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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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anfaßt, immer grad' in der Mitte. Und dazu auch noch
'nen roten Schlips."

"Es sind aber schwarze Käfer drin."

"Ja, die sind drin, aber ganz kleine. Das machen
sie so, damit es nicht jeder gleich merkt, wes Geistes
Kind so einer ist, und wohin er eigentlich gehört. Aber
ich merk' es doch, auch wenn er an Kaiser Wilhelms
Geburtstag mit 'ner papiernen Kornblume kommt. Also
du sagst ihm, ich sei nicht da."

Engelke widersprach nicht, hatte jedoch so seine
Gedanken dabei. "Der alte Doktor ist weg und den
neuen will er nicht. Un den aus Wutz will er auch
nich, weil der so viel mit der Domina zusammenhockt.
Un dabei kommt er doch immer mehr 'runter. Er denkt:
,Es is noch nich so schlimm.' Aber es is schlimm.
Is genau so wie mit Bäcker Knaack. Un Kluckhuhn
sagte mir schon vorige Woche: ,Engelke, glaube mir, es
wird nichts; ich weiß Bescheid.'"


Das war am Montag. Am Freitag fuhr Moscheles
wieder vor und verfärbte sich, als Engelke sagte, ,der
gnäd'ge Herr sei nicht da'.

"So, so. Nicht da."

Das war doch etwas stark. Moscheles stieg also
wieder auf seinen Wagen und bestärkte sich, während
er nach Gransee zurückfuhr, in seinen durchaus ab¬
lehnenden Anschauungen über den derzeitigen Gesell¬
schaftszustand. "Einer ist wie der andre. Was wir
brauchen, is ein Generalkladderadatsch, Krach, tabula
rasa
." Zugleich war er entschlossen, von einem er¬
neuten Krankenbesuch abzustehen. "Der gnäd'ge Herr
auf, von und zu Stechlin kann mich ja rufen lassen,
wenn er mich braucht. Hoffentlich unterläßt er's."

anfaßt, immer grad’ in der Mitte. Und dazu auch noch
’nen roten Schlips.“

„Es ſind aber ſchwarze Käfer drin.“

„Ja, die ſind drin, aber ganz kleine. Das machen
ſie ſo, damit es nicht jeder gleich merkt, wes Geiſtes
Kind ſo einer iſt, und wohin er eigentlich gehört. Aber
ich merk’ es doch, auch wenn er an Kaiſer Wilhelms
Geburtstag mit ’ner papiernen Kornblume kommt. Alſo
du ſagſt ihm, ich ſei nicht da.“

Engelke widerſprach nicht, hatte jedoch ſo ſeine
Gedanken dabei. „Der alte Doktor iſt weg und den
neuen will er nicht. Un den aus Wutz will er auch
nich, weil der ſo viel mit der Domina zuſammenhockt.
Un dabei kommt er doch immer mehr ’runter. Er denkt:
‚Es is noch nich ſo ſchlimm.‘ Aber es is ſchlimm.
Is genau ſo wie mit Bäcker Knaack. Un Kluckhuhn
ſagte mir ſchon vorige Woche: ‚Engelke, glaube mir, es
wird nichts; ich weiß Beſcheid.‘“


Das war am Montag. Am Freitag fuhr Moſcheles
wieder vor und verfärbte ſich, als Engelke ſagte, ‚der
gnäd’ge Herr ſei nicht da‘.

„So, ſo. Nicht da.“

Das war doch etwas ſtark. Moſcheles ſtieg alſo
wieder auf ſeinen Wagen und beſtärkte ſich, während
er nach Granſee zurückfuhr, in ſeinen durchaus ab¬
lehnenden Anſchauungen über den derzeitigen Geſell¬
ſchaftszuſtand. „Einer iſt wie der andre. Was wir
brauchen, is ein Generalkladderadatſch, Krach, tabula
rasa
.“ Zugleich war er entſchloſſen, von einem er¬
neuten Krankenbeſuch abzuſtehen. „Der gnäd’ge Herr
auf, von und zu Stechlin kann mich ja rufen laſſen,
wenn er mich braucht. Hoffentlich unterläßt er’s.“

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[440/0447] anfaßt, immer grad’ in der Mitte. Und dazu auch noch ’nen roten Schlips.“ „Es ſind aber ſchwarze Käfer drin.“ „Ja, die ſind drin, aber ganz kleine. Das machen ſie ſo, damit es nicht jeder gleich merkt, wes Geiſtes Kind ſo einer iſt, und wohin er eigentlich gehört. Aber ich merk’ es doch, auch wenn er an Kaiſer Wilhelms Geburtstag mit ’ner papiernen Kornblume kommt. Alſo du ſagſt ihm, ich ſei nicht da.“ Engelke widerſprach nicht, hatte jedoch ſo ſeine Gedanken dabei. „Der alte Doktor iſt weg und den neuen will er nicht. Un den aus Wutz will er auch nich, weil der ſo viel mit der Domina zuſammenhockt. Un dabei kommt er doch immer mehr ’runter. Er denkt: ‚Es is noch nich ſo ſchlimm.‘ Aber es is ſchlimm. Is genau ſo wie mit Bäcker Knaack. Un Kluckhuhn ſagte mir ſchon vorige Woche: ‚Engelke, glaube mir, es wird nichts; ich weiß Beſcheid.‘“ Das war am Montag. Am Freitag fuhr Moſcheles wieder vor und verfärbte ſich, als Engelke ſagte, ‚der gnäd’ge Herr ſei nicht da‘. „So, ſo. Nicht da.“ Das war doch etwas ſtark. Moſcheles ſtieg alſo wieder auf ſeinen Wagen und beſtärkte ſich, während er nach Granſee zurückfuhr, in ſeinen durchaus ab¬ lehnenden Anſchauungen über den derzeitigen Geſell¬ ſchaftszuſtand. „Einer iſt wie der andre. Was wir brauchen, is ein Generalkladderadatſch, Krach, tabula rasa.“ Zugleich war er entſchloſſen, von einem er¬ neuten Krankenbeſuch abzuſtehen. „Der gnäd’ge Herr auf, von und zu Stechlin kann mich ja rufen laſſen, wenn er mich braucht. Hoffentlich unterläßt er’s.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/447>, abgerufen am 26.04.2024.