Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
401.

Wir sehen also hier abermals, wie sehr wir Ur-
sache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme
von parallelen Strahlen, Strahlenbüscheln- und Bün-
deln und dergleichen hypothetischen Wesen zu hüten
(309. 310.)

402.

Wir können uns vielmehr das Scheinen der Sonne,
oder irgend eines Lichtes, als eine unendliche Ab-
spiegelung des beschränkten Lichtbildes vorstellen; wor-
aus sich denn wohl ableiten läßt, wie alle viereckte
Oeffnungen, durch welche die Sonne scheint, in ge-
wissen Entfernungen, je nachdem sie größer oder klei-
ner sind, ein rundes Bild geben müssen.

403.

Obige Versuche kann man durch Oeffnungen von
mancherley Form und Größe wiederholen, und es
wird sich immer dasselbe in verschiedenen Abweichun-
gen zeigen; wobey man jedoch immer bemerken wird,
daß im vollen Lichte, und bey der einfachen Opera-
tion des Herscheinens der Sonne an einem Rand,
keine Farbe sich sehen lasse.

404.

Wir wenden uns daher zu den Versuchen mit dem
gedämpften Lichte, welches nöthig ist, damit die Far-
benerscheinung eintrete. Man mache eine kleine Oeff-
nung in den Laden der dunklen Kammer, man fange
das übers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem

401.

Wir ſehen alſo hier abermals, wie ſehr wir Ur-
ſache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme
von parallelen Strahlen, Strahlenbuͤſcheln- und Buͤn-
deln und dergleichen hypothetiſchen Weſen zu huͤten
(309. 310.)

402.

Wir koͤnnen uns vielmehr das Scheinen der Sonne,
oder irgend eines Lichtes, als eine unendliche Ab-
ſpiegelung des beſchraͤnkten Lichtbildes vorſtellen; wor-
aus ſich denn wohl ableiten laͤßt, wie alle viereckte
Oeffnungen, durch welche die Sonne ſcheint, in ge-
wiſſen Entfernungen, je nachdem ſie groͤßer oder klei-
ner ſind, ein rundes Bild geben muͤſſen.

403.

Obige Verſuche kann man durch Oeffnungen von
mancherley Form und Groͤße wiederholen, und es
wird ſich immer daſſelbe in verſchiedenen Abweichun-
gen zeigen; wobey man jedoch immer bemerken wird,
daß im vollen Lichte, und bey der einfachen Opera-
tion des Herſcheinens der Sonne an einem Rand,
keine Farbe ſich ſehen laſſe.

404.

Wir wenden uns daher zu den Verſuchen mit dem
gedaͤmpften Lichte, welches noͤthig iſt, damit die Far-
benerſcheinung eintrete. Man mache eine kleine Oeff-
nung in den Laden der dunklen Kammer, man fange
das uͤbers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0208" n="154"/>
            <div n="4">
              <head>401.</head><lb/>
              <p>Wir &#x017F;ehen al&#x017F;o hier abermals, wie &#x017F;ehr wir Ur-<lb/>
&#x017F;ache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme<lb/>
von parallelen Strahlen, Strahlenbu&#x0364;&#x017F;cheln- und Bu&#x0364;n-<lb/>
deln und dergleichen hypotheti&#x017F;chen We&#x017F;en zu hu&#x0364;ten<lb/>
(309. 310.)</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>402.</head><lb/>
              <p>Wir ko&#x0364;nnen uns vielmehr das Scheinen der Sonne,<lb/>
oder irgend eines Lichtes, als eine unendliche Ab-<lb/>
&#x017F;piegelung des be&#x017F;chra&#x0364;nkten Lichtbildes vor&#x017F;tellen; wor-<lb/>
aus &#x017F;ich denn wohl ableiten la&#x0364;ßt, wie alle viereckte<lb/>
Oeffnungen, durch welche die Sonne &#x017F;cheint, in ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Entfernungen, je nachdem &#x017F;ie gro&#x0364;ßer oder klei-<lb/>
ner &#x017F;ind, ein rundes Bild geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>403.</head><lb/>
              <p>Obige Ver&#x017F;uche kann man durch Oeffnungen von<lb/>
mancherley Form und Gro&#x0364;ße wiederholen, und es<lb/>
wird &#x017F;ich immer da&#x017F;&#x017F;elbe in ver&#x017F;chiedenen Abweichun-<lb/>
gen zeigen; wobey man jedoch immer bemerken wird,<lb/>
daß im vollen Lichte, und bey der einfachen Opera-<lb/>
tion des Her&#x017F;cheinens der Sonne an einem Rand,<lb/>
keine Farbe &#x017F;ich &#x017F;ehen la&#x017F;&#x017F;e.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>404.</head><lb/>
              <p>Wir wenden uns daher zu den Ver&#x017F;uchen mit dem<lb/>
geda&#x0364;mpften Lichte, welches no&#x0364;thig i&#x017F;t, damit die Far-<lb/>
bener&#x017F;cheinung eintrete. Man mache eine kleine Oeff-<lb/>
nung in den Laden der dunklen Kammer, man fange<lb/>
das u&#x0364;bers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0208] 401. Wir ſehen alſo hier abermals, wie ſehr wir Ur- ſache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme von parallelen Strahlen, Strahlenbuͤſcheln- und Buͤn- deln und dergleichen hypothetiſchen Weſen zu huͤten (309. 310.) 402. Wir koͤnnen uns vielmehr das Scheinen der Sonne, oder irgend eines Lichtes, als eine unendliche Ab- ſpiegelung des beſchraͤnkten Lichtbildes vorſtellen; wor- aus ſich denn wohl ableiten laͤßt, wie alle viereckte Oeffnungen, durch welche die Sonne ſcheint, in ge- wiſſen Entfernungen, je nachdem ſie groͤßer oder klei- ner ſind, ein rundes Bild geben muͤſſen. 403. Obige Verſuche kann man durch Oeffnungen von mancherley Form und Groͤße wiederholen, und es wird ſich immer daſſelbe in verſchiedenen Abweichun- gen zeigen; wobey man jedoch immer bemerken wird, daß im vollen Lichte, und bey der einfachen Opera- tion des Herſcheinens der Sonne an einem Rand, keine Farbe ſich ſehen laſſe. 404. Wir wenden uns daher zu den Verſuchen mit dem gedaͤmpften Lichte, welches noͤthig iſt, damit die Far- benerſcheinung eintrete. Man mache eine kleine Oeff- nung in den Laden der dunklen Kammer, man fange das uͤbers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/208
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/208>, abgerufen am 26.04.2024.