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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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leicht auch nicht. Das Haus aber könnte ich noch malen.
Es sprang aus einem Dickicht hervor; Tannen, so
hoch, wie ich keine wieder gesehen, und am Giebel war
aus Stein ein Hundekopf angebracht und darüber eine
Krone von Gold.

"Die Muhme hieß Justine. So nannte sie we¬
nigstens das Frauenzimmer, das sie wohl Tag für
Tag besuchte. "Vom Schlosse her," wie die Muhme
sagte; ich habe aber niemals ein Schloß gesehen. Die¬
ses Frauenzimmer war Fräulein Hardine. Ob sie
jung oder alt gewesen ist, kann ich so eigentlich nicht
sagen, auch nicht, ob sie es gut oder böse mit mir ge¬
meint. Ich glaube aber gut zu jener Zeit. Gemacht
habe ich mir niemals etwas aus ihr. Gemerkt aber,
zum Wiedererkennen gemerkt hätte ich sie mir, glaub'
ich, schon aus jener Zeit. Es war etwas an ihr, das
sich nicht vergißt. Was, das kann ich wieder einmal
nicht sagen.

"Eines Tages saß ich eingesperrt mit Fräulein
Hardine in einem engen Kasten, der sich fortbewegte.
Item in einer Kutsche. Von Anfang machte ich große
Augen, da ich die Bäume am Wege so hurtig an
mir vorüberrennen sah. Ich sehe sie noch rennen,
Lisette. Bald aber kriegte ich das Ding satt, tobte,

leicht auch nicht. Das Haus aber könnte ich noch malen.
Es ſprang aus einem Dickicht hervor; Tannen, ſo
hoch, wie ich keine wieder geſehen, und am Giebel war
aus Stein ein Hundekopf angebracht und darüber eine
Krone von Gold.

„Die Muhme hieß Juſtine. So nannte ſie we¬
nigſtens das Frauenzimmer, das ſie wohl Tag für
Tag beſuchte. „Vom Schloſſe her,“ wie die Muhme
ſagte; ich habe aber niemals ein Schloß geſehen. Die¬
ſes Frauenzimmer war Fräulein Hardine. Ob ſie
jung oder alt geweſen iſt, kann ich ſo eigentlich nicht
ſagen, auch nicht, ob ſie es gut oder böſe mit mir ge¬
meint. Ich glaube aber gut zu jener Zeit. Gemacht
habe ich mir niemals etwas aus ihr. Gemerkt aber,
zum Wiedererkennen gemerkt hätte ich ſie mir, glaub'
ich, ſchon aus jener Zeit. Es war etwas an ihr, das
ſich nicht vergißt. Was, das kann ich wieder einmal
nicht ſagen.

„Eines Tages ſaß ich eingeſperrt mit Fräulein
Hardine in einem engen Kaſten, der ſich fortbewegte.
Item in einer Kutſche. Von Anfang machte ich große
Augen, da ich die Bäume am Wege ſo hurtig an
mir vorüberrennen ſah. Ich ſehe ſie noch rennen,
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[12/0019] leicht auch nicht. Das Haus aber könnte ich noch malen. Es ſprang aus einem Dickicht hervor; Tannen, ſo hoch, wie ich keine wieder geſehen, und am Giebel war aus Stein ein Hundekopf angebracht und darüber eine Krone von Gold. „Die Muhme hieß Juſtine. So nannte ſie we¬ nigſtens das Frauenzimmer, das ſie wohl Tag für Tag beſuchte. „Vom Schloſſe her,“ wie die Muhme ſagte; ich habe aber niemals ein Schloß geſehen. Die¬ ſes Frauenzimmer war Fräulein Hardine. Ob ſie jung oder alt geweſen iſt, kann ich ſo eigentlich nicht ſagen, auch nicht, ob ſie es gut oder böſe mit mir ge¬ meint. Ich glaube aber gut zu jener Zeit. Gemacht habe ich mir niemals etwas aus ihr. Gemerkt aber, zum Wiedererkennen gemerkt hätte ich ſie mir, glaub' ich, ſchon aus jener Zeit. Es war etwas an ihr, das ſich nicht vergißt. Was, das kann ich wieder einmal nicht ſagen. „Eines Tages ſaß ich eingeſperrt mit Fräulein Hardine in einem engen Kaſten, der ſich fortbewegte. Item in einer Kutſche. Von Anfang machte ich große Augen, da ich die Bäume am Wege ſo hurtig an mir vorüberrennen ſah. Ich ſehe ſie noch rennen, Liſette. Bald aber kriegte ich das Ding ſatt, tobte,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/19>, abgerufen am 26.04.2024.