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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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weißen Papiere auf, und man wird, je kleiner die
Oeffnung ist, ein desto matteres Licht erblicken; und
zwar ganz natürlich, weil die Erleuchtung nicht von
der ganzen Sonne, sondern nur von einzelnen Punc-
ten, nur theilweise gewirkt wird.

405.

Betrachtet man dieses matte Sonnenbild genau,
so findet man es gegen seine Ränder zu immer matter
und mit einem gelben Saume begränzt, der sich deut-
lich zeigt, am deutlichsten aber, wenn sich ein Nebel,
oder eine durchscheinende Wolke vor die Sonne zieht,
ihr Licht mäßiget und dämpft. Sollten wir uns nicht
gleich hiebey jenes Hofes an der Wand und des Scheins
eines nahe davorstehenden Lichtes erinnern? (88.)

406.

Betrachtet man jenes oben beschriebene Sonnen-
bild genauer, so sieht man, daß es mit diesem gel-
ben Saume noch nicht abgethan ist; sondern man be-
merkt noch einen zweyten blaulichen Kreis, wo nicht
gar eine hofartige Wiederholung des Farbensaums.
Ist das Zimmer recht dunkel, so sieht man, daß der
zunächst um die Sonne erhellte Himmel gleichfalls ein-
wirkt, man sieht den blauen Himmel, ja sogar die
ganze Landschaft auf dem Papiere und überzeugt sich
abermals, daß hier nur von dem Sonnenbilde die
Rede sey.

407.

Nimmt man eine etwas größere, viereckte Oeff-
nung, welche durch das Hineinstrahlen der Sonne nicht

weißen Papiere auf, und man wird, je kleiner die
Oeffnung iſt, ein deſto matteres Licht erblicken; und
zwar ganz natuͤrlich, weil die Erleuchtung nicht von
der ganzen Sonne, ſondern nur von einzelnen Punc-
ten, nur theilweiſe gewirkt wird.

405.

Betrachtet man dieſes matte Sonnenbild genau,
ſo findet man es gegen ſeine Raͤnder zu immer matter
und mit einem gelben Saume begraͤnzt, der ſich deut-
lich zeigt, am deutlichſten aber, wenn ſich ein Nebel,
oder eine durchſcheinende Wolke vor die Sonne zieht,
ihr Licht maͤßiget und daͤmpft. Sollten wir uns nicht
gleich hiebey jenes Hofes an der Wand und des Scheins
eines nahe davorſtehenden Lichtes erinnern? (88.)

406.

Betrachtet man jenes oben beſchriebene Sonnen-
bild genauer, ſo ſieht man, daß es mit dieſem gel-
ben Saume noch nicht abgethan iſt; ſondern man be-
merkt noch einen zweyten blaulichen Kreis, wo nicht
gar eine hofartige Wiederholung des Farbenſaums.
Iſt das Zimmer recht dunkel, ſo ſieht man, daß der
zunaͤchſt um die Sonne erhellte Himmel gleichfalls ein-
wirkt, man ſieht den blauen Himmel, ja ſogar die
ganze Landſchaft auf dem Papiere und uͤberzeugt ſich
abermals, daß hier nur von dem Sonnenbilde die
Rede ſey.

407.

Nimmt man eine etwas groͤßere, viereckte Oeff-
nung, welche durch das Hineinſtrahlen der Sonne nicht

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[155/0209] weißen Papiere auf, und man wird, je kleiner die Oeffnung iſt, ein deſto matteres Licht erblicken; und zwar ganz natuͤrlich, weil die Erleuchtung nicht von der ganzen Sonne, ſondern nur von einzelnen Punc- ten, nur theilweiſe gewirkt wird. 405. Betrachtet man dieſes matte Sonnenbild genau, ſo findet man es gegen ſeine Raͤnder zu immer matter und mit einem gelben Saume begraͤnzt, der ſich deut- lich zeigt, am deutlichſten aber, wenn ſich ein Nebel, oder eine durchſcheinende Wolke vor die Sonne zieht, ihr Licht maͤßiget und daͤmpft. Sollten wir uns nicht gleich hiebey jenes Hofes an der Wand und des Scheins eines nahe davorſtehenden Lichtes erinnern? (88.) 406. Betrachtet man jenes oben beſchriebene Sonnen- bild genauer, ſo ſieht man, daß es mit dieſem gel- ben Saume noch nicht abgethan iſt; ſondern man be- merkt noch einen zweyten blaulichen Kreis, wo nicht gar eine hofartige Wiederholung des Farbenſaums. Iſt das Zimmer recht dunkel, ſo ſieht man, daß der zunaͤchſt um die Sonne erhellte Himmel gleichfalls ein- wirkt, man ſieht den blauen Himmel, ja ſogar die ganze Landſchaft auf dem Papiere und uͤberzeugt ſich abermals, daß hier nur von dem Sonnenbilde die Rede ſey. 407. Nimmt man eine etwas groͤßere, viereckte Oeff- nung, welche durch das Hineinſtrahlen der Sonne nicht

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/209>, abgerufen am 26.04.2024.