Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
286.

Nachdem man sich aber überzeugt hatte, daß diese
Farbenerscheinung die Refraction jederzeit begleite; so
war es natürlich, daß man sie auch als innig und einzig
mit der Refraction verwandt ansah, und nicht anders
glaubte, als daß das Maß der Farbenerscheinung
sich nach dem Maße der Brechung richten und beyde
gleichen Schritt mit einander halten müßten.

287.

Wenn man also nicht gänzlich, doch einigermaßen,
das Phänomen einer stärkeren oder schwächeren Brechung
der verschiedenen Dichtigkeit der Mittel zuschrieb; wie
denn auch reinere atmosphärische Luft, mit Dünsten an-
gefüllte, Wasser, Glas, nach ihren steigenden Dichtig-
keiten, die sogenannte Brechung, die Verrückung des
Bildes vermehren: so mußte man kaum zweifeln, daß
auch in selbiger Maße die Farbenerscheinung sich stei-
gern müsse, und man glaubte völlig gewiß zu seyn, daß
bey verschiedenen Mitteln, welche man im Gegensinne
der Brechung zu einander brachte, sich, so lange Bre-
chung vorhanden sey, die Farbe zeigen, so bald aber die
Farbe verschwände, auch die Brechung aufgehoben seyn
müsse.

288.

In späterer Zeit hingegen ward entdeckt, daß die-
ses als gleich angenommene Verhältniß ungleich sey,
daß zwey Mittel das Bild gleich weit verrücken, und
doch sehr ungleiche Farbensäume hervorbringen können.

286.

Nachdem man ſich aber uͤberzeugt hatte, daß dieſe
Farbenerſcheinung die Refraction jederzeit begleite; ſo
war es natuͤrlich, daß man ſie auch als innig und einzig
mit der Refraction verwandt anſah, und nicht anders
glaubte, als daß das Maß der Farbenerſcheinung
ſich nach dem Maße der Brechung richten und beyde
gleichen Schritt mit einander halten muͤßten.

287.

Wenn man alſo nicht gaͤnzlich, doch einigermaßen,
das Phaͤnomen einer ſtaͤrkeren oder ſchwaͤcheren Brechung
der verſchiedenen Dichtigkeit der Mittel zuſchrieb; wie
denn auch reinere atmoſphaͤriſche Luft, mit Duͤnſten an-
gefuͤllte, Waſſer, Glas, nach ihren ſteigenden Dichtig-
keiten, die ſogenannte Brechung, die Verruͤckung des
Bildes vermehren: ſo mußte man kaum zweifeln, daß
auch in ſelbiger Maße die Farbenerſcheinung ſich ſtei-
gern muͤſſe, und man glaubte voͤllig gewiß zu ſeyn, daß
bey verſchiedenen Mitteln, welche man im Gegenſinne
der Brechung zu einander brachte, ſich, ſo lange Bre-
chung vorhanden ſey, die Farbe zeigen, ſo bald aber die
Farbe verſchwaͤnde, auch die Brechung aufgehoben ſeyn
muͤſſe.

288.

In ſpaͤterer Zeit hingegen ward entdeckt, daß die-
ſes als gleich angenommene Verhaͤltniß ungleich ſey,
daß zwey Mittel das Bild gleich weit verruͤcken, und
doch ſehr ungleiche Farbenſaͤume hervorbringen koͤnnen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0163" n="109"/>
            <div n="4">
              <head>286.</head><lb/>
              <p>Nachdem man &#x017F;ich aber u&#x0364;berzeugt hatte, daß die&#x017F;e<lb/>
Farbener&#x017F;cheinung die Refraction jederzeit begleite; &#x017F;o<lb/>
war es natu&#x0364;rlich, daß man &#x017F;ie auch als innig und einzig<lb/>
mit der Refraction verwandt an&#x017F;ah, und nicht anders<lb/>
glaubte, als daß das Maß der Farbener&#x017F;cheinung<lb/>
&#x017F;ich nach dem Maße der Brechung richten und beyde<lb/>
gleichen Schritt mit einander halten mu&#x0364;ßten.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>287.</head><lb/>
              <p>Wenn man al&#x017F;o nicht ga&#x0364;nzlich, doch einigermaßen,<lb/>
das Pha&#x0364;nomen einer &#x017F;ta&#x0364;rkeren oder &#x017F;chwa&#x0364;cheren Brechung<lb/>
der ver&#x017F;chiedenen Dichtigkeit der Mittel zu&#x017F;chrieb; wie<lb/>
denn auch reinere atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;che Luft, mit Du&#x0364;n&#x017F;ten an-<lb/>
gefu&#x0364;llte, Wa&#x017F;&#x017F;er, Glas, nach ihren &#x017F;teigenden Dichtig-<lb/>
keiten, die &#x017F;ogenannte Brechung, die Verru&#x0364;ckung des<lb/>
Bildes vermehren: &#x017F;o mußte man kaum zweifeln, daß<lb/>
auch in &#x017F;elbiger Maße die Farbener&#x017F;cheinung &#x017F;ich &#x017F;tei-<lb/>
gern mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und man glaubte vo&#x0364;llig gewiß zu &#x017F;eyn, daß<lb/>
bey ver&#x017F;chiedenen Mitteln, welche man im Gegen&#x017F;inne<lb/>
der Brechung zu einander brachte, &#x017F;ich, &#x017F;o lange Bre-<lb/>
chung vorhanden &#x017F;ey, die Farbe zeigen, &#x017F;o bald aber die<lb/>
Farbe ver&#x017F;chwa&#x0364;nde, auch die Brechung aufgehoben &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>288.</head><lb/>
              <p>In &#x017F;pa&#x0364;terer Zeit hingegen ward entdeckt, daß die-<lb/>
&#x017F;es als gleich angenommene Verha&#x0364;ltniß ungleich &#x017F;ey,<lb/>
daß zwey Mittel das Bild gleich weit verru&#x0364;cken, und<lb/>
doch &#x017F;ehr ungleiche Farben&#x017F;a&#x0364;ume hervorbringen ko&#x0364;nnen.</p>
            </div><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0163] 286. Nachdem man ſich aber uͤberzeugt hatte, daß dieſe Farbenerſcheinung die Refraction jederzeit begleite; ſo war es natuͤrlich, daß man ſie auch als innig und einzig mit der Refraction verwandt anſah, und nicht anders glaubte, als daß das Maß der Farbenerſcheinung ſich nach dem Maße der Brechung richten und beyde gleichen Schritt mit einander halten muͤßten. 287. Wenn man alſo nicht gaͤnzlich, doch einigermaßen, das Phaͤnomen einer ſtaͤrkeren oder ſchwaͤcheren Brechung der verſchiedenen Dichtigkeit der Mittel zuſchrieb; wie denn auch reinere atmoſphaͤriſche Luft, mit Duͤnſten an- gefuͤllte, Waſſer, Glas, nach ihren ſteigenden Dichtig- keiten, die ſogenannte Brechung, die Verruͤckung des Bildes vermehren: ſo mußte man kaum zweifeln, daß auch in ſelbiger Maße die Farbenerſcheinung ſich ſtei- gern muͤſſe, und man glaubte voͤllig gewiß zu ſeyn, daß bey verſchiedenen Mitteln, welche man im Gegenſinne der Brechung zu einander brachte, ſich, ſo lange Bre- chung vorhanden ſey, die Farbe zeigen, ſo bald aber die Farbe verſchwaͤnde, auch die Brechung aufgehoben ſeyn muͤſſe. 288. In ſpaͤterer Zeit hingegen ward entdeckt, daß die- ſes als gleich angenommene Verhaͤltniß ungleich ſey, daß zwey Mittel das Bild gleich weit verruͤcken, und doch ſehr ungleiche Farbenſaͤume hervorbringen koͤnnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/163
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/163>, abgerufen am 26.04.2024.