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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

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Uiberwucht bei dem Rade an der Welle.

Weil wir aber in dieser Rechnung die Kraft als ein Gewicht angenommen haben,
welches in allen Punkten seiner Bewegung dieselbe Wirkung äussert, so versteht
es sich von selbst, dass man diese Rechnung nur als eine Annäherung zur bessern Er-
klärung dieses Gegenstandes betrachten könne.

In dieser Hinsicht kommt es vorzüglich auf die obige Grösse [Formel 1]
an. Man sieht, dass eine Beschleunigung erfolgt, wenn das statische Moment der
Kraft P . a grösser als das Moment der Last Q . b, und im Gegentheile erfolgt eine
Verzögerung, wenn Q . b grösser als P . a ist. Eine ganz gleichförmige Bewegung ist
nur zu erhalten, wenn diese zwei Momente einander gleich sind. Man muss daher
in allen Fällen darauf sehen, diese Momente einander gleich zu machen; ist diess
aber nicht möglich, so wird die Ungleichheit in der Bewegung durch die Grös-
se des Nenners vermindert. Da eine Vermehrung von P . a2 und Q . b2 in mancher Hinsicht
nicht wohl geschehen kann, so kommt es vorzüglich auf das Moment M . f2 an, d. h.
das Schwungrad muss schwer seyn und was noch besser ist, die schwe-
ren Theile des Schwungrades müssen auf einer möglichst grossen
Entfernung von der Achse angebracht werden
.

Auf diese Weise wird in allen Fällen, wo die Kraft oder die Widerstände un-
gleichförmig wirken, eine möglichst gleichförmige Bewegung hervorgebracht. Hieraus
erhellet aber auch, dass in jenen Fällen, wo sowohl die Kraft, als auch die Wider-
stände einander gleichförmig entgegenwirken, z. B. bei einem Pferdezuge das Anbrin-
gen eines Schwungrades sehr unschicklich seyn würde, weil diess der Kraft nichts
nützen, nur die Reibung und die Hindernisse der Bewegung vermehren, und dem Ef-
fekte vielmehr nachtheilig seyn würde.

§. 524.

Will man auf den Widerstand der Reibung Rücksicht nehmen, so ist die Geschwin-
digkeit [Formel 2] und der Raum
[Formel 3] .

Beispiel. Es sey die Last Q = 100 Lb, die Kraft P = 30 Lb, das Gewicht des
Schwungrades R = 200 Lb, und das Gewicht der Maschine M = 240 Lb. Der
Reibungscoeffizient m = 1/8 , der Halbmesser des Zapfens e = 1 Zoll, der Halb-
messer der Welle b = 3 Zoll, und der Halbmesser der Kraft a = 12 Zoll, so ist:
[Formel 4] , oder
[Formel 5] .

Wenn nun der Halbmesser des Schwungrades oder der Halbmesser derjenigen Pe-
ripherie, in welcher das Gewicht aller Bestandtheile des Schwungrades vereinigt gedacht
werden kann, f = 36 Zoll, so ist [Formel 6] ; wäre aber f doppelt so gross oder

Gerstners Mechanik. Band I. 71
Uiberwucht bei dem Rade an der Welle.

Weil wir aber in dieser Rechnung die Kraft als ein Gewicht angenommen haben,
welches in allen Punkten seiner Bewegung dieselbe Wirkung äussert, so versteht
es sich von selbst, dass man diese Rechnung nur als eine Annäherung zur bessern Er-
klärung dieses Gegenstandes betrachten könne.

In dieser Hinsicht kommt es vorzüglich auf die obige Grösse [Formel 1]
an. Man sieht, dass eine Beschleunigung erfolgt, wenn das statische Moment der
Kraft P . a grösser als das Moment der Last Q . b, und im Gegentheile erfolgt eine
Verzögerung, wenn Q . b grösser als P . a ist. Eine ganz gleichförmige Bewegung ist
nur zu erhalten, wenn diese zwei Momente einander gleich sind. Man muss daher
in allen Fällen darauf sehen, diese Momente einander gleich zu machen; ist diess
aber nicht möglich, so wird die Ungleichheit in der Bewegung durch die Grös-
se des Nenners vermindert. Da eine Vermehrung von P . a2 und Q . b2 in mancher Hinsicht
nicht wohl geschehen kann, so kommt es vorzüglich auf das Moment M . f2 an, d. h.
das Schwungrad muss schwer seyn und was noch besser ist, die schwe-
ren Theile des Schwungrades müssen auf einer möglichst grossen
Entfernung von der Achse angebracht werden
.

Auf diese Weise wird in allen Fällen, wo die Kraft oder die Widerstände un-
gleichförmig wirken, eine möglichst gleichförmige Bewegung hervorgebracht. Hieraus
erhellet aber auch, dass in jenen Fällen, wo sowohl die Kraft, als auch die Wider-
stände einander gleichförmig entgegenwirken, z. B. bei einem Pferdezuge das Anbrin-
gen eines Schwungrades sehr unschicklich seyn würde, weil diess der Kraft nichts
nützen, nur die Reibung und die Hindernisse der Bewegung vermehren, und dem Ef-
fekte vielmehr nachtheilig seyn würde.

§. 524.

Will man auf den Widerstand der Reibung Rücksicht nehmen, so ist die Geschwin-
digkeit [Formel 2] und der Raum
[Formel 3] .

Beispiel. Es sey die Last Q = 100 ℔, die Kraft P = 30 ℔, das Gewicht des
Schwungrades R = 200 ℔, und das Gewicht der Maschine M = 240 ℔. Der
Reibungscoeffizient m = ⅛, der Halbmesser des Zapfens e = 1 Zoll, der Halb-
messer der Welle b = 3 Zoll, und der Halbmesser der Kraft a = 12 Zoll, so ist:
[Formel 4] , oder
[Formel 5] .

Wenn nun der Halbmesser des Schwungrades oder der Halbmesser derjenigen Pe-
ripherie, in welcher das Gewicht aller Bestandtheile des Schwungrades vereinigt gedacht
werden kann, f = 36 Zoll, so ist [Formel 6] ; wäre aber f doppelt so gross oder

Gerstners Mechanik. Band I. 71
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[561/0593] Uiberwucht bei dem Rade an der Welle. Weil wir aber in dieser Rechnung die Kraft als ein Gewicht angenommen haben, welches in allen Punkten seiner Bewegung dieselbe Wirkung äussert, so versteht es sich von selbst, dass man diese Rechnung nur als eine Annäherung zur bessern Er- klärung dieses Gegenstandes betrachten könne. In dieser Hinsicht kommt es vorzüglich auf die obige Grösse [FORMEL] an. Man sieht, dass eine Beschleunigung erfolgt, wenn das statische Moment der Kraft P . a grösser als das Moment der Last Q . b, und im Gegentheile erfolgt eine Verzögerung, wenn Q . b grösser als P . a ist. Eine ganz gleichförmige Bewegung ist nur zu erhalten, wenn diese zwei Momente einander gleich sind. Man muss daher in allen Fällen darauf sehen, diese Momente einander gleich zu machen; ist diess aber nicht möglich, so wird die Ungleichheit in der Bewegung durch die Grös- se des Nenners vermindert. Da eine Vermehrung von P . a2 und Q . b2 in mancher Hinsicht nicht wohl geschehen kann, so kommt es vorzüglich auf das Moment M . f2 an, d. h. das Schwungrad muss schwer seyn und was noch besser ist, die schwe- ren Theile des Schwungrades müssen auf einer möglichst grossen Entfernung von der Achse angebracht werden. Auf diese Weise wird in allen Fällen, wo die Kraft oder die Widerstände un- gleichförmig wirken, eine möglichst gleichförmige Bewegung hervorgebracht. Hieraus erhellet aber auch, dass in jenen Fällen, wo sowohl die Kraft, als auch die Wider- stände einander gleichförmig entgegenwirken, z. B. bei einem Pferdezuge das Anbrin- gen eines Schwungrades sehr unschicklich seyn würde, weil diess der Kraft nichts nützen, nur die Reibung und die Hindernisse der Bewegung vermehren, und dem Ef- fekte vielmehr nachtheilig seyn würde. §. 524. Will man auf den Widerstand der Reibung Rücksicht nehmen, so ist die Geschwin- digkeit [FORMEL] und der Raum [FORMEL]. Beispiel. Es sey die Last Q = 100 ℔, die Kraft P = 30 ℔, das Gewicht des Schwungrades R = 200 ℔, und das Gewicht der Maschine M = 240 ℔. Der Reibungscoeffizient m = ⅛, der Halbmesser des Zapfens e = 1 Zoll, der Halb- messer der Welle b = 3 Zoll, und der Halbmesser der Kraft a = 12 Zoll, so ist: [FORMEL], oder [FORMEL]. Wenn nun der Halbmesser des Schwungrades oder der Halbmesser derjenigen Pe- ripherie, in welcher das Gewicht aller Bestandtheile des Schwungrades vereinigt gedacht werden kann, f = 36 Zoll, so ist [FORMEL]; wäre aber f doppelt so gross oder Gerstners Mechanik. Band I. 71

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/593>, abgerufen am 26.04.2024.