Man kann von dem Physiker nicht fordern, daß er Philosoph sey; aber man kann von ihm erwarten, daß er so viel philosophische Bildung habe, um sich gründlich von der Welt zu unterscheiden und mit ihr wieder im höhern Sinne zusammenzutreten. Er soll sich eine Methode bilden, die dem Anschauen gemäß ist; er soll sich hüten, das Anschauen in Begriffe, den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit diesen Worten, als wären's Gegenstände, umzugehen und zu verfahren; er soll von den Bemühungen des Philo- sophen Kenntniß haben, um die Phänomene bis an die philosophische Region hinanzuführen.
Fuͤnfte Abtheilung. Nachbarliche Verhaͤltniſſe.
Verhaͤltniß zur Philoſophie.
716.
Man kann von dem Phyſiker nicht fordern, daß er Philoſoph ſey; aber man kann von ihm erwarten, daß er ſo viel philoſophiſche Bildung habe, um ſich gruͤndlich von der Welt zu unterſcheiden und mit ihr wieder im hoͤhern Sinne zuſammenzutreten. Er ſoll ſich eine Methode bilden, die dem Anſchauen gemaͤß iſt; er ſoll ſich huͤten, das Anſchauen in Begriffe, den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit dieſen Worten, als waͤren’s Gegenſtaͤnde, umzugehen und zu verfahren; er ſoll von den Bemuͤhungen des Philo- ſophen Kenntniß haben, um die Phaͤnomene bis an die philoſophiſche Region hinanzufuͤhren.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0320"n="[266]"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Fuͤnfte Abtheilung.<lb/>
Nachbarliche Verhaͤltniſſe</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Verhaͤltniß zur Philoſophie.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head>716.</head><lb/><p>Man kann von dem Phyſiker nicht fordern, daß<lb/>
er Philoſoph ſey; aber man kann von ihm erwarten,<lb/>
daß er ſo viel philoſophiſche Bildung habe, um ſich<lb/>
gruͤndlich von der Welt zu unterſcheiden und mit ihr<lb/>
wieder im hoͤhern Sinne zuſammenzutreten. Er ſoll<lb/>ſich eine Methode bilden, die dem Anſchauen gemaͤß<lb/>
iſt; er ſoll ſich huͤten, das Anſchauen in Begriffe,<lb/>
den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit dieſen<lb/>
Worten, als waͤren’s Gegenſtaͤnde, umzugehen und<lb/>
zu verfahren; er ſoll von den Bemuͤhungen des Philo-<lb/>ſophen Kenntniß haben, um die Phaͤnomene bis an<lb/>
die philoſophiſche Region hinanzufuͤhren.</p></div><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[[266]/0320]
Fuͤnfte Abtheilung.
Nachbarliche Verhaͤltniſſe.
Verhaͤltniß zur Philoſophie.
716.
Man kann von dem Phyſiker nicht fordern, daß
er Philoſoph ſey; aber man kann von ihm erwarten,
daß er ſo viel philoſophiſche Bildung habe, um ſich
gruͤndlich von der Welt zu unterſcheiden und mit ihr
wieder im hoͤhern Sinne zuſammenzutreten. Er ſoll
ſich eine Methode bilden, die dem Anſchauen gemaͤß
iſt; er ſoll ſich huͤten, das Anſchauen in Begriffe,
den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit dieſen
Worten, als waͤren’s Gegenſtaͤnde, umzugehen und
zu verfahren; er ſoll von den Bemuͤhungen des Philo-
ſophen Kenntniß haben, um die Phaͤnomene bis an
die philoſophiſche Region hinanzufuͤhren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. [266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/320>, abgerufen am 26.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.