Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Fünfunddreißigstes Kapitel.

Effi war den ganzen Tag draußen im Park,
weil sie das Luftbedürfnis hatte: der alte Friesacker
Dr. Wiesike war auch einverstanden damit, gab ihr
aber in diesem Stücke doch zuviel Freiheit, zu thun,
was sie wolle, so daß sie sich während der kalten
Tage im Mai heftig erkältete: sie wurde fiebrig,
hustete viel, und der Doktor, der sonst jeden dritten
Tag herüber kam, kam jetzt täglich und war in Ver¬
legenheit, wie er der Sache beikommen solle, denn die
Schlaf- und Hustenmittel, nach denen Effi verlangte,
konnten ihr des Fiebers halber nicht gegeben werden.

"Doktor," sagte der alte Briest, "was wird aus
der Geschichte? Sie kennen sie ja von klein auf,
haben sie geholt. Mir gefällt das alles nicht; sie
nimmt sichtlich ab, und die roten Flecke und der
Glanz in den Augen, wenn sie mich mit einemmale
so fragend ansieht. Was meinen Sie? Was wird?
Muß sie sterben?"

Fünfunddreißigſtes Kapitel.

Effi war den ganzen Tag draußen im Park,
weil ſie das Luftbedürfnis hatte: der alte Frieſacker
Dr. Wieſike war auch einverſtanden damit, gab ihr
aber in dieſem Stücke doch zuviel Freiheit, zu thun,
was ſie wolle, ſo daß ſie ſich während der kalten
Tage im Mai heftig erkältete: ſie wurde fiebrig,
huſtete viel, und der Doktor, der ſonſt jeden dritten
Tag herüber kam, kam jetzt täglich und war in Ver¬
legenheit, wie er der Sache beikommen ſolle, denn die
Schlaf- und Huſtenmittel, nach denen Effi verlangte,
konnten ihr des Fiebers halber nicht gegeben werden.

„Doktor,“ ſagte der alte Brieſt, „was wird aus
der Geſchichte? Sie kennen ſie ja von klein auf,
haben ſie geholt. Mir gefällt das alles nicht; ſie
nimmt ſichtlich ab, und die roten Flecke und der
Glanz in den Augen, wenn ſie mich mit einemmale
ſo fragend anſieht. Was meinen Sie? Was wird?
Muß ſie ſterben?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0505" n="[496]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Fünfunddreißig&#x017F;tes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <p>Effi war den ganzen Tag draußen im Park,<lb/>
weil &#x017F;ie das Luftbedürfnis hatte: der alte Frie&#x017F;acker<lb/>
Dr. Wie&#x017F;ike war auch einver&#x017F;tanden damit, gab ihr<lb/>
aber in die&#x017F;em Stücke doch zuviel Freiheit, zu thun,<lb/>
was &#x017F;ie wolle, &#x017F;o daß &#x017F;ie &#x017F;ich während der kalten<lb/>
Tage im Mai heftig erkältete: &#x017F;ie wurde fiebrig,<lb/>
hu&#x017F;tete viel, und der Doktor, der &#x017F;on&#x017F;t jeden dritten<lb/>
Tag herüber kam, kam jetzt täglich und war in Ver¬<lb/>
legenheit, wie er der Sache beikommen &#x017F;olle, denn die<lb/>
Schlaf- und Hu&#x017F;tenmittel, nach denen Effi verlangte,<lb/>
konnten ihr des Fiebers halber nicht gegeben werden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Doktor,&#x201C; &#x017F;agte der alte Brie&#x017F;t, &#x201E;was wird aus<lb/>
der Ge&#x017F;chichte? Sie kennen &#x017F;ie ja von klein auf,<lb/>
haben &#x017F;ie geholt. Mir gefällt das alles nicht; &#x017F;ie<lb/>
nimmt &#x017F;ichtlich ab, und die roten Flecke und der<lb/>
Glanz in den Augen, wenn &#x017F;ie mich mit einemmale<lb/>
&#x017F;o fragend an&#x017F;ieht. Was meinen Sie? Was wird?<lb/>
Muß &#x017F;ie &#x017F;terben?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[496]/0505] Fünfunddreißigſtes Kapitel. Effi war den ganzen Tag draußen im Park, weil ſie das Luftbedürfnis hatte: der alte Frieſacker Dr. Wieſike war auch einverſtanden damit, gab ihr aber in dieſem Stücke doch zuviel Freiheit, zu thun, was ſie wolle, ſo daß ſie ſich während der kalten Tage im Mai heftig erkältete: ſie wurde fiebrig, huſtete viel, und der Doktor, der ſonſt jeden dritten Tag herüber kam, kam jetzt täglich und war in Ver¬ legenheit, wie er der Sache beikommen ſolle, denn die Schlaf- und Huſtenmittel, nach denen Effi verlangte, konnten ihr des Fiebers halber nicht gegeben werden. „Doktor,“ ſagte der alte Brieſt, „was wird aus der Geſchichte? Sie kennen ſie ja von klein auf, haben ſie geholt. Mir gefällt das alles nicht; ſie nimmt ſichtlich ab, und die roten Flecke und der Glanz in den Augen, wenn ſie mich mit einemmale ſo fragend anſieht. Was meinen Sie? Was wird? Muß ſie ſterben?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/505
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [496]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/505>, abgerufen am 26.04.2024.