteren dahin, daß er (Minckwitz) ſich an Niemanden rächen, auch
alle Orte, wo der Kurfürſt verweile, desgleichen auch die Stadt
Fürſtenwalde für immer meiden ſolle.

Die Handlung ſchloß damit, daß der Kurfürſt und der
Biſchof ihm Verzeihung angedeihen ließen und ihn wieder in
Gnaden annahmen. Ja Joachim, ſo wenigſtens wird erzählt, ſoll
entzückt von der klugen Art, die der Beklagte während all dieſer

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[52/0068] Nickel Minckwitz demüthigt ſich vor dem Kurfürſten und der Streit wird geſchlichtet. Es war dies Schreiben, wie ſchon angedeutet, auf die Schwächen und Empfindlichkeiten des Kurfürſten ſehr geſchickt be- rechnet, und wohl möglich, daß es in dem gewünſchten Sinne gewirkt und energiſchere Schritte veranlaßt hätte, wenn nicht eben jetzt von andrer Seite her ein Ausgleich gekommen wäre. Die Zeit war nämlich nun da, wo der ſeit Jahren beim Reichskammer- gericht ſchwebende Prozeß, über die bereits ſtattgehabte Reichsachts- Erklärung hinaus, einer endgültigen Entſcheidung entgegenſah, einer Entſcheidung, von der nicht blos Nickel Minckwitz, ſondern, was wichtiger war, auch die verſchiedenen Freunde, die ſich für ihn verbürgt, allerlei zu befürchten hatten. Und dies wurde ſchließlich Grund, daß man Minckwitz beſtimmte, ſich vor dem Kurfürſten zu demüthigen. Es geſchah dies ceremoniös, im Stil einer Staatsaction, und am 22. October 1534 erſchien Beklagter auf dem Schloſſe zu Cölln an der Spree vor großer und feierlicher Verſammlung, um zunächſt vor dem Kurfürſten einen Fußfall und gleich danach vor dem Biſchof und der Geſammtheit der Stände „demüthiglich Abbitte zu thun“. Und nachdem dies vorüber, erklärten Minckwitzens in Perſon anweſende Freunde: Graf Mans- feld, Graf Eberſtein-Naugard, vier Grafen Schlick, Johann Burg- graf zu Dohna auf Königsbrück, ein Herr von Biberſtein, Jan von Schönburg zu Hoyerswerda, acht Ritter und fünfundzwanzig andre angeſehene Edelleute „daß ſie ſich verpflichteten, dem Kur- fürſten mit zweihundert wohlgerüſteten Pferden auf ihre Koſten und Gefahr vier Monate lang getreue Kriegsdienſte leiſten zu wollen, eine Verpflichtung, die durch Minckwitzens Tod nicht aufgehoben werden ſolle“. Zugleich verbürgten ſie ſich für dieſen letzteren dahin, daß er (Minckwitz) ſich an Niemanden rächen, auch alle Orte, wo der Kurfürſt verweile, desgleichen auch die Stadt Fürſtenwalde für immer meiden ſolle. Die Handlung ſchloß damit, daß der Kurfürſt und der Biſchof ihm Verzeihung angedeihen ließen und ihn wieder in Gnaden annahmen. Ja Joachim, ſo wenigſtens wird erzählt, ſoll entzückt von der klugen Art, die der Beklagte während all dieſer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/68>, abgerufen am 27.04.2024.