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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Fünfzehntes Kapitel.

Mitte August war Effi abgereist, Ende Sep¬
tember war sie wieder in Kessin. Manchmal in den
zwischenliegenden sechs Wochen hatte sie's zurück¬
verlangt; als sie aber wieder da war und in den
dunklen Flur eintrat, auf den nur von der Treppen¬
stiege her ein etwas fahles Licht fiel, wurde ihr mit
einemmal wieder bang, und sie sagte leise: "Solch
fahles, gelbes Licht giebt es in Hohen-Cremmen
gar nicht."

Ja, ein paarmal, während ihrer Hohen-Cremmer
Tage, hatte sie Sehnsucht nach dem "verwunschenen
Hause" gehabt, alles in allem aber war ihr doch
das Leben daheim voller Glück und Zufriedenheit
gewesen. Mit Hulda freilich, die's nicht verwinden
konnte, noch immer auf Mann oder Bräutigam
warten zu müssen, hatte sie sich nicht recht stellen
können, desto besser dagegen mit den Zwillingen,
und mehr als einmal, wenn sie mit ihnen Ball

Fünfzehntes Kapitel.

Mitte Auguſt war Effi abgereiſt, Ende Sep¬
tember war ſie wieder in Keſſin. Manchmal in den
zwiſchenliegenden ſechs Wochen hatte ſie's zurück¬
verlangt; als ſie aber wieder da war und in den
dunklen Flur eintrat, auf den nur von der Treppen¬
ſtiege her ein etwas fahles Licht fiel, wurde ihr mit
einemmal wieder bang, und ſie ſagte leiſe: „Solch
fahles, gelbes Licht giebt es in Hohen-Cremmen
gar nicht.“

Ja, ein paarmal, während ihrer Hohen-Cremmer
Tage, hatte ſie Sehnſucht nach dem „verwunſchenen
Hauſe“ gehabt, alles in allem aber war ihr doch
das Leben daheim voller Glück und Zufriedenheit
geweſen. Mit Hulda freilich, die's nicht verwinden
konnte, noch immer auf Mann oder Bräutigam
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[[202]/0211] Fünfzehntes Kapitel. Mitte Auguſt war Effi abgereiſt, Ende Sep¬ tember war ſie wieder in Keſſin. Manchmal in den zwiſchenliegenden ſechs Wochen hatte ſie's zurück¬ verlangt; als ſie aber wieder da war und in den dunklen Flur eintrat, auf den nur von der Treppen¬ ſtiege her ein etwas fahles Licht fiel, wurde ihr mit einemmal wieder bang, und ſie ſagte leiſe: „Solch fahles, gelbes Licht giebt es in Hohen-Cremmen gar nicht.“ Ja, ein paarmal, während ihrer Hohen-Cremmer Tage, hatte ſie Sehnſucht nach dem „verwunſchenen Hauſe“ gehabt, alles in allem aber war ihr doch das Leben daheim voller Glück und Zufriedenheit geweſen. Mit Hulda freilich, die's nicht verwinden konnte, noch immer auf Mann oder Bräutigam warten zu müſſen, hatte ſie ſich nicht recht ſtellen können, deſto beſſer dagegen mit den Zwillingen, und mehr als einmal, wenn ſie mit ihnen Ball

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [202]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/211>, abgerufen am 26.04.2024.