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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Und was sagt Dein Vater dazu?"

"Gar nichts. Der ist nicht so. Und dann
kennt er ja doch die Mama. Er neckt sie bloß."

In diesem Augenblick schlug es Mittag, und ehe es
noch ausgeschlagen, erschien Wilke, das alte Briest'sche
Haus- und Familienfaktotum, um an Fräulein Effi
zu bestellen: "Die gnädige Frau ließe bitten, daß
das gnädige Fräulein zu rechter Zeit auch Toilette
mache; gleich nach Eins würde der Herr Baron
wohl vorfahren." Und während Wilke dies noch
vermeldete, begann er auch schon auf dem Arbeits¬
tisch der Damen abzuräumen und griff dabei zu¬
nächst nach dem Zeitungsblatt, auf dem die Stachel¬
beerschalen lagen.

"Nein, Wilke, nicht so; das mit den Schlusen,
das ist unsere Sache ... Hertha, Du mußt nun die
Tüte machen und einen Stein hinein thun, daß
alles besser versinken kann. Und dann wollen wir in
einem langen Trauerzug aufbrechen und die Tüte
auf offener See begraben."

Wilke schmunzelte. "Is doch ein Daus, unser
Fräulein," so etwa gingen seine Gedanken; Effi aber,
während sie die Tüte mitten auf die rasch zusammen¬
geraffte Tischdecke legte, sagte: "Nun fassen wir alle
vier an, jeder an einem Zipfel und singen was
Trauriges."

Effi Brieſt

„Und was ſagt Dein Vater dazu?“

„Gar nichts. Der iſt nicht ſo. Und dann
kennt er ja doch die Mama. Er neckt ſie bloß.“

In dieſem Augenblick ſchlug es Mittag, und ehe es
noch ausgeſchlagen, erſchien Wilke, das alte Brieſt'ſche
Haus- und Familienfaktotum, um an Fräulein Effi
zu beſtellen: „Die gnädige Frau ließe bitten, daß
das gnädige Fräulein zu rechter Zeit auch Toilette
mache; gleich nach Eins würde der Herr Baron
wohl vorfahren.“ Und während Wilke dies noch
vermeldete, begann er auch ſchon auf dem Arbeits¬
tiſch der Damen abzuräumen und griff dabei zu¬
nächſt nach dem Zeitungsblatt, auf dem die Stachel¬
beerſchalen lagen.

„Nein, Wilke, nicht ſo; das mit den Schluſen,
das iſt unſere Sache … Hertha, Du mußt nun die
Tüte machen und einen Stein hinein thun, daß
alles beſſer verſinken kann. Und dann wollen wir in
einem langen Trauerzug aufbrechen und die Tüte
auf offener See begraben.“

Wilke ſchmunzelte. „Is doch ein Daus, unſer
Fräulein,“ ſo etwa gingen ſeine Gedanken; Effi aber,
während ſie die Tüte mitten auf die raſch zuſammen¬
geraffte Tiſchdecke legte, ſagte: „Nun faſſen wir alle
vier an, jeder an einem Zipfel und ſingen was
Trauriges.“

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[13/0022] Effi Brieſt „Und was ſagt Dein Vater dazu?“ „Gar nichts. Der iſt nicht ſo. Und dann kennt er ja doch die Mama. Er neckt ſie bloß.“ In dieſem Augenblick ſchlug es Mittag, und ehe es noch ausgeſchlagen, erſchien Wilke, das alte Brieſt'ſche Haus- und Familienfaktotum, um an Fräulein Effi zu beſtellen: „Die gnädige Frau ließe bitten, daß das gnädige Fräulein zu rechter Zeit auch Toilette mache; gleich nach Eins würde der Herr Baron wohl vorfahren.“ Und während Wilke dies noch vermeldete, begann er auch ſchon auf dem Arbeits¬ tiſch der Damen abzuräumen und griff dabei zu¬ nächſt nach dem Zeitungsblatt, auf dem die Stachel¬ beerſchalen lagen. „Nein, Wilke, nicht ſo; das mit den Schluſen, das iſt unſere Sache … Hertha, Du mußt nun die Tüte machen und einen Stein hinein thun, daß alles beſſer verſinken kann. Und dann wollen wir in einem langen Trauerzug aufbrechen und die Tüte auf offener See begraben.“ Wilke ſchmunzelte. „Is doch ein Daus, unſer Fräulein,“ ſo etwa gingen ſeine Gedanken; Effi aber, während ſie die Tüte mitten auf die raſch zuſammen¬ geraffte Tiſchdecke legte, ſagte: „Nun faſſen wir alle vier an, jeder an einem Zipfel und ſingen was Trauriges.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/22>, abgerufen am 27.04.2024.