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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Von den Kräften in hitzigen Krankheiten.
§. 37.

Traurige Erfahrungen haben Tissot belehrt,
daß hitzige Krankheiten bey den Selbstbefleckern allemal
sehr gefährlich sind; denn sie haben bey denselben nicht
ihren ordentlichen Gang; es schlagen sich ausserordent-
liche Zufälle dazu, und die Paroxismen halten nicht
ihre sonst gewöhnlichen Perioden; die Natur versagt
ihren Beystand. Die Kunst soll hier alles thun. Da
aber diese niemals eine vollständige Scheidung bewirkt,
so bleibt der Patient, wenn die Hauptkrankheit nach
vielen Mühseeligkeiten überstanden ist, noch immer
in einem schwächlichen Zustande, und gelangt nicht zur
vollkommenen Wiedergenesung, wofern er nicht fort-
fährt, sich in allen Stücken auf alle nur ersinnliche
Weise in acht zu nehmen; unterläst er diese Sorgfalt
so verfällt er in eine langwierige Krankheit. Ueber-
haupt weichen durch einen unmäßigen Beyschlaf, wie
durch andere entkräftende Ursachen, die Krankheiten
aus ihrer natürlichen Ordnung. Die Aerzte, sagt
Zimmermann, welche ihre Kunst in grossen Städten
ausüben, wissen am besten, wie sehr die Unzucht der
Venerischen ihre Krankheiten verschlimmert, verwickelt
und unkennbar macht." Der Gang der Krankheiten in
solchen Geschöpfen ist unregelmäßig, ihre Zufälle wider-
sprechend; keine Hilfe in der Leibesbeschaffenheit; unvoll-
kommne oder gar keine Entscheidungen, Ermattungen
und tausenderley Ueberbleibsel sind die Folgen derseben.

Wie bedenklich die Krankheiten der Gelehrten
sind, beweisen uns so manche traurige, zu frühzeiti-

ge
Von den Kraͤften in hitzigen Krankheiten.
§. 37.

Traurige Erfahrungen haben Tiſſot belehrt,
daß hitzige Krankheiten bey den Selbſtbefleckern allemal
ſehr gefaͤhrlich ſind; denn ſie haben bey denſelben nicht
ihren ordentlichen Gang; es ſchlagen ſich auſſerordent-
liche Zufaͤlle dazu, und die Paroxismen halten nicht
ihre ſonſt gewoͤhnlichen Perioden; die Natur verſagt
ihren Beyſtand. Die Kunſt ſoll hier alles thun. Da
aber dieſe niemals eine vollſtaͤndige Scheidung bewirkt,
ſo bleibt der Patient, wenn die Hauptkrankheit nach
vielen Muͤhſeeligkeiten uͤberſtanden iſt, noch immer
in einem ſchwaͤchlichen Zuſtande, und gelangt nicht zur
vollkommenen Wiedergeneſung, wofern er nicht fort-
faͤhrt, ſich in allen Stuͤcken auf alle nur erſinnliche
Weiſe in acht zu nehmen; unterlaͤſt er dieſe Sorgfalt
ſo verfaͤllt er in eine langwierige Krankheit. Ueber-
haupt weichen durch einen unmaͤßigen Beyſchlaf, wie
durch andere entkraͤftende Urſachen, die Krankheiten
aus ihrer natuͤrlichen Ordnung. Die Aerzte, ſagt
Zimmermann, welche ihre Kunſt in groſſen Staͤdten
ausuͤben, wiſſen am beſten, wie ſehr die Unzucht der
Veneriſchen ihre Krankheiten verſchlimmert, verwickelt
und unkennbar macht.„ Der Gang der Krankheiten in
ſolchen Geſchoͤpfen iſt unregelmaͤßig, ihre Zufaͤlle wider-
ſprechend; keine Hilfe in der Leibesbeſchaffenheit; unvoll-
kommne oder gar keine Entſcheidungen, Ermattungen
und tauſenderley Ueberbleibſel ſind die Folgen derſeben.

Wie bedenklich die Krankheiten der Gelehrten
ſind, beweiſen uns ſo manche traurige, zu fruͤhzeiti-

ge
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[351/0370] Von den Kraͤften in hitzigen Krankheiten. §. 37. Traurige Erfahrungen haben Tiſſot belehrt, daß hitzige Krankheiten bey den Selbſtbefleckern allemal ſehr gefaͤhrlich ſind; denn ſie haben bey denſelben nicht ihren ordentlichen Gang; es ſchlagen ſich auſſerordent- liche Zufaͤlle dazu, und die Paroxismen halten nicht ihre ſonſt gewoͤhnlichen Perioden; die Natur verſagt ihren Beyſtand. Die Kunſt ſoll hier alles thun. Da aber dieſe niemals eine vollſtaͤndige Scheidung bewirkt, ſo bleibt der Patient, wenn die Hauptkrankheit nach vielen Muͤhſeeligkeiten uͤberſtanden iſt, noch immer in einem ſchwaͤchlichen Zuſtande, und gelangt nicht zur vollkommenen Wiedergeneſung, wofern er nicht fort- faͤhrt, ſich in allen Stuͤcken auf alle nur erſinnliche Weiſe in acht zu nehmen; unterlaͤſt er dieſe Sorgfalt ſo verfaͤllt er in eine langwierige Krankheit. Ueber- haupt weichen durch einen unmaͤßigen Beyſchlaf, wie durch andere entkraͤftende Urſachen, die Krankheiten aus ihrer natuͤrlichen Ordnung. Die Aerzte, ſagt Zimmermann, welche ihre Kunſt in groſſen Staͤdten ausuͤben, wiſſen am beſten, wie ſehr die Unzucht der Veneriſchen ihre Krankheiten verſchlimmert, verwickelt und unkennbar macht.„ Der Gang der Krankheiten in ſolchen Geſchoͤpfen iſt unregelmaͤßig, ihre Zufaͤlle wider- ſprechend; keine Hilfe in der Leibesbeſchaffenheit; unvoll- kommne oder gar keine Entſcheidungen, Ermattungen und tauſenderley Ueberbleibſel ſind die Folgen derſeben. Wie bedenklich die Krankheiten der Gelehrten ſind, beweiſen uns ſo manche traurige, zu fruͤhzeiti- ge

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/370>, abgerufen am 27.04.2024.