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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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das Gefahrvolle dieses Umstandes vereitelt.*) Eben
dieser Seitenstich war von Hippokrates für tödlich er-
klärt, wenn er eine schwangere Frau befiel. Dieses
geschah bey der fünf und vierzigjährigen Dame, wel-
che im neunten Monate schwanger war, aber übrigens
eine verdorbne Leibesbeschassenheit hatte, deren Ge-
schichte Morgagni erzählt.**) Er setzt aber hinzu:
"Wenn dergleichen Fälle bey den Alten so leicht töd-
lich waren, so geschah es deßwegen, weil solche Kran-
ken die strenge Heilart derselben nicht aushalten konn-
ten." Sie pflegten solchen Weibern bis zur Ohn-
macht Ader zu lassen. Bey mäßigem und behutsamem
Blutlassen u. s. w. ist es nicht nur ihm, es ist auch
mir gelungen, und es gelingt jetzt allen Aerzten, die-
se Kranken zu retten, wovon ebenfalls Strak ein
höchst merkwürdiges Beyspiel anführt.*) Ein einge-
sperrter Bruch mit der Schwangerschaft, besonders
wenn die Darmgicht hinzukömmt, wird noch jezt von
sehr vielen für tödtlich gehalten. Ich behandelte 1785
eine außerordentlich magere, lange, schwarzgallichte,
von Anschoppungen einer zähen gallichten Unreinigkeit
immerwährend gequälte Frau Johanna Puff. Sie
hatte schon mehrere Tage keine Leibesöffnung, und
der Leistenbruch, der sonst, wenn sie im Bette lag,
zurückgieng, war nicht mehr zurückzubringen. Sie
fieng an, unaufhörlich zu brechen. Bald verbreitete
sich die Entzündung über alle häutigen Eingeweide des

Unter-
*) Bemerkungen über den Seitenstich 64te Krankengeschicht.
**) Epist. XX. Nro 9.
*) A. a. O. 85te Krankengeschichte.

das Gefahrvolle dieſes Umſtandes vereitelt.*) Eben
dieſer Seitenſtich war von Hippokrates fuͤr toͤdlich er-
klaͤrt, wenn er eine ſchwangere Frau befiel. Dieſes
geſchah bey der fuͤnf und vierzigjaͤhrigen Dame, wel-
che im neunten Monate ſchwanger war, aber uͤbrigens
eine verdorbne Leibesbeſchaſſenheit hatte, deren Ge-
ſchichte Morgagni erzaͤhlt.**) Er ſetzt aber hinzu:
“Wenn dergleichen Faͤlle bey den Alten ſo leicht toͤd-
lich waren, ſo geſchah es deßwegen, weil ſolche Kran-
ken die ſtrenge Heilart derſelben nicht aushalten konn-
ten.„ Sie pflegten ſolchen Weibern bis zur Ohn-
macht Ader zu laſſen. Bey maͤßigem und behutſamem
Blutlaſſen u. ſ. w. iſt es nicht nur ihm, es iſt auch
mir gelungen, und es gelingt jetzt allen Aerzten, die-
ſe Kranken zu retten, wovon ebenfalls Strak ein
hoͤchſt merkwuͤrdiges Beyſpiel anfuͤhrt.*) Ein einge-
ſperrter Bruch mit der Schwangerſchaft, beſonders
wenn die Darmgicht hinzukoͤmmt, wird noch jezt von
ſehr vielen fuͤr toͤdtlich gehalten. Ich behandelte 1785
eine außerordentlich magere, lange, ſchwarzgallichte,
von Anſchoppungen einer zaͤhen gallichten Unreinigkeit
immerwaͤhrend gequaͤlte Frau Johanna Puff. Sie
hatte ſchon mehrere Tage keine Leibesoͤffnung, und
der Leiſtenbruch, der ſonſt, wenn ſie im Bette lag,
zuruͤckgieng, war nicht mehr zuruͤckzubringen. Sie
fieng an, unaufhoͤrlich zu brechen. Bald verbreitete
ſich die Entzuͤndung uͤber alle haͤutigen Eingeweide des

Unter-
*) Bemerkungen uͤber den Seitenſtich 64te Krankengeſchicht.
**) Epiſt. XX. Nro 9.
*) A. a. O. 85te Krankengeſchichte.
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[122/0279] das Gefahrvolle dieſes Umſtandes vereitelt. *) Eben dieſer Seitenſtich war von Hippokrates fuͤr toͤdlich er- klaͤrt, wenn er eine ſchwangere Frau befiel. Dieſes geſchah bey der fuͤnf und vierzigjaͤhrigen Dame, wel- che im neunten Monate ſchwanger war, aber uͤbrigens eine verdorbne Leibesbeſchaſſenheit hatte, deren Ge- ſchichte Morgagni erzaͤhlt. **) Er ſetzt aber hinzu: “Wenn dergleichen Faͤlle bey den Alten ſo leicht toͤd- lich waren, ſo geſchah es deßwegen, weil ſolche Kran- ken die ſtrenge Heilart derſelben nicht aushalten konn- ten.„ Sie pflegten ſolchen Weibern bis zur Ohn- macht Ader zu laſſen. Bey maͤßigem und behutſamem Blutlaſſen u. ſ. w. iſt es nicht nur ihm, es iſt auch mir gelungen, und es gelingt jetzt allen Aerzten, die- ſe Kranken zu retten, wovon ebenfalls Strak ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Beyſpiel anfuͤhrt. *) Ein einge- ſperrter Bruch mit der Schwangerſchaft, beſonders wenn die Darmgicht hinzukoͤmmt, wird noch jezt von ſehr vielen fuͤr toͤdtlich gehalten. Ich behandelte 1785 eine außerordentlich magere, lange, ſchwarzgallichte, von Anſchoppungen einer zaͤhen gallichten Unreinigkeit immerwaͤhrend gequaͤlte Frau Johanna Puff. Sie hatte ſchon mehrere Tage keine Leibesoͤffnung, und der Leiſtenbruch, der ſonſt, wenn ſie im Bette lag, zuruͤckgieng, war nicht mehr zuruͤckzubringen. Sie fieng an, unaufhoͤrlich zu brechen. Bald verbreitete ſich die Entzuͤndung uͤber alle haͤutigen Eingeweide des Unter- *) Bemerkungen uͤber den Seitenſtich 64te Krankengeſchicht. **) Epiſt. XX. Nro 9. *) A. a. O. 85te Krankengeſchichte.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/279>, abgerufen am 26.04.2024.