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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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gur 5. ist dagegen die Figur, welche zu der gegenwär-
tigen Darstellung gehört.

108.

Man lasse also den obern Kreis für die brechbarsten
Strahlen gelten, welche von der ganzen Scheibe der Sonne
herkommen und auf der entgegengesetzten Wand sich also er-
leuchtend abmalen würden, wenn sie allein wären. Der un-
tre Kreis bestehe aus den wenigst brechbaren Strahlen, wie
er sich, wenn er allein wäre, gleichfalls erleuchtend abbilden
würde. Die Zwischenkreise mögen sodann diejenigen seyn, de-
ren Brechbarkeit zwischen die beyden äußern hineinfällt, und
die sich gleichfalls an der Wand einzeln zeigen würden, wenn
sie einzeln von der Sonne kämen, und aufeinander folgen
könnten, indem man die übrigen auffinge. Nun stelle man sich
vor, daß es noch andre Zwischencirkel ohne Zahl gebe, die
vermöge unzähliger Zwischenarten der Strahlen sich nach und nach
auf der Wand zeigen würden, wenn die Sonne nach und nach
jede besondre Art herunterschickte. Da nun aber die Sonne
sie alle zusammen von sich sendet, so müssen sie zusammen als
unzählige gleiche Cirkel sich auf der Wand erleuchtend abbil-
den, aus welchen, indem sie nach den verschiedenen Graden
der Refrangibilität ordnungsgemäß in einer zusammenhängen-
den Reihenfolge ihren Platz einnehmen, jene länglichte Erschei-
nung zusammengesetzt ist, die ich in dem dritten Versuche be-
schrieben habe.

109.

Wie der Verfasser diese hypothetische Darstellung,
die Hieroglyphe seiner Ueberzeugung, keinesweges aber
ein Bild der Natur, benutzt, um die Bücklinge seines
Spectrums deutlicher zu machen, mag der wißbegierige

gur 5. iſt dagegen die Figur, welche zu der gegenwaͤr-
tigen Darſtellung gehoͤrt.

108.

Man laſſe alſo den obern Kreis fuͤr die brechbarſten
Strahlen gelten, welche von der ganzen Scheibe der Sonne
herkommen und auf der entgegengeſetzten Wand ſich alſo er-
leuchtend abmalen wuͤrden, wenn ſie allein waͤren. Der un-
tre Kreis beſtehe aus den wenigſt brechbaren Strahlen, wie
er ſich, wenn er allein waͤre, gleichfalls erleuchtend abbilden
wuͤrde. Die Zwiſchenkreiſe moͤgen ſodann diejenigen ſeyn, de-
ren Brechbarkeit zwiſchen die beyden aͤußern hineinfaͤllt, und
die ſich gleichfalls an der Wand einzeln zeigen wuͤrden, wenn
ſie einzeln von der Sonne kaͤmen, und aufeinander folgen
koͤnnten, indem man die uͤbrigen auffinge. Nun ſtelle man ſich
vor, daß es noch andre Zwiſchencirkel ohne Zahl gebe, die
vermoͤge unzaͤhliger Zwiſchenarten der Strahlen ſich nach und nach
auf der Wand zeigen wuͤrden, wenn die Sonne nach und nach
jede beſondre Art herunterſchickte. Da nun aber die Sonne
ſie alle zuſammen von ſich ſendet, ſo muͤſſen ſie zuſammen als
unzaͤhlige gleiche Cirkel ſich auf der Wand erleuchtend abbil-
den, aus welchen, indem ſie nach den verſchiedenen Graden
der Refrangibilitaͤt ordnungsgemaͤß in einer zuſammenhaͤngen-
den Reihenfolge ihren Platz einnehmen, jene laͤnglichte Erſchei-
nung zuſammengeſetzt iſt, die ich in dem dritten Verſuche be-
ſchrieben habe.

109.

Wie der Verfaſſer dieſe hypothetiſche Darſtellung,
die Hieroglyphe ſeiner Ueberzeugung, keinesweges aber
ein Bild der Natur, benutzt, um die Buͤcklinge ſeines
Spectrums deutlicher zu machen, mag der wißbegierige

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[418/0472] gur 5. iſt dagegen die Figur, welche zu der gegenwaͤr- tigen Darſtellung gehoͤrt. 108. Man laſſe alſo den obern Kreis fuͤr die brechbarſten Strahlen gelten, welche von der ganzen Scheibe der Sonne herkommen und auf der entgegengeſetzten Wand ſich alſo er- leuchtend abmalen wuͤrden, wenn ſie allein waͤren. Der un- tre Kreis beſtehe aus den wenigſt brechbaren Strahlen, wie er ſich, wenn er allein waͤre, gleichfalls erleuchtend abbilden wuͤrde. Die Zwiſchenkreiſe moͤgen ſodann diejenigen ſeyn, de- ren Brechbarkeit zwiſchen die beyden aͤußern hineinfaͤllt, und die ſich gleichfalls an der Wand einzeln zeigen wuͤrden, wenn ſie einzeln von der Sonne kaͤmen, und aufeinander folgen koͤnnten, indem man die uͤbrigen auffinge. Nun ſtelle man ſich vor, daß es noch andre Zwiſchencirkel ohne Zahl gebe, die vermoͤge unzaͤhliger Zwiſchenarten der Strahlen ſich nach und nach auf der Wand zeigen wuͤrden, wenn die Sonne nach und nach jede beſondre Art herunterſchickte. Da nun aber die Sonne ſie alle zuſammen von ſich ſendet, ſo muͤſſen ſie zuſammen als unzaͤhlige gleiche Cirkel ſich auf der Wand erleuchtend abbil- den, aus welchen, indem ſie nach den verſchiedenen Graden der Refrangibilitaͤt ordnungsgemaͤß in einer zuſammenhaͤngen- den Reihenfolge ihren Platz einnehmen, jene laͤnglichte Erſchei- nung zuſammengeſetzt iſt, die ich in dem dritten Verſuche be- ſchrieben habe. 109. Wie der Verfaſſer dieſe hypothetiſche Darſtellung, die Hieroglyphe ſeiner Ueberzeugung, keinesweges aber ein Bild der Natur, benutzt, um die Buͤcklinge ſeines Spectrums deutlicher zu machen, mag der wißbegierige

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/472>, abgerufen am 26.04.2024.