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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Morgen- und Abendröthe entsteht aus derselben
Ursache. Die Sonne wird durch eine Röthe verkün-
digt, indem sie durch eine größere Masse von Dünsten
zu uns strahlt. Je weiter sie herauf kommt, desto hel-
ler und gelber wird der Schein.

155.

Wird die Finsterniß des unendlichen Raums durch
atmosphärische vom Tageslicht erleuchtete Dünste hin-
durch angesehen, so erscheint die blaue Farbe. Auf
hohen Gebirgen sieht man am Tage den Himmel kö-
nigsblau, weil nur wenig feine Dünste vor dem un-
endlichen finstern Raum schweben; sobald man in die
Thäler herabsteigt, wird das Blaue heller, bis es end-
lich, in gewissen Regionen und bey zunehmenden Dün-
sten, ganz in ein Weißblau übergeht.

156.

Eben so scheinen uns auch die Berge blau: denn
indem wir sie in einer solchen Ferne erblicken, daß
wir die Lokalfarben nicht mehr sehen, und kein Licht
von ihrer Oberfläche mehr auf unser Auge wirkt; so
gelten sie als ein reiner finsterer Gegenstand, der nun
durch die dazwischen tretenden trüben Dünste blau er-
scheint.

157.

Auch sprechen wir die Schattentheile näherer
Gegenstände für blau an, wenn die Luft mit feinen
Dünsten gesättigt ist.

Morgen- und Abendroͤthe entſteht aus derſelben
Urſache. Die Sonne wird durch eine Roͤthe verkuͤn-
digt, indem ſie durch eine groͤßere Maſſe von Duͤnſten
zu uns ſtrahlt. Je weiter ſie herauf kommt, deſto hel-
ler und gelber wird der Schein.

155.

Wird die Finſterniß des unendlichen Raums durch
atmoſphaͤriſche vom Tageslicht erleuchtete Duͤnſte hin-
durch angeſehen, ſo erſcheint die blaue Farbe. Auf
hohen Gebirgen ſieht man am Tage den Himmel koͤ-
nigsblau, weil nur wenig feine Duͤnſte vor dem un-
endlichen finſtern Raum ſchweben; ſobald man in die
Thaͤler herabſteigt, wird das Blaue heller, bis es end-
lich, in gewiſſen Regionen und bey zunehmenden Duͤn-
ſten, ganz in ein Weißblau uͤbergeht.

156.

Eben ſo ſcheinen uns auch die Berge blau: denn
indem wir ſie in einer ſolchen Ferne erblicken, daß
wir die Lokalfarben nicht mehr ſehen, und kein Licht
von ihrer Oberflaͤche mehr auf unſer Auge wirkt; ſo
gelten ſie als ein reiner finſterer Gegenſtand, der nun
durch die dazwiſchen tretenden truͤben Duͤnſte blau er-
ſcheint.

157.

Auch ſprechen wir die Schattentheile naͤherer
Gegenſtaͤnde fuͤr blau an, wenn die Luft mit feinen
Duͤnſten geſaͤttigt iſt.

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[59/0113] Morgen- und Abendroͤthe entſteht aus derſelben Urſache. Die Sonne wird durch eine Roͤthe verkuͤn- digt, indem ſie durch eine groͤßere Maſſe von Duͤnſten zu uns ſtrahlt. Je weiter ſie herauf kommt, deſto hel- ler und gelber wird der Schein. 155. Wird die Finſterniß des unendlichen Raums durch atmoſphaͤriſche vom Tageslicht erleuchtete Duͤnſte hin- durch angeſehen, ſo erſcheint die blaue Farbe. Auf hohen Gebirgen ſieht man am Tage den Himmel koͤ- nigsblau, weil nur wenig feine Duͤnſte vor dem un- endlichen finſtern Raum ſchweben; ſobald man in die Thaͤler herabſteigt, wird das Blaue heller, bis es end- lich, in gewiſſen Regionen und bey zunehmenden Duͤn- ſten, ganz in ein Weißblau uͤbergeht. 156. Eben ſo ſcheinen uns auch die Berge blau: denn indem wir ſie in einer ſolchen Ferne erblicken, daß wir die Lokalfarben nicht mehr ſehen, und kein Licht von ihrer Oberflaͤche mehr auf unſer Auge wirkt; ſo gelten ſie als ein reiner finſterer Gegenſtand, der nun durch die dazwiſchen tretenden truͤben Duͤnſte blau er- ſcheint. 157. Auch ſprechen wir die Schattentheile naͤherer Gegenſtaͤnde fuͤr blau an, wenn die Luft mit feinen Duͤnſten geſaͤttigt iſt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/113>, abgerufen am 26.04.2024.