Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

De divisione rerum et qualitate.
heißt bürgerlicher Besitz derjenige, welchen die bürger-
lichen Gesetze für eine solche Posseßion erkennen, bey
welcher man die Absicht, die Sache als die seinige zu be-
sitzen, hat und haben kann. Der Besitz mag übrigens
auf einen rechtmässigen Titel gegründet seyn (Possessio
iusta
) oder nicht. (Possessio iniusta). In dieser Bedeu-
tung hat auch malae fidei possessor unstreitig einen bür-
gerlichen Besitz. Endlich im strengsten Verstande des
Civilrechts heißt bürgerlicher Besitz eine solche Posseßion,
die zur Usucapion erfordert wird, und auf einen recht-
mäsigen Titel, wodurch man sonst ein Eigenthum zu
erlangen pflegt, gegründet ist. Diese Possessio Civilis
wird auch Possessio pro suo genennt. So sagt Ul-
pian
20) lib 15. ad Edictum: pro suo possessio talis
est, cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea causa
possidemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro suo: utputa
ex causa emtionis, et pro emtore et pro suo possideo: item
donata vel legata, vel pro donato vel pro legato, etiam pro
suo possideo.

§. 181.
In wiefern ist die Posseßion iuris? Eigentlicher Sinn der Stelle
Papinians in L. 49. pr. et §. 1. D. de acquir. vel amitt.
possess.
Was sind Wirkungen oder Rechte des Besitzes? War-
um ist der Besitz kein dingliches Recht? Erläuterung
der L. un. Cod. de alienat. iud. mut. causa facta.

Ich sagte in dem § 179. daß der Besitz zwar sei-
ner Natur nach eigentlich blos factisch sey, aber doch
auch viel von der Natur des Rechts annehme, oder, wie
sich eigentlich Papinian 21) ausdruckt, viel aus dem
Rechte entlehne
, und daher in dieser Rücksicht, nicht

nur,
20) L. 1. pr. D. pro suo.
21) L. 49. pr. D. de acq. vel. amitt. possess.
L l 4

De diviſione rerum et qualitate.
heißt buͤrgerlicher Beſitz derjenige, welchen die buͤrger-
lichen Geſetze fuͤr eine ſolche Poſſeßion erkennen, bey
welcher man die Abſicht, die Sache als die ſeinige zu be-
ſitzen, hat und haben kann. Der Beſitz mag uͤbrigens
auf einen rechtmaͤſſigen Titel gegruͤndet ſeyn (Poſſeſſio
iuſta
) oder nicht. (Poſſeſſio iniuſta). In dieſer Bedeu-
tung hat auch malae fidei poſſeſſor unſtreitig einen buͤr-
gerlichen Beſitz. Endlich im ſtrengſten Verſtande des
Civilrechts heißt buͤrgerlicher Beſitz eine ſolche Poſſeßion,
die zur Uſucapion erfordert wird, und auf einen recht-
maͤſigen Titel, wodurch man ſonſt ein Eigenthum zu
erlangen pflegt, gegruͤndet iſt. Dieſe Poſſeſſio Civilis
wird auch Poſſeſſio pro ſuo genennt. So ſagt Ul-
pian
20) lib 15. ad Edictum: pro suo possessio talis
eſt, cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea cauſa
poſſidemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro ſuo: utputa
ex cauſa emtionis, et pro emtore et pro ſuo poſſideo: item
donata vel legata, vel pro donato vel pro legato, etiam pro
ſuo poſſideo.

§. 181.
In wiefern iſt die Poſſeßion iuris? Eigentlicher Sinn der Stelle
Papinians in L. 49. pr. et §. 1. D. de acquir. vel amitt.
poſſeſſ.
Was ſind Wirkungen oder Rechte des Beſitzes? War-
um iſt der Beſitz kein dingliches Recht? Erlaͤuterung
der L. un. Cod. de alienat. iud. mut. cauſa facta.

Ich ſagte in dem § 179. daß der Beſitz zwar ſei-
ner Natur nach eigentlich blos factiſch ſey, aber doch
auch viel von der Natur des Rechts annehme, oder, wie
ſich eigentlich Papinian 21) ausdruckt, viel aus dem
Rechte entlehne
, und daher in dieſer Ruͤckſicht, nicht

nur,
20) L. 1. pr. D. pro ſuo.
21) L. 49. pr. D. de acq. vel. amitt. poſſeſſ.
L l 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0541" n="527"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De divi&#x017F;ione rerum et qualitate.</hi></fw><lb/>
heißt bu&#x0364;rgerlicher Be&#x017F;itz derjenige, welchen die bu&#x0364;rger-<lb/>
lichen Ge&#x017F;etze fu&#x0364;r eine &#x017F;olche Po&#x017F;&#x017F;eßion erkennen, bey<lb/>
welcher man die Ab&#x017F;icht, die Sache als die &#x017F;einige zu be-<lb/>
&#x017F;itzen, hat und haben kann. Der Be&#x017F;itz mag u&#x0364;brigens<lb/>
auf einen rechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Titel gegru&#x0364;ndet &#x017F;eyn (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;io<lb/>
iu&#x017F;ta</hi></hi>) oder nicht. (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;io iniu&#x017F;ta</hi></hi>). In die&#x017F;er Bedeu-<lb/>
tung hat auch <hi rendition="#aq">malae fidei po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;or</hi> un&#x017F;treitig einen bu&#x0364;r-<lb/>
gerlichen Be&#x017F;itz. Endlich im &#x017F;treng&#x017F;ten Ver&#x017F;tande des<lb/>
Civilrechts heißt <hi rendition="#fr">bu&#x0364;rgerlicher Be&#x017F;itz</hi> eine &#x017F;olche Po&#x017F;&#x017F;eßion,<lb/>
die zur U&#x017F;ucapion erfordert wird, und auf einen recht-<lb/>
ma&#x0364;&#x017F;igen Titel, wodurch man &#x017F;on&#x017F;t ein Eigenthum zu<lb/>
erlangen pflegt, gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t. Die&#x017F;e <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;io Civilis</hi></hi><lb/>
wird auch <hi rendition="#aq">Po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;io pro &#x017F;uo</hi> genennt. So &#x017F;agt <hi rendition="#fr">Ul-<lb/>
pian</hi> <note place="foot" n="20)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1. <hi rendition="#i">pr. D. pro &#x017F;uo.</hi></hi></note> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">lib</hi> 15. <hi rendition="#i">ad Edictum:</hi> <hi rendition="#k">pro suo possessio</hi> <hi rendition="#i">talis<lb/>
e&#x017F;t, cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea cau&#x017F;a<lb/>
po&#x017F;&#x017F;idemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro &#x017F;uo: utputa<lb/>
ex cau&#x017F;a emtionis, et pro emtore et pro &#x017F;uo po&#x017F;&#x017F;ideo: item<lb/>
donata vel legata, vel pro donato vel pro legato, etiam pro<lb/>
&#x017F;uo po&#x017F;&#x017F;ideo.</hi></hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 181.<lb/>
In wiefern i&#x017F;t die Po&#x017F;&#x017F;eßion <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">iuris?</hi></hi> Eigentlicher Sinn der Stelle<lb/><hi rendition="#g">Papinians</hi> in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 49. <hi rendition="#i">pr. et §.</hi> 1. <hi rendition="#i">D. de acquir. vel amitt.<lb/>
po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;.</hi></hi> Was &#x017F;ind Wirkungen oder Rechte des Be&#x017F;itzes? War-<lb/>
um i&#x017F;t der Be&#x017F;itz kein dingliches Recht? Erla&#x0364;uterung<lb/>
der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. un. Cod. de alienat. iud. mut. cau&#x017F;a facta.</hi></hi></head><lb/>
          <p>Ich &#x017F;agte in dem § 179. daß der Be&#x017F;itz zwar &#x017F;ei-<lb/>
ner Natur nach eigentlich blos facti&#x017F;ch &#x017F;ey, aber doch<lb/>
auch viel von der Natur des Rechts annehme, oder, wie<lb/>
&#x017F;ich eigentlich <hi rendition="#fr">Papinian</hi> <note place="foot" n="21)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 49. <hi rendition="#i">pr. D. de acq. vel. amitt. po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;.</hi></hi></note> ausdruckt, <hi rendition="#g">viel aus dem<lb/>
Rechte entlehne</hi>, und daher in die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht, nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l 4</fw><fw place="bottom" type="catch">nur,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0541] De diviſione rerum et qualitate. heißt buͤrgerlicher Beſitz derjenige, welchen die buͤrger- lichen Geſetze fuͤr eine ſolche Poſſeßion erkennen, bey welcher man die Abſicht, die Sache als die ſeinige zu be- ſitzen, hat und haben kann. Der Beſitz mag uͤbrigens auf einen rechtmaͤſſigen Titel gegruͤndet ſeyn (Poſſeſſio iuſta) oder nicht. (Poſſeſſio iniuſta). In dieſer Bedeu- tung hat auch malae fidei poſſeſſor unſtreitig einen buͤr- gerlichen Beſitz. Endlich im ſtrengſten Verſtande des Civilrechts heißt buͤrgerlicher Beſitz eine ſolche Poſſeßion, die zur Uſucapion erfordert wird, und auf einen recht- maͤſigen Titel, wodurch man ſonſt ein Eigenthum zu erlangen pflegt, gegruͤndet iſt. Dieſe Poſſeſſio Civilis wird auch Poſſeſſio pro ſuo genennt. So ſagt Ul- pian 20) lib 15. ad Edictum: pro suo possessio talis eſt, cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea cauſa poſſidemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro ſuo: utputa ex cauſa emtionis, et pro emtore et pro ſuo poſſideo: item donata vel legata, vel pro donato vel pro legato, etiam pro ſuo poſſideo. §. 181. In wiefern iſt die Poſſeßion iuris? Eigentlicher Sinn der Stelle Papinians in L. 49. pr. et §. 1. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. Was ſind Wirkungen oder Rechte des Beſitzes? War- um iſt der Beſitz kein dingliches Recht? Erlaͤuterung der L. un. Cod. de alienat. iud. mut. cauſa facta. Ich ſagte in dem § 179. daß der Beſitz zwar ſei- ner Natur nach eigentlich blos factiſch ſey, aber doch auch viel von der Natur des Rechts annehme, oder, wie ſich eigentlich Papinian 21) ausdruckt, viel aus dem Rechte entlehne, und daher in dieſer Ruͤckſicht, nicht nur, 20) L. 1. pr. D. pro ſuo. 21) L. 49. pr. D. de acq. vel. amitt. poſſeſſ. L l 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/541
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/541>, abgerufen am 26.04.2024.