Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

der blinden Abgötterei, die der Pöbel hier
wirklich mit Reliquien treibt, welche den
ächten Religionsverehrern unter den Katho¬
liken selbst ein Ärgerniss geben. Wenn die
Legende von den elftausend Jungfrauen auch
so wahr wäre, wie sie schwer zu glauben
ist, so bliebe doch der Anblick ihrer Kno¬
chen in der Ursulakirche darum nicht min¬
der scheusslich und empörend. Allein, dass
man die Stirne hat, dieses zusammengeraffte
Gemisch von Menschen- und Pferdeknochen,
welches vermuthlich einmal ein Schlachtfeld
deckte, für ein Heiligthum auszugeben, und
dass die Köllner sich auf diese Heiligkeit todt¬
schlagen lassen, oder, was noch schlimmer
ist, den kühnen Zweifler selbst leicht ohne
Umstände todtschlagen könnten: das zeugt
von der dicken Finsterniss, welche hier in
Religionssachen herrscht. Es wäre wohl
einer gründlichen Nachforschung werth, ob

G 4

der blinden Abgötterei, die der Pöbel hier
wirklich mit Reliquien treibt, welche den
ächten Religionsverehrern unter den Katho¬
liken selbst ein Ärgerniſs geben. Wenn die
Legende von den elftausend Jungfrauen auch
so wahr wäre, wie sie schwer zu glauben
ist, so bliebe doch der Anblick ihrer Kno¬
chen in der Ursulakirche darum nicht min¬
der scheuſslich und empörend. Allein, daſs
man die Stirne hat, dieses zusammengeraffte
Gemisch von Menschen- und Pferdeknochen,
welches vermuthlich einmal ein Schlachtfeld
deckte, für ein Heiligthum auszugeben, und
daſs die Köllner sich auf diese Heiligkeit todt¬
schlagen lassen, oder, was noch schlimmer
ist, den kühnen Zweifler selbst leicht ohne
Umstände todtschlagen könnten: das zeugt
von der dicken Finsterniſs, welche hier in
Religionssachen herrscht. Es wäre wohl
einer gründlichen Nachforschung werth, ob

G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="103"/>
der blinden Abgötterei, die der Pöbel hier<lb/>
wirklich mit Reliquien treibt, welche den<lb/>
ächten Religionsverehrern unter den Katho¬<lb/>
liken selbst ein Ärgerni&#x017F;s geben. Wenn die<lb/>
Legende von den elftausend Jungfrauen auch<lb/>
so wahr wäre, wie sie schwer zu glauben<lb/>
ist, so bliebe doch der Anblick ihrer Kno¬<lb/>
chen in der Ursulakirche darum nicht min¬<lb/>
der scheu&#x017F;slich und empörend. Allein, da&#x017F;s<lb/>
man die Stirne hat, dieses zusammengeraffte<lb/>
Gemisch von Menschen- und Pferdeknochen,<lb/>
welches vermuthlich einmal ein Schlachtfeld<lb/>
deckte, für ein Heiligthum auszugeben, und<lb/>
da&#x017F;s die Köllner sich auf diese Heiligkeit todt¬<lb/>
schlagen lassen, oder, was noch schlimmer<lb/>
ist, den kühnen Zweifler selbst leicht ohne<lb/>
Umstände todtschlagen könnten: das zeugt<lb/>
von der dicken Finsterni&#x017F;s, welche hier in<lb/>
Religionssachen herrscht. Es wäre wohl<lb/>
einer gründlichen Nachforschung werth, ob<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 4<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0115] der blinden Abgötterei, die der Pöbel hier wirklich mit Reliquien treibt, welche den ächten Religionsverehrern unter den Katho¬ liken selbst ein Ärgerniſs geben. Wenn die Legende von den elftausend Jungfrauen auch so wahr wäre, wie sie schwer zu glauben ist, so bliebe doch der Anblick ihrer Kno¬ chen in der Ursulakirche darum nicht min¬ der scheuſslich und empörend. Allein, daſs man die Stirne hat, dieses zusammengeraffte Gemisch von Menschen- und Pferdeknochen, welches vermuthlich einmal ein Schlachtfeld deckte, für ein Heiligthum auszugeben, und daſs die Köllner sich auf diese Heiligkeit todt¬ schlagen lassen, oder, was noch schlimmer ist, den kühnen Zweifler selbst leicht ohne Umstände todtschlagen könnten: das zeugt von der dicken Finsterniſs, welche hier in Religionssachen herrscht. Es wäre wohl einer gründlichen Nachforschung werth, ob G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/115
Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/115>, abgerufen am 26.04.2024.