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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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wo die Reitzbarkeit des ganzen Körpers überspannt
ist, der ganze Körper von jedem angebrachten Reitze
angegriffen, und folglich der gegenwärtige Zustand
verschlimmert werden. -- Ganz anderst ist es freylich
wo mit der Schwäche eine verminderte Reitzbarkeit
verbunden ist. In diesem Falle muß man nicht sel-
ten zu den reizendsten Mitteln schreiten, wie wir in
der Folge sehen werden.

Um diesen Zustand noch mehr zu erläutern, will
ich einige Untersuchungen über die Krankheiten anstel-
len, welche von unangenehmen Leidenschaften, als
Kummer, Eifersucht und Zorn zu entstehen pflegen.

Leidenschaftliche Krankheiten.
§. 95.

Die Verbindung einer grossen Reitzlosigkeit oder
Reitzbarkeit mit einer beträchtlichen Ermüdung, Un-
terdrückung oder Erschöpfung der Kräfte scheint mir
die vornehmste Ursache zu seyn, warum Krankheiten
welche aus lange anhaltenden traurigen, oder heftig
wirkenden, empörenden Leidenschaften entstehen, manch-
mal so ungemein gefährlich und bösartig sind. Ge-
wöhnlich vermuthet man keine andern, als die bekann-
ten Folgen einer jeden heftig wirkenden Ursache. Der
Traurigkeit schreibt man Niedergeschlagenheit der See-
lenkräfte, sparsame oder unterdrückte Absonderungen
und Ausleerungen, Anhäufung nach den innern Thei-
len, Schwäche des Magens u. d. gl. zu. Der Zorn,
glaubt man, errege hitzige, besonders gallichte Fieber,
oder auch schlechtweg gallichte Ergießungen ohne fie-

ber-

wo die Reitzbarkeit des ganzen Koͤrpers uͤberſpannt
iſt, der ganze Koͤrper von jedem angebrachten Reitze
angegriffen, und folglich der gegenwaͤrtige Zuſtand
verſchlimmert werden. — Ganz anderſt iſt es freylich
wo mit der Schwaͤche eine verminderte Reitzbarkeit
verbunden iſt. In dieſem Falle muß man nicht ſel-
ten zu den reizendſten Mitteln ſchreiten, wie wir in
der Folge ſehen werden.

Um dieſen Zuſtand noch mehr zu erlaͤutern, will
ich einige Unterſuchungen uͤber die Krankheiten anſtel-
len, welche von unangenehmen Leidenſchaften, als
Kummer, Eiferſucht und Zorn zu entſtehen pflegen.

Leidenſchaftliche Krankheiten.
§. 95.

Die Verbindung einer groſſen Reitzloſigkeit oder
Reitzbarkeit mit einer betraͤchtlichen Ermuͤdung, Un-
terdruͤckung oder Erſchoͤpfung der Kraͤfte ſcheint mir
die vornehmſte Urſache zu ſeyn, warum Krankheiten
welche aus lange anhaltenden traurigen, oder heftig
wirkenden, empoͤrenden Leidenſchaften entſtehen, manch-
mal ſo ungemein gefaͤhrlich und boͤsartig ſind. Ge-
woͤhnlich vermuthet man keine andern, als die bekann-
ten Folgen einer jeden heftig wirkenden Urſache. Der
Traurigkeit ſchreibt man Niedergeſchlagenheit der See-
lenkraͤfte, ſparſame oder unterdruͤckte Abſonderungen
und Ausleerungen, Anhaͤufung nach den innern Thei-
len, Schwaͤche des Magens u. d. gl. zu. Der Zorn,
glaubt man, errege hitzige, beſonders gallichte Fieber,
oder auch ſchlechtweg gallichte Ergießungen ohne fie-

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[575/0594] wo die Reitzbarkeit des ganzen Koͤrpers uͤberſpannt iſt, der ganze Koͤrper von jedem angebrachten Reitze angegriffen, und folglich der gegenwaͤrtige Zuſtand verſchlimmert werden. — Ganz anderſt iſt es freylich wo mit der Schwaͤche eine verminderte Reitzbarkeit verbunden iſt. In dieſem Falle muß man nicht ſel- ten zu den reizendſten Mitteln ſchreiten, wie wir in der Folge ſehen werden. Um dieſen Zuſtand noch mehr zu erlaͤutern, will ich einige Unterſuchungen uͤber die Krankheiten anſtel- len, welche von unangenehmen Leidenſchaften, als Kummer, Eiferſucht und Zorn zu entſtehen pflegen. Leidenſchaftliche Krankheiten. §. 95. Die Verbindung einer groſſen Reitzloſigkeit oder Reitzbarkeit mit einer betraͤchtlichen Ermuͤdung, Un- terdruͤckung oder Erſchoͤpfung der Kraͤfte ſcheint mir die vornehmſte Urſache zu ſeyn, warum Krankheiten welche aus lange anhaltenden traurigen, oder heftig wirkenden, empoͤrenden Leidenſchaften entſtehen, manch- mal ſo ungemein gefaͤhrlich und boͤsartig ſind. Ge- woͤhnlich vermuthet man keine andern, als die bekann- ten Folgen einer jeden heftig wirkenden Urſache. Der Traurigkeit ſchreibt man Niedergeſchlagenheit der See- lenkraͤfte, ſparſame oder unterdruͤckte Abſonderungen und Ausleerungen, Anhaͤufung nach den innern Thei- len, Schwaͤche des Magens u. d. gl. zu. Der Zorn, glaubt man, errege hitzige, beſonders gallichte Fieber, oder auch ſchlechtweg gallichte Ergießungen ohne fie- ber-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/594>, abgerufen am 26.04.2024.