Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

schnitte ich einen Zweig mit Blumen davon ab, und
legte ihn in der Versammlung der Königlichen Aka-
demie der Wissenschaften öffentlich vor. Von diesem
Umstande hat die Beckmannisch Märkische Chronik
im ersten Theile Nachricht gegeben. Um sich aber
von der Seltenheit der Kampferblüthe noch mehr zu
überzeugen, schrieb der Herr Präsident von Mauper-
tuis nach Paris und an etliche Gelehrte in Holland, er
erhielt von dort überall her die Antwort, daß ihre
große und alte ansehnliche Bäume noch niemals Blu-
men getragen hätten.

Ob man nun schon diese in Europa ganz neue
Naturerscheinung nicht weiter in Zweifel ziehen konnte,
so hätte man sie doch sehr leicht aus ähnlichen Bey-
spielen vielmehr gleich Anfangs nur unter die seltenen
rechnen sollen. Denn von dieser Art finden sich
unter den fremden Gewächsen mehrere, die theils
aus Saamen erzogen, theils durch das bekannte Ab-
legen der jungen Zweige vermehret, auch wohl noth-
wendig unterhalten werden müssen: daß sie deshalben
den Sachverständigen, die sich mit der Ostindischen
und Amerikanischen Baumzucht beschäftigen, lange
so fremde nicht seyn können als andern, ob sie schon
mit Grund immer für merkwürdig gehalten werden.

Fast eben so ergeht es mit den Ablegern von
jungen und alten Bäumen, deren Zweige, welche
vielleicht gar nicht, oder doch höchst selten, bey uns
in dem Zustande geblühet haben würden, wenn sie
nicht abgeleget worden wären, daß sie, seitdem sie
von den Mutterstämmen abgenommen worden, ganz
unvermuthet in ihrem ersten zarten Alter zur Blüthe
kommen, hernach aber der Wachsthumsordnung ohn-
geachtet, in langer Zeit, oder nur einzeln, auch wohl
niemals wieder Blumen ansetzen. Ihre Mutter-
stämme, von welchen sie erzogen worden, kommen

unter-
L 2

ſchnitte ich einen Zweig mit Blumen davon ab, und
legte ihn in der Verſammlung der Koͤniglichen Aka-
demie der Wiſſenſchaften oͤffentlich vor. Von dieſem
Umſtande hat die Beckmanniſch Maͤrkiſche Chronik
im erſten Theile Nachricht gegeben. Um ſich aber
von der Seltenheit der Kampferbluͤthe noch mehr zu
uͤberzeugen, ſchrieb der Herr Praͤſident von Mauper-
tuis nach Paris und an etliche Gelehrte in Holland, er
erhielt von dort uͤberall her die Antwort, daß ihre
große und alte anſehnliche Baͤume noch niemals Blu-
men getragen haͤtten.

Ob man nun ſchon dieſe in Europa ganz neue
Naturerſcheinung nicht weiter in Zweifel ziehen konnte,
ſo haͤtte man ſie doch ſehr leicht aus aͤhnlichen Bey-
ſpielen vielmehr gleich Anfangs nur unter die ſeltenen
rechnen ſollen. Denn von dieſer Art finden ſich
unter den fremden Gewaͤchſen mehrere, die theils
aus Saamen erzogen, theils durch das bekannte Ab-
legen der jungen Zweige vermehret, auch wohl noth-
wendig unterhalten werden muͤſſen: daß ſie deshalben
den Sachverſtaͤndigen, die ſich mit der Oſtindiſchen
und Amerikaniſchen Baumzucht beſchaͤftigen, lange
ſo fremde nicht ſeyn koͤnnen als andern, ob ſie ſchon
mit Grund immer fuͤr merkwuͤrdig gehalten werden.

Faſt eben ſo ergeht es mit den Ablegern von
jungen und alten Baͤumen, deren Zweige, welche
vielleicht gar nicht, oder doch hoͤchſt ſelten, bey uns
in dem Zuſtande gebluͤhet haben wuͤrden, wenn ſie
nicht abgeleget worden waͤren, daß ſie, ſeitdem ſie
von den Mutterſtaͤmmen abgenommen worden, ganz
unvermuthet in ihrem erſten zarten Alter zur Bluͤthe
kommen, hernach aber der Wachsthumsordnung ohn-
geachtet, in langer Zeit, oder nur einzeln, auch wohl
niemals wieder Blumen anſetzen. Ihre Mutter-
ſtaͤmme, von welchen ſie erzogen worden, kommen

unter-
L 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="163"/>
&#x017F;chnitte ich einen Zweig mit Blumen davon ab, und<lb/>
legte ihn in der Ver&#x017F;ammlung der Ko&#x0364;niglichen Aka-<lb/>
demie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften o&#x0364;ffentlich vor. Von die&#x017F;em<lb/>
Um&#x017F;tande hat die Beckmanni&#x017F;ch Ma&#x0364;rki&#x017F;che Chronik<lb/>
im er&#x017F;ten Theile Nachricht gegeben. Um &#x017F;ich aber<lb/>
von der Seltenheit der Kampferblu&#x0364;the noch mehr zu<lb/>
u&#x0364;berzeugen, &#x017F;chrieb der Herr Pra&#x0364;&#x017F;ident von Mauper-<lb/>
tuis nach Paris und an etliche Gelehrte in Holland, er<lb/>
erhielt von dort u&#x0364;berall her die Antwort, daß ihre<lb/>
große und alte an&#x017F;ehnliche Ba&#x0364;ume noch niemals Blu-<lb/>
men getragen ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Ob man nun &#x017F;chon die&#x017F;e in Europa ganz neue<lb/>
Naturer&#x017F;cheinung nicht weiter in Zweifel ziehen konnte,<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;tte man &#x017F;ie doch &#x017F;ehr leicht aus a&#x0364;hnlichen Bey-<lb/>
&#x017F;pielen vielmehr gleich Anfangs nur unter die &#x017F;eltenen<lb/>
rechnen &#x017F;ollen. Denn von die&#x017F;er Art finden &#x017F;ich<lb/>
unter den fremden Gewa&#x0364;ch&#x017F;en mehrere, die theils<lb/>
aus Saamen erzogen, theils durch das bekannte Ab-<lb/>
legen der jungen Zweige vermehret, auch wohl noth-<lb/>
wendig unterhalten werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en: daß &#x017F;ie deshalben<lb/>
den Sachver&#x017F;ta&#x0364;ndigen, die &#x017F;ich mit der O&#x017F;tindi&#x017F;chen<lb/>
und Amerikani&#x017F;chen Baumzucht be&#x017F;cha&#x0364;ftigen, lange<lb/>
&#x017F;o fremde nicht &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen als andern, ob &#x017F;ie &#x017F;chon<lb/>
mit Grund immer fu&#x0364;r merkwu&#x0364;rdig gehalten werden.</p><lb/>
        <p>Fa&#x017F;t eben &#x017F;o ergeht es mit den Ablegern von<lb/>
jungen und alten Ba&#x0364;umen, deren Zweige, welche<lb/>
vielleicht gar nicht, oder doch ho&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;elten, bey uns<lb/>
in dem Zu&#x017F;tande geblu&#x0364;het haben wu&#x0364;rden, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht abgeleget worden wa&#x0364;ren, daß &#x017F;ie, &#x017F;eitdem &#x017F;ie<lb/>
von den Mutter&#x017F;ta&#x0364;mmen abgenommen worden, ganz<lb/>
unvermuthet in ihrem er&#x017F;ten zarten Alter zur Blu&#x0364;the<lb/>
kommen, hernach aber der Wachsthumsordnung ohn-<lb/>
geachtet, in langer Zeit, oder nur einzeln, auch wohl<lb/>
niemals wieder Blumen an&#x017F;etzen. Ihre Mutter-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;mme, von welchen &#x017F;ie erzogen worden, kommen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 2</fw><fw place="bottom" type="catch">unter-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0173] ſchnitte ich einen Zweig mit Blumen davon ab, und legte ihn in der Verſammlung der Koͤniglichen Aka- demie der Wiſſenſchaften oͤffentlich vor. Von dieſem Umſtande hat die Beckmanniſch Maͤrkiſche Chronik im erſten Theile Nachricht gegeben. Um ſich aber von der Seltenheit der Kampferbluͤthe noch mehr zu uͤberzeugen, ſchrieb der Herr Praͤſident von Mauper- tuis nach Paris und an etliche Gelehrte in Holland, er erhielt von dort uͤberall her die Antwort, daß ihre große und alte anſehnliche Baͤume noch niemals Blu- men getragen haͤtten. Ob man nun ſchon dieſe in Europa ganz neue Naturerſcheinung nicht weiter in Zweifel ziehen konnte, ſo haͤtte man ſie doch ſehr leicht aus aͤhnlichen Bey- ſpielen vielmehr gleich Anfangs nur unter die ſeltenen rechnen ſollen. Denn von dieſer Art finden ſich unter den fremden Gewaͤchſen mehrere, die theils aus Saamen erzogen, theils durch das bekannte Ab- legen der jungen Zweige vermehret, auch wohl noth- wendig unterhalten werden muͤſſen: daß ſie deshalben den Sachverſtaͤndigen, die ſich mit der Oſtindiſchen und Amerikaniſchen Baumzucht beſchaͤftigen, lange ſo fremde nicht ſeyn koͤnnen als andern, ob ſie ſchon mit Grund immer fuͤr merkwuͤrdig gehalten werden. Faſt eben ſo ergeht es mit den Ablegern von jungen und alten Baͤumen, deren Zweige, welche vielleicht gar nicht, oder doch hoͤchſt ſelten, bey uns in dem Zuſtande gebluͤhet haben wuͤrden, wenn ſie nicht abgeleget worden waͤren, daß ſie, ſeitdem ſie von den Mutterſtaͤmmen abgenommen worden, ganz unvermuthet in ihrem erſten zarten Alter zur Bluͤthe kommen, hernach aber der Wachsthumsordnung ohn- geachtet, in langer Zeit, oder nur einzeln, auch wohl niemals wieder Blumen anſetzen. Ihre Mutter- ſtaͤmme, von welchen ſie erzogen worden, kommen unter- L 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789/173
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789/173>, abgerufen am 27.04.2024.