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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Zweiundvierzigstes Kapitel.

So ging das Gespräch. Und als Lorenzen auf¬
brach, fühlte sich der Alte wie belebt und versprach sich
eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängstigung.

Aber es kam anders; die Nacht verlief schlecht, und
als der Morgen da war und Engelke das Frühstück
brachte, sagte Dubslav: "Engelke, schaff die Wabe weg;
ich kann das süße Zeug nicht mehr sehn. Krippenstapel
hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬
haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur."

"Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die
Gegenkraft kann die Wabe nich an."

"Du meinst also: ,für 'n Tod kein Kraut ge¬
wachsen ist'. Ja, das wird es wohl sein; das mein'
ich auch."

Engelke schwieg.


Eine Stunde später kam ein Brief, der, trotzdem
er aus nächster Nähe stammte, doch durch die Post be¬
fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte
die durch Koseleger und sie selbst geplante Gründung
eines Rettungshauses für verwahrloste Kinder und äußerte
sich am Schlusse dahin, daß, "wenn sich -- hoffentlich
binnen kurzem -- ihre Wünsche für Dubslavs fort¬
schreitende Gesundheit erfüllt haben würden," Agnes, das

Zweiundvierzigſtes Kapitel.

So ging das Geſpräch. Und als Lorenzen auf¬
brach, fühlte ſich der Alte wie belebt und verſprach ſich
eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängſtigung.

Aber es kam anders; die Nacht verlief ſchlecht, und
als der Morgen da war und Engelke das Frühſtück
brachte, ſagte Dubslav: „Engelke, ſchaff die Wabe weg;
ich kann das ſüße Zeug nicht mehr ſehn. Krippenſtapel
hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬
haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur.“

„Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die
Gegenkraft kann die Wabe nich an.“

„Du meinſt alſo: ‚für 'n Tod kein Kraut ge¬
wachſen iſt‘. Ja, das wird es wohl ſein; das mein'
ich auch.“

Engelke ſchwieg.


Eine Stunde ſpäter kam ein Brief, der, trotzdem
er aus nächſter Nähe ſtammte, doch durch die Poſt be¬
fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte
die durch Koſeleger und ſie ſelbſt geplante Gründung
eines Rettungshauſes für verwahrloſte Kinder und äußerte
ſich am Schluſſe dahin, daß, „wenn ſich — hoffentlich
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ſchreitende Geſundheit erfüllt haben würden,“ Agnes, das

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[[492]/0499] Zweiundvierzigſtes Kapitel. So ging das Geſpräch. Und als Lorenzen auf¬ brach, fühlte ſich der Alte wie belebt und verſprach ſich eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängſtigung. Aber es kam anders; die Nacht verlief ſchlecht, und als der Morgen da war und Engelke das Frühſtück brachte, ſagte Dubslav: „Engelke, ſchaff die Wabe weg; ich kann das ſüße Zeug nicht mehr ſehn. Krippenſtapel hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬ haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur.“ „Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die Gegenkraft kann die Wabe nich an.“ „Du meinſt alſo: ‚für 'n Tod kein Kraut ge¬ wachſen iſt‘. Ja, das wird es wohl ſein; das mein' ich auch.“ Engelke ſchwieg. Eine Stunde ſpäter kam ein Brief, der, trotzdem er aus nächſter Nähe ſtammte, doch durch die Poſt be¬ fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte die durch Koſeleger und ſie ſelbſt geplante Gründung eines Rettungshauſes für verwahrloſte Kinder und äußerte ſich am Schluſſe dahin, daß, „wenn ſich — hoffentlich binnen kurzem — ihre Wünſche für Dubslavs fort¬ ſchreitende Geſundheit erfüllt haben würden,“ Agnes, das

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [492]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/499>, abgerufen am 26.04.2024.