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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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deutend ist. Man hüte sich aber, diese Fiction wieder
zum Phänomen zu machen, und mit einem solchen fingir-
ten Phänomen weiter fort zu operiren.

311.

Man vergrößre nunmehr die Oeffnung in dem
Fensterladen so weit man will, man mache sie rund
oder viereckt, ja man öffne den Laden ganz und lasse
die Sonne durch den völligen Fensterraum in das Zim-
mer scheinen; der Raum, den sie erleuchtet, wird immer
so viel größer seyn, als der Winkel, den ihr Durch-
messer macht, verlangt; und also ist auch selbst der
ganze durch das größte Fenster von der Sonne erleuch-
tete Raum nur das Sonnenbild plus der Weite der
Oeffnung. Wir werden hierauf zurückzukehren künftig
Gelegenheit finden.

312. (199.)

Fangen wir nun das Sonnenbild durch convexe
Gläser auf, so ziehen wir es gegen den Focus zusam-
men. Hier muß, nach den oben ausgeführten Regeln,
ein gelber Saum und ein gelbrother Rand entstehen,
wenn das Bild auf einem weißen Papiere aufgefangen
wird. Weil aber dieser Versuch blendend und unbe-
quem ist, so macht er sich am schönsten mit dem Bilde
des Vollmonds. Wenn man dieses durch ein convexes
Glas zusammenzieht, so erscheint der farbige Rand in
der größten Schönheit: denn der Mond sendet an sich
schon ein gemäßigtes Licht, und er kann also um desto
eher die Farbe, welche aus Mäßigung des Lichts ent-

deutend iſt. Man huͤte ſich aber, dieſe Fiction wieder
zum Phaͤnomen zu machen, und mit einem ſolchen fingir-
ten Phaͤnomen weiter fort zu operiren.

311.

Man vergroͤßre nunmehr die Oeffnung in dem
Fenſterladen ſo weit man will, man mache ſie rund
oder viereckt, ja man oͤffne den Laden ganz und laſſe
die Sonne durch den voͤlligen Fenſterraum in das Zim-
mer ſcheinen; der Raum, den ſie erleuchtet, wird immer
ſo viel groͤßer ſeyn, als der Winkel, den ihr Durch-
meſſer macht, verlangt; und alſo iſt auch ſelbſt der
ganze durch das groͤßte Fenſter von der Sonne erleuch-
tete Raum nur das Sonnenbild plus der Weite der
Oeffnung. Wir werden hierauf zuruͤckzukehren kuͤnftig
Gelegenheit finden.

312. (199.)

Fangen wir nun das Sonnenbild durch convexe
Glaͤſer auf, ſo ziehen wir es gegen den Focus zuſam-
men. Hier muß, nach den oben ausgefuͤhrten Regeln,
ein gelber Saum und ein gelbrother Rand entſtehen,
wenn das Bild auf einem weißen Papiere aufgefangen
wird. Weil aber dieſer Verſuch blendend und unbe-
quem iſt, ſo macht er ſich am ſchoͤnſten mit dem Bilde
des Vollmonds. Wenn man dieſes durch ein convexes
Glas zuſammenzieht, ſo erſcheint der farbige Rand in
der groͤßten Schoͤnheit: denn der Mond ſendet an ſich
ſchon ein gemaͤßigtes Licht, und er kann alſo um deſto
eher die Farbe, welche aus Maͤßigung des Lichts ent-

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[119/0173] deutend iſt. Man huͤte ſich aber, dieſe Fiction wieder zum Phaͤnomen zu machen, und mit einem ſolchen fingir- ten Phaͤnomen weiter fort zu operiren. 311. Man vergroͤßre nunmehr die Oeffnung in dem Fenſterladen ſo weit man will, man mache ſie rund oder viereckt, ja man oͤffne den Laden ganz und laſſe die Sonne durch den voͤlligen Fenſterraum in das Zim- mer ſcheinen; der Raum, den ſie erleuchtet, wird immer ſo viel groͤßer ſeyn, als der Winkel, den ihr Durch- meſſer macht, verlangt; und alſo iſt auch ſelbſt der ganze durch das groͤßte Fenſter von der Sonne erleuch- tete Raum nur das Sonnenbild plus der Weite der Oeffnung. Wir werden hierauf zuruͤckzukehren kuͤnftig Gelegenheit finden. 312. (199.) Fangen wir nun das Sonnenbild durch convexe Glaͤſer auf, ſo ziehen wir es gegen den Focus zuſam- men. Hier muß, nach den oben ausgefuͤhrten Regeln, ein gelber Saum und ein gelbrother Rand entſtehen, wenn das Bild auf einem weißen Papiere aufgefangen wird. Weil aber dieſer Verſuch blendend und unbe- quem iſt, ſo macht er ſich am ſchoͤnſten mit dem Bilde des Vollmonds. Wenn man dieſes durch ein convexes Glas zuſammenzieht, ſo erſcheint der farbige Rand in der groͤßten Schoͤnheit: denn der Mond ſendet an ſich ſchon ein gemaͤßigtes Licht, und er kann alſo um deſto eher die Farbe, welche aus Maͤßigung des Lichts ent-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/173>, abgerufen am 26.04.2024.