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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Ton. Beyde sind allgemeine elementare Wirkungen
nach dem allgemeinen Gesetz des Trennens und Zusam-
menstrebens, des Auf- und Abschwankens, des Hin-
und wiederwägens wirkend, doch nach ganz verschiede-
nen Seiten, auf verschiedene Weise, auf verschiedene
Zwischenelemente, für verschiedene Sinne.

749.

Möchte Jemand die Art und Weise, wie wir die Far-
benlehre an die allgemeine Naturlehre angeknüpft, recht
fassen, und dasjenige, was uns entgangen und abge-
gangen durch Glück und Genialität ersetzen; so würde
die Tonlehre, nach unserer Ueberzeugung, an die allge-
meine Physik vollkommen anzuschließen seyn, da sie
jetzt innerhalb derselben gleichsam nur historisch abge-
sondert steht.

750.

Aber eben darin läge die größte Schwierigkeit,
die für uns gewordene positive, auf seltsamen empi-
rischen, zufälligen, mathematischen, ästhetischen, genia-
lischen Wegen entsprungene Musik zu Gunsten einer
physikalischen Behandlung zu zerstören und in ihre er-
sten physischen Elemente aufzulösen. Vielleicht wäre
auch hierzu, auf dem Puncte, wo Wissenschaft und
Kunst sich befinden, nach so manchen schönen Vorar-
beiten, Zeit und Gelegenheit.


Ton. Beyde ſind allgemeine elementare Wirkungen
nach dem allgemeinen Geſetz des Trennens und Zuſam-
menſtrebens, des Auf- und Abſchwankens, des Hin-
und wiederwaͤgens wirkend, doch nach ganz verſchiede-
nen Seiten, auf verſchiedene Weiſe, auf verſchiedene
Zwiſchenelemente, fuͤr verſchiedene Sinne.

749.

Moͤchte Jemand die Art und Weiſe, wie wir die Far-
benlehre an die allgemeine Naturlehre angeknuͤpft, recht
faſſen, und dasjenige, was uns entgangen und abge-
gangen durch Gluͤck und Genialitaͤt erſetzen; ſo wuͤrde
die Tonlehre, nach unſerer Ueberzeugung, an die allge-
meine Phyſik vollkommen anzuſchließen ſeyn, da ſie
jetzt innerhalb derſelben gleichſam nur hiſtoriſch abge-
ſondert ſteht.

750.

Aber eben darin laͤge die groͤßte Schwierigkeit,
die fuͤr uns gewordene poſitive, auf ſeltſamen empi-
riſchen, zufaͤlligen, mathematiſchen, aͤſthetiſchen, genia-
liſchen Wegen entſprungene Muſik zu Gunſten einer
phyſikaliſchen Behandlung zu zerſtoͤren und in ihre er-
ſten phyſiſchen Elemente aufzuloͤſen. Vielleicht waͤre
auch hierzu, auf dem Puncte, wo Wiſſenſchaft und
Kunſt ſich befinden, nach ſo manchen ſchoͤnen Vorar-
beiten, Zeit und Gelegenheit.


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[282/0336] Ton. Beyde ſind allgemeine elementare Wirkungen nach dem allgemeinen Geſetz des Trennens und Zuſam- menſtrebens, des Auf- und Abſchwankens, des Hin- und wiederwaͤgens wirkend, doch nach ganz verſchiede- nen Seiten, auf verſchiedene Weiſe, auf verſchiedene Zwiſchenelemente, fuͤr verſchiedene Sinne. 749. Moͤchte Jemand die Art und Weiſe, wie wir die Far- benlehre an die allgemeine Naturlehre angeknuͤpft, recht faſſen, und dasjenige, was uns entgangen und abge- gangen durch Gluͤck und Genialitaͤt erſetzen; ſo wuͤrde die Tonlehre, nach unſerer Ueberzeugung, an die allge- meine Phyſik vollkommen anzuſchließen ſeyn, da ſie jetzt innerhalb derſelben gleichſam nur hiſtoriſch abge- ſondert ſteht. 750. Aber eben darin laͤge die groͤßte Schwierigkeit, die fuͤr uns gewordene poſitive, auf ſeltſamen empi- riſchen, zufaͤlligen, mathematiſchen, aͤſthetiſchen, genia- liſchen Wegen entſprungene Muſik zu Gunſten einer phyſikaliſchen Behandlung zu zerſtoͤren und in ihre er- ſten phyſiſchen Elemente aufzuloͤſen. Vielleicht waͤre auch hierzu, auf dem Puncte, wo Wiſſenſchaft und Kunſt ſich befinden, nach ſo manchen ſchoͤnen Vorar- beiten, Zeit und Gelegenheit.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/336>, abgerufen am 26.04.2024.