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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Zehntes Hauptstück.
Nachricht von unserm Aufenthalt auf den
Societäts-
Inseln
.

Der Wind, mit welchem wir von Tahiti seegelten, ward nach Untergang1773.
Septem-
ber.

der Sonne frischer und beschleunigte unsre Entfernung von dieser glück-
lichen Insel, die wir jedoch beym Mondenlicht noch immer sehen konnten.

Am folgenden Tage, den 2ten September, um 11 Uhr, erblickten
wir die Insel Huaheine, die ohngefähr 25 See-Meilen weit von Tahiti
liegt und vom Capitain Cook am eilften Jul. 1769 entdeckt wurde. Viele
unsrer Leute empfanden nunmehro schon die Folgen ihres liederlichen Umgangs
mit den Frauenspersonen in Matavai-Bay, doch hatten alle dergleichen Pa-
tienten die Krankheit nur in einem sehr gelinden und gutartigen Grade. Man
hat darüber gestritten, ob dies Uebel, durch französische oder durch englische See-
fahrer, nach Tahiti gebracht worden? ohne daran zu denken, daß, zum
Vortheil beyder streitenden Partheyen, noch ein dritter Fall möglich sey. Warum
sollte man nicht annehmen dürfen, daß diese Krankheit bereits auf der Insel
vorhanden war, ehe noch irgend ein Europäer dahin kam? Der Umstand, "daß
keiner von des Capitain Wallis Leuten hier angesteckt worden," ist dieser
Hypothese wenigstens nicht entgegen, denn er beweiset nur so viel, daß gerade
die Frauensleute rein gewesen sind, mit denen jene zu thun gehabt. Es kann
ja leicht seyn, daß die Einwohner alle mit dieser Seuche behaftete Weibsperso-
nen damals ausdrücklich von den Europäern zurückgehalten haben, weil sie den
Zorn der mächtigen Fremdlinge auf sich zu laden fürchteten, wenn sie denselben
ein so häßliches Ubel zubrächten. *) Wir hörten zwar von einer andern Krank-
heit, welche sie O-päh-no-Peppe (das Geschwür von Peppe) nannten, und
vorgaben, daß ihnen solche von dem eben so genannten Schiffe zugeführet wor-
den sey, welches zwey, oder wie andre wollten, drey, ja gar fünf Monathe
vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beschreibung der

*) S. Bougainville's Reisen und Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen in 4. zwey-
ter Band,
pag. 230. Herr von B. zweifelt, ob die Krankheit vor seiner Ankunft zu
Tahiti gewesen sey; der Engländer ist positiver in seiner Meynung.
in den Jahren 1772 bis 1775.
Zehntes Hauptſtuͤck.
Nachricht von unſerm Aufenthalt auf den
Societaͤts-
Inſeln
.

Der Wind, mit welchem wir von Tahiti ſeegelten, ward nach Untergang1773.
Septem-
ber.

der Sonne friſcher und beſchleunigte unſre Entfernung von dieſer gluͤck-
lichen Inſel, die wir jedoch beym Mondenlicht noch immer ſehen konnten.

Am folgenden Tage, den 2ten September, um 11 Uhr, erblickten
wir die Inſel Huaheine, die ohngefaͤhr 25 See-Meilen weit von Tahiti
liegt und vom Capitain Cook am eilften Jul. 1769 entdeckt wurde. Viele
unſrer Leute empfanden nunmehro ſchon die Folgen ihres liederlichen Umgangs
mit den Frauensperſonen in Matavai-Bay, doch hatten alle dergleichen Pa-
tienten die Krankheit nur in einem ſehr gelinden und gutartigen Grade. Man
hat daruͤber geſtritten, ob dies Uebel, durch franzoͤſiſche oder durch engliſche See-
fahrer, nach Tahiti gebracht worden? ohne daran zu denken, daß, zum
Vortheil beyder ſtreitenden Partheyen, noch ein dritter Fall moͤglich ſey. Warum
ſollte man nicht annehmen duͤrfen, daß dieſe Krankheit bereits auf der Inſel
vorhanden war, ehe noch irgend ein Europaͤer dahin kam? Der Umſtand, “daß
keiner von des Capitain Wallis Leuten hier angeſteckt worden,” iſt dieſer
Hypotheſe wenigſtens nicht entgegen, denn er beweiſet nur ſo viel, daß gerade
die Frauensleute rein geweſen ſind, mit denen jene zu thun gehabt. Es kann
ja leicht ſeyn, daß die Einwohner alle mit dieſer Seuche behaftete Weibsperſo-
nen damals ausdruͤcklich von den Europaͤern zuruͤckgehalten haben, weil ſie den
Zorn der maͤchtigen Fremdlinge auf ſich zu laden fuͤrchteten, wenn ſie denſelben
ein ſo haͤßliches Ubel zubraͤchten. *) Wir hoͤrten zwar von einer andern Krank-
heit, welche ſie O-paͤh-no-Peppe (das Geſchwuͤr von Peppe) nannten, und
vorgaben, daß ihnen ſolche von dem eben ſo genannten Schiffe zugefuͤhret wor-
den ſey, welches zwey, oder wie andre wollten, drey, ja gar fuͤnf Monathe
vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beſchreibung der

*) S. Bougainville’s Reiſen und Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen in 4. zwey-
ter Band,
pag. 230. Herr von B. zweifelt, ob die Krankheit vor ſeiner Ankunft zu
Tahiti geweſen ſey; der Englaͤnder iſt poſitiver in ſeiner Meynung.
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[279/0334] in den Jahren 1772 bis 1775. Zehntes Hauptſtuͤck. Nachricht von unſerm Aufenthalt auf den Societaͤts- Inſeln. Der Wind, mit welchem wir von Tahiti ſeegelten, ward nach Untergang der Sonne friſcher und beſchleunigte unſre Entfernung von dieſer gluͤck- lichen Inſel, die wir jedoch beym Mondenlicht noch immer ſehen konnten. 1773. Septem- ber. Am folgenden Tage, den 2ten September, um 11 Uhr, erblickten wir die Inſel Huaheine, die ohngefaͤhr 25 See-Meilen weit von Tahiti liegt und vom Capitain Cook am eilften Jul. 1769 entdeckt wurde. Viele unſrer Leute empfanden nunmehro ſchon die Folgen ihres liederlichen Umgangs mit den Frauensperſonen in Matavai-Bay, doch hatten alle dergleichen Pa- tienten die Krankheit nur in einem ſehr gelinden und gutartigen Grade. Man hat daruͤber geſtritten, ob dies Uebel, durch franzoͤſiſche oder durch engliſche See- fahrer, nach Tahiti gebracht worden? ohne daran zu denken, daß, zum Vortheil beyder ſtreitenden Partheyen, noch ein dritter Fall moͤglich ſey. Warum ſollte man nicht annehmen duͤrfen, daß dieſe Krankheit bereits auf der Inſel vorhanden war, ehe noch irgend ein Europaͤer dahin kam? Der Umſtand, “daß keiner von des Capitain Wallis Leuten hier angeſteckt worden,” iſt dieſer Hypotheſe wenigſtens nicht entgegen, denn er beweiſet nur ſo viel, daß gerade die Frauensleute rein geweſen ſind, mit denen jene zu thun gehabt. Es kann ja leicht ſeyn, daß die Einwohner alle mit dieſer Seuche behaftete Weibsperſo- nen damals ausdruͤcklich von den Europaͤern zuruͤckgehalten haben, weil ſie den Zorn der maͤchtigen Fremdlinge auf ſich zu laden fuͤrchteten, wenn ſie denſelben ein ſo haͤßliches Ubel zubraͤchten. *) Wir hoͤrten zwar von einer andern Krank- heit, welche ſie O-paͤh-no-Peppe (das Geſchwuͤr von Peppe) nannten, und vorgaben, daß ihnen ſolche von dem eben ſo genannten Schiffe zugefuͤhret wor- den ſey, welches zwey, oder wie andre wollten, drey, ja gar fuͤnf Monathe vor uns, hier vor Anker gelegen hatte: Allein, nach der Beſchreibung der *) S. Bougainville’s Reiſen und Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen in 4. zwey- ter Band, pag. 230. Herr von B. zweifelt, ob die Krankheit vor ſeiner Ankunft zu Tahiti geweſen ſey; der Englaͤnder iſt poſitiver in ſeiner Meynung.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/334>, abgerufen am 26.04.2024.